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Second Life: Neue Welten, neue Rechtsfragen

Unendliche Weiten – Parallele Welten - Second Life: Neue Welten, neue Rechtsfragen

von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann

Das virtuelle Wunderland Second Life wird nach Presseberichten mittlerweile von mehr als 6 Mio. Nutzern bewohnt. Neben vielen Millionen Privatpersonen, die sich in dieser virtuellen Welt aufhalten und vergnügen, schießen zahlreiche Projekte aus allen Bereichen der Gesellschaft, Politik, Kultur, Sport, etc. dort wie Pilze aus dem Boden. So gibt es dort mittlerweile Dependancen von Adidas, Toyota und Mercedes, Künstler veranstalten dort Konzerte und präsentieren ihre neuesten Veröffentlichungen, Ferienhotels können schon einmal virtuell vorbesichtigt werden, das neue Auto schon einmal konfiguriert und Probe gefahren werden und auch der neue französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat einen erheblichen Teil seines Wahlkampfes dort virtuell geführt.

Auch aufrecht.de ist mit dem Verfasser dieses Beitrags als einer der ersten deutschen Anwälte bei Second Life vertreten. Zuletzt stand Herr Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann im Internetmagazin „webselling“ zu Rechtsfragen rund um Second Life Rede und Antwort. Dabei ging es insbesondere um die derzeit völlig ungeklärte Rechtsfrage rund um die virtuelle Währung bei Second Life, die Linden-Dollars. Auch interessierte sich das webselling-Magazin dafür, ob man für einen Diebstahl in Second Life in der realen Welt belangt werden könne und was mit dem bei Second Life erworbenen Eigentum passiert, falls einmal der Account des Teilnehmers gelöscht werden sollte.

Angesichts der wachsenden Bedeutung vom Second Life und der Tatsache, dass dieses Konzept in identischer bzw. ähnlicher Form bereits seine Nachahmer findet, haben wir einige der bislang aufgetretenen und bekannt gewordenen Rechtsprobleme zusammengestellt.

Bereits die Teilnahmebedingungen, die jeder Nutzer bei seiner Anmeldung unter secondlife.com akzeptieren muss, sorgen für juristischen Zündstoff. So heißt es beispielsweise in den bislang lediglich in englischer Sprache verfügbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Second Life:

Linden Lab has the right at any time for any reason or no reason to suspend or terminate your Account, terminate this Agreement, and/or refuse any and all current or future use of the Service without notice ir liability to you. In the event that Linden Lab suspends or terminates your Account ort his Agreement, you understand and agree that you shall receive no refund or exchange for any unused time on a subscription, any license or subscription fees, any content or data associated with your Account, or for anything else.

Durch diese Klausel räumt sich Linden Lab, der Betreiber von secondlife.com, das Recht ein, jeden bei Second Life aktivierten Account jederzeit – auch ohne Grund – zu löschen. Zugleich verzichtet nach dieser Klausel der Nutzer auf jegliche Ansprüche gegen Second Life aufgrund einer solchen Löschung. Dies bedeutet beispielsweise, dass Second Life-Teilnehmer, die bereits erhebliche Werte in die virtuelle Welt investiert haben, beispielsweise durch den Kauf virtuellen Lands und den Aufbau einer kostspieligen und umfangreichen Präsenz, von einem Tag auf den anderen gekündigt werden können, ohne dass die entsprechenden Werte an den Teilnehmer ausgezahlt werden.

Nach den Nutzungsbedingungen von Second Life soll dies übrigens auch für den Fall gelten, dass ein Teilnehmer einmal selbst den Account kündigt. Auch dann sind die getätigten Investitionen futsch und es besteht kein Anspruch auf Auszahlung der geschaffenen Werte, also beispielsweise den Wert der bei Second Life gekauften virtuellen Landparzelle.

Auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht bieten die Nutzungsbedingungen von Second Life einige unangenehme Überraschungen. So lassen sich die Betreiber von Second Life das Recht einräumen, sämtliche Daten, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Second Life entstehen, zu sammeln und an Dritte weiterzugeben. Hierzu könnten beispielsweise Daten über die bei Second Life besuchten Welten, getätigte Einkäufe, Bekanntschaften, etc. gehören, sodass ein umfangreiches Nutzungsprofil etwa zu Marketingzwecken erstellt werden kann. Der User bei Second Life und sein Avatar sind also nicht nur virtuell, sondern zumindest für die Betreiber auch gläsern.

Viele Dinge bei Second Life kosten Geld. Wer seinen Avatar hübsch ausstatten will, muss hierfür mit der Second Life-Währung, dem Linden-Dollar, zahlen. Auch können virtuelle Immobiliengeschäfte geführt werden und jeder User kann sich ein eigenes Stück Land bei Second Life kaufen. Natürlich gibt es bei Second Life auch bereits Shops, in denen ganz reale Dinge gekauft werden können.

Zuvor muss der User sein ganz reales Geld in die Linden-Dollars umtauschen. Hierzu legen die Betreiber von Second Life einen Wechselkurs zum realen US-Dollar fest, der durchaus auch Schwankungen unterliegen kann. Derzeit völlig ungeklärt ist die Frage, was bei einem sinkenden Kurs des Linden-Dollars geschieht. Möglicherweise können aufgrund dieser rechtlichen Unsicherheit die virtuellen Investitionen schnell an Wert verlieren und die Währungsunsicherheit ist als eines der zentralen juristischen Probleme bei Second Life zu betrachten.

Ebenfalls ungeklärt ist bislang die Frage, welches Recht für in Second Life abgeschlossene Transaktionen gilt. Hier wird es stets auf die konkrete Konstellation ankommen, also welche Art Geschäft zwischen Teilnehmern aus welchen Ländern getätigt worden ist. Nach unserer Einschätzung findet beispielsweise für deutsche Spieler auch bei Second Life das strenge deutsche Verbraucherrecht Anwendung, wenn also beispielsweise ein deutscher Teilnehmer einen Kauf bei Second Life tätigt. Zwar gibt es hierzu noch keine Gerichtsentscheidungen, jedoch ist bei Second Life davon auszugehen, dass es sich dann um einen nach deutschem Recht zu behandelnden Fernabsatzvertrag handeln wird, sodass beispielsweise für den Kauf eines Laptops bei Second Life das nach deutschem Verbraucherrecht zwingend vorgeschriebene Widerrufs- und Rückgaberecht Anwendung finden dürfte.

Viel Wirbel hat es bei Second Life schon zu rechtlich kritischen Angeboten gegeben. Grundsätzlich verhält es sich dabei so, dass auch bei Second Life unzulässig ist, was auch in der realen Welt verboten ist. Pornographie, unerlaubtes Glücksspiel oder üble Beleidigungen und Verleumdungen Dritter sind also auch bei Second Life verboten.

Nach Presseberichten geht beispielsweise das FBI gegen illegales Glücksspiel bei Second Life vor. Dort haben sich nämlich bereits zahlreiche virtuelle Casinos etabliert, bei denen um Linden-Dollars gezockt werden kann. Diese strengen Ermittlungsmaßnahmen dürften sicherlich keine Überraschung sein. Wenn das dort veranstaltete Glückspiel nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung verboten ist, hilft es einem Anbieter wenig, auf Second Life auszuweichen. Das Argument, das dortige Glücksspiel sei dort nur „virtuell“ gewesen, wird dem Ausrichter solchen illegalen Glückspiels vor Gericht nicht viel helfen.

Auch bezüglich pornographischer Angebote bei Second Life gibt es bereits erste Ermittlungsverfahren und auch deutsche Staatsanwaltschaften haben sich hierzu eingeschaltet. Dabei gehen diese Staatsanwaltschaften davon aus, dass pornographische Darstellungen und Handlungen bei Second Life strafbar sind, völlig unabhängig davon, dass es sich lediglich um virtuelle Figuren handelt. In diesem Zusammenhang haben die Betreiber von Second Life bereits angekündigt, pornographische Angebote unterbinden zu wollen. Dabei wird die Praxis zeigen, ob dies den Betreibern gelingt.

Nach den Nutzungsbedingungen von Second Life gibt es zwar eigene Welten für Minderjährige, beispielsweise eine „Teen Area“ für unter 18 Jährige und erst mit Vollendung des 18 Lebensjahres dürfen die User sämtliche Welten von Second Life besuchen. Allerdings findet bei der Anmeldung zu Second Life keinerlei wirksame Alterskontrolle statt, sodass die Nutzungsbedingungen keinen ausreichenden Jugendschutz gewährleisten. Der Ausgang der von verschiedenen deutschen Staatsanwaltschaften geführten Ermittlungsverfahren ist mit Spannung abzuwarten, zumal die Betreiber von Second Life ihren Sitz in den Vereinigten Staaten haben.

Zudem stellen sich bei Second Life viele bereits aus dem „normalen“ Internet bekannte Rechtsfragen. Von den bei Second Life möglichen Download von Songs und den entsprechenden urheberrechtlichen Sanktionen bis hin zum Verstoß gegen Marken- und Kennzeichenrechte verhält es sich bei Second Life ebenso wie in der realen Welt. So muss derjenige, der das geistige Eigentum Dritter verletzt, ebenso mit Post vom Anwalt oder vom Gericht rechnen und es macht dabei keinen Unterschied, ob die Rechtsverletzung in realen oder der virtuellen Welt von Second Life geschieht.

Wir werden bei aufrecht.de weiterhin über die rasante Entwicklung von Second Life und die einhergehenden rechtlichen Fragen berichten. Der Verfasser und sein Avatar „Advo“ sind vor Ort in der virtuellen Welt dabei und werden die verschiedenen Angebote bei Second Life kritisch beleuchten.