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Beihilfe zum Computerbetrug bei Phishing - AG Hamm, Urteil vom 05.09.05, Az.: 10 Ds 101 Js 244/05

Leitsätzliches

Das Überweisen von Geldbeträgen per Western Union nach Russland, die von Dritten zuvor auf das eigene Konto überwiesen wurden, kann als Beihilfe zum Computerbetrug strafbar sein, wenn die Bankdaten für die Erstüberweisung per "Phishing" erbeutet wurden.

AMTSGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL


Aktenzeichen: 10 Ds 101 Js 244/05

Entscheidung vom 5. September 2005

Strafsache gegen ...

wegen Beihilfe zum Computerbetrug

Das Amtsgericht Hamm - Strafrichter - hat in der Sitzung vom ... für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen Beihilfe zum Computerbetrug zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.

Er trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. Ihm wird nachgelassen, die Strafe in monatlichen Raten zu 100 € beginnend mit dem Monat nach Zahlungsaufforderung durch die Staatsanwaltschaft zu zahlen. Kommt er mit der Zahlung in Verzug, wird die gesamte Strafe sofort fällig.

- §§ 263 a, 27 StGB -.

Gründe

Der Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er hat keinen Beruf erlernt. Der Angeklagte ist kürzlich mit einer Freundin in Frankfurt zusammengezogen. Er beabsichtigt die Aufnahme einer Arbeit als Kellner. Ab Februar 2006 will er beim Hessen Kolleg eine Weiterbildung zum Abitur besuchen. Bis August 2005 hat er 675,- € monatliche Arbeitslosenhilfe erhalten.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

Ende Januar 2005 wurde der Angeklagte über den Internetdienst ICQ von einer Person in russischer Sprache kontaktiert. Diese Person fragte beim Angeklagten über das Internet an, ob er an einem Job interessiert sei. Er solle für eine russische Firma Überweisungen von Kunden der Firma über sein Konto entgegennehmen und dieses Geld per Western Union Bank nach Moskau schicken. Als Belohnung sollte der Angeklagte jeweils 10 % der Summe als Provision erhalten. Zur Begründung wurde angegeben, normale Überweisungen der Kunden an die Firma dauerten zu lange und seien zu kostenintensiv.

Bereits am 2.2.2005 kam es zu einer Überweisung von 4.200 € auf das Konto des Angeklagten, welche dieser entsprechend der Anweisung seines russischen Gesprächpartners umgehend abzüglich 10 % Provision nach Moskau weiterleitete. Dieser Fall ist von der Anklage nicht erfasst. Der Überweisung des Geldes auf das Konto des Angeklagten lag folgendes zugrunde: Dem unbekannt gebliebenen Täter aus Russland war es gelungen, so genannte Trojaner-Programme über das Internet auf den Rechnern von Kunden des Online-Bankings zu installieren. Diese Programme bewirkten bei der Eingabe einer TAN zum Zwecke einer Überweisung, das sich ein Fenster öffnete, indem dem Kunden mitgeteilt wurde, dass die TAN bereits verbraucht sei und wo er aufgefordert wurde, eine neue TAN einzugeben. Gibt der Online-Banking Kunde dann eine neuerliche TAN ein sendet das Trojaner Programm die Daten der nicht genutzten TAN an den Täter in Russland. Mit dieser TAN und den Daten des Bankkunden wiederum werden dann ohne Wissen des Kunden Überweisungen veranlasst. Zur Deckung der Spuren werden in Deutschland Personen wie der Angeklagte angeworben, die ihre Konten zur Verfügung stellen. Diese Personen heben die überwiesenen Beträge von ihren Konten ab und schicken sie über die Western Union Bank nach Moskau. Dort werden sie vom Täter umgehend abgeholt und die Spur verliert sich.

Auf die oben beschriebene Art wurde ebenfalls am 2.2.2005 ein Betrag von 10.000 € von dem Konto des Geschädigten M. in Münster abgebucht und auf das Konto des Angeklagten überwiesen. Dem Angeklagten wurde von dem unbekannten Täter aus Russland vormittags am 3.2.2005 mitgeteilt, dass eine neuerliche Überweisung auf seinem Konto angekommen sei und er wurde aufgefordert, das Geld umgehend nach Moskau zu schicken. Obwohl der Angeklagte erhebliche Bedenken hinsichtlich der Seriosität des Geschäftes und der redlichen Herkunft des Geldes hatte, entschloss er sich im Hinblick auf die ihm winkende Provision das Geld abzuheben und nach Moskau zu schicken. Gegen Mittag des 3.2.2005 begab er sich zu seiner Bank und hob die 10.000 € ab. Eine erste Teilsumme von 5.000 € transferierte er von der Postbank in Hamm um 12.58 Uhr am 3.2.2005 per Western Union Bank nach Moskau zu Gunsten eines Herrn P. Anschließend fuhr der Angeklagte mit dem Restbetrag des Geldes nach Hamburg. Dort transferierte er um 15.59 Uhr wiederum über die Western Union Bank einen Betrag von 3.500 € an einen Herrn D. in Russland. Den Restbetrag abzüglich der Gebühren für den Transfer nach Russland behielt der Angeklagte für sich. Der Angeklagte nahm insgesamt billigend in Kauf, dass der Transaktion kein legales Rechtsgeschäft zugrunde lag und der Zeuge M. durch die Überweisung zu Unrecht geschädigt wurde.

Der Angeklagte hat das objektive Geschehen eingeräumt. Er hat angegeben, bei Überweisung des Geldes darauf vertraut zu haben, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Der unbekannte Täter aus Russland habe ihn schließlich auch auf eine Internetseite verwiesen, die er aufgesucht habe und die einen sehr professionellen und glaubwürdigen Eindruck gemacht habe. So sei er davon ausgegangen, dass alles seine Richtigkeit habe. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Angeklagte bei Übersendung der Gelder nicht darauf vertraut hat, dass alles seine Richtigkeit hat, sondern dass er billigend in Kauf genommen hat, dass der Zeuge M. zu Unrecht geschädigt wurde. Der Angeklagte selbst hat einräumen müssen, dass er in seiner polizeilichen Vernehmung mehrfach angegeben hat, dass ihm die Sache sehr zweifelhaft vorgekommen sei. Er hat überdies in der mündlichen Verhandlung bekundet, er habe seinen russischen Gesprächspartner aufgefordert, zur Sicherheit für ihn einen Anstellungsvertrag zu übersenden. Über dieses von ihm selbst aufgestellte Anfordernis hat der Angeklagte sich aber letztlich hinweggesetzt. Dies hat er nach Überzeugung des Gerichts getan, weil ihn die versprochene Provision lockte. Der Angeklagte hat im übrigen in der Hauptversammlung auch bekundet, er habe dem Gesprächspartner aus Russland am Morgen des 3.2.2005 gesagt, er werde die Überweisungen erst ausführen, wenn er die Rechtmäßigkeit seines Handelns überprüft habe. Sein Gesprächspartner habe darauf nur mit einem Hinweis auf die Dringlichkeit der Angelegenheit reagiert. Abgesehen davon, dass das gesamte Geschäft, insbesondere der unerklärlich hohe Gewinn für die relativ geringe Tätigkeit, den Angeklagten schon in extremen Maße stutzig gemacht haben muss und gemacht hat, zeigt diese Bemerkung, dass der Angeklagte durchaus in Erwägung gezogen hat, dass das Vorgehen seines russischen Gesprächpartners und sein Vorgehen nicht legal sind. Der Angeklagte hat in der Folgezeit allerdings darauf verzichtet, auch nur minimale Möglichkeiten zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu nutzen. So hat der Angeklagte selbst angegeben, er habe zunächst bei der Postbank WT den gesamten Betrag RP überweisen wollen. Der Schalterbeamte habe ihn jedoch darauf hingewiesen, dass eine Überweisung in der gesamten Summe von 10.000 € möglicherweise zu Problemen hinsichtlich Geldwäsche führen könne. Selbst über diesen Hinweis hat sich der Angeklagte hinweggesetzt und hat als Folge lediglich den Betrag von 10.000 € in zwei Teilbeträgen nach Russland übersandt. Es wäre für ihn nichts leichter gewesen, als den Schalterbeamten in groben Zügen über das von ihm beabsichtigte Geschäft zu unterrichten und diesen hinsichtlich der Seriosität zu befragen. Der Umstand, dass der Angeklagte gerade dies nicht getan hat, zeigt nach Auffassung des Gerichts deutlich, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits an einer näheren Aufklärung der Hintergründe nicht mehr interessiert war, sondern dass es ihm nur noch um den Gewinn der Provision gegangen ist. Aus gleichem Grunde hat er auch nicht versucht, den Absender der auf sein Konto überwiesenen Gelder zu ermitteln und zu befragen, ob die Überweisungen in seinem Einverständnis erfolgt sind. Ein letzter Hinweis dafür ist auch, dass der Angeklagte nach dem Geschäft eigenen Bekundungen zu Folge gegenüber seinem russischen Gesprächspartner angegeben hat, er wolle nunmehr keine weiteren Geldübersendungen ausführen. Hätte der Angeklagte weiterhin darauf vertraut, dass er sich im Rahmen der Legalität bewegt, wäre nicht erklärlich, warum der Angeklagte auf eine derart leichte Gewinnerzielungsmöglichkeit so einfach verzichten sollte. Sein Verhalten zeigt vielmehr, dass der Angeklagte bereit war, einmal zu Gunsten des schnellen Gewinns alle Bedenken über Bord zu werfen, ihm aber für weitere Handlungen die Sache eindeutig zu gefährlich war.

Der Angeklagte hat sich damit wegen Beihilfe zum Computerbetrug gemäß §§ 263 a, 27 StGB strafbar gemacht. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.

Bei der Strafzumessung konnte das Gericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen, dass er nach Entdeckung der Tat der Polizei bereitwillig Aufklärungshilfe geleistet hat. Weiterhin konnte strafmildernd berücksichtigt werden, dass der Angeklagte strafrechtlich nicht vorbelastet ist. Auch hat der Angeklagte nicht als Täter gehandelt. Seine Handlung ist lediglich als Beihilfe zu werten.

Straferschwerend wirkte sich demgegenüber aus, dass der Angeklagte mit seiner Beihilfe dafür gesorgt hat, das beim Zeugen M. ein Schaden von immerhin 10.000 € entstanden ist.

Nach Wertung sämtlicher Umstände erschien zur Einwirkung auf den Angeklagten die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 20 € tat- und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.

Unterschrift