Der "virtuelle Hammer" oder Rechtssicherheit bei Online-Auktionen
von Rechtsanwalt Michael Terhaag
Ein wirksamer Vertragsschluss kann bei einer sogenannten Internetauktion durch Freischalten der Versteigerungsseite – als Angebot – und Höchstgebot plus Zeitablauf – als Annahme – zu Stande kommen. Insbesondere ist die konkrete Ausgestaltung dieses Ablaufes zulässig durch allgemeine Geschäftsbedingungen durch das virtuelle Auktionshaus zu regeln.
Nachdem das Landgericht Münster mit seinem Urteil vom 21. Januar 2000 sich mit der konkreten Abwicklung einer Onlineversteigerung aus rechtlicher Sicht zu beschäftigen hatte, wurde die hier getroffene Entscheidung einen wirksamen Vertragsschluss abzulehnen, von der Rechtsliteratur – vorsichtig ausgedrückt – eher kritisch betrachtet.
Ausgangspunkt war der Verkauf eines Kraftfahrzeuges mit einem Listenpreis von 57.000,00 DM zu einem Kaufpreis von ca. 26.000,00 DM. Verständlicherweise fühlte sich der Veräußerer an diese Versteigerungsauktion und insbesondere zu diesem Preis nicht besonders gebunden. Erstinstanzlich mit Erfolg, weil angeblich er durch die Art der Versteigerung und die verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auktionsplattform ungerechtfertigt benachteiligt gewesen sei. Ein solcher Verkauf wäre nie geschlossen worden, wurde argumentiert. Juristisch benötigt man für einen wirksamen Vertragsschluss ein Angebot und eine Annahme. Letztgenannte liegt unproblematisch in einem Ersteigerungsgebot und dem in diesem Zusammenhang üblichen Zeitablauf vor. Das Angebot lag hier darin, das Kraftfahrzeug zum Höchstgebot versteigern, das heißt veräußern zu wollen. In diesem Zusammenhang kann das Angebot nicht erst mit steigendem Versteigerungsgebot immer wirksamer werden. Im Nachhinein dann zu entscheiden, dass aufgrund der Tatsache das Versteigerungsangebot nicht hoch genug war, das zuvor abgegebene Versteigerungsangebot nicht als wirksam gelten zu lassen, ist nicht nur juristisch nicht möglich, sondern führt zu einer beinahe grenzenlosen Rechtsunsicherheit. Genauso muss es aber wohl verstanden worden sein. In diesem Zusammenhang drängt sich dann allerdings dem verständigen Internetanwender die Frage auf: Ab wann bzw. ab welcher Höhe eine Annahmeerklärung denn ausreichen soll, um den Vertrag wirksam zustande kommen zu lassen.
Ein Erfordernis einer Annahmeerklärung des Versteigerers auf das letztendliche Angebot widerspricht jedoch dem Wesen einer Versteigerung völlig. Diese Rechtsunsicherheit hätte unweigerlich das "Aus" für alle virtuellen Auktionshäuser mittelfristig bedeuten können, da der Reiz eines tatsächlichen Vertragsschlusses mit Ablauf der angegebenen Versteigerungsfrist letztendlich gänzlich verloren ginge.
Die Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Hamm lies nunmehr sowohl die virtuellen Auktionshäuser sowie die risikofreudigen Schnäppchenjäger aufatmen:
So hat das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2000 seine Vorinstanz insofern korrigiert, dass es das streitbefangene Fahrzeug auch zu diesem günstigen Verkaufspreis tatsächlich dem freudigen Erwerber zusprach. Der Versteigerer sei hinreichend geschützt durch die Möglichkeit eines Mindestgebotes, zumal dem verständigen User durchaus bewusst sein muss, dass es sich bei Versteigerungen grundsätzlich um risikoreiche Rechtsgeschäfte handelt. Die Freischaltung der Angebotsseite zu einer Versteigerung stellt hier eine wirksame Willenserklärung dar, die in ihrer Art und Weise zum Beispiel durch Angabe eines Mindestangebotes so hinreichend zu konkretisieren gewesen wäre, dass sie grundsätzlich wirksam abgegeben und eben durch Ersteigerungsangebot und den entsprechenden Zeitablauf wirksam angenommen werden konnte.
Insbesondere die konkrete Abwicklung (Freischaltung, Zeitablauf, Gebotschritte, Mindestangebot, etc.) lässt sich auch durch den Betreiber der Onlineauktionshauses zulässig durch die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zum Vertragsbestandteil werden können, regeln.
Durch die deutliche Verbesserung der Rechtssicherheit sogenannter Online-Auktionen in Form von tatsächlich rechtsverbindlichen Verträgen wird sich diese Art des Ein- und Verkaufs weiterhin großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn diverse Beweisschwierigkeiten wie bei den meisten Online-Geschäften zwar bestehen bleiben dürften, heißt es künftig grundsätzlich, wenn der virtuelle Versteigerungshammer fällt: mitgefangen – mitgehangen, oder wie der Jurist sagen würde: pacta sunt servanda ;-)
Der Bundesgerichtshof hat am 7. November 2001 (Akt.Z.: VIII ZR 13/01) über die Revision gegen das zuletzt beschriebene Urteil vom OLG Hamm entschieden und es voll bestätigt.
Ein Kaufvertrag sei nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB zustande gekommen.
Der Senat hat zunächst darauf hingewiesen, dass Willenserklärungen auch per Mausklick abgegeben werden können, und sodann ausgeführt, der Beklagte habe nicht lediglich eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Geboten abgegeben, sondern bereits eine wirksame, auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung. Diese liege darin, dass der Beklagte die von ihm eingerichtete Angebotsseite für die Versteigerung mit der zusätzlich abgegebenen ausdrücklichen Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an, freigeschaltet habe. Der Bundesgerichtshof hat betont, es habe zur Auslegung der Erklärung des Beklagten keines Rückgriffs auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auktionsveranstalters bedurft, da die bei der Freischaltung gesondert abgegebene Erklärung unmissverständlich gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch eine Überprüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anhand des AGB-Gesetzes nicht in Betracht gekommen; denn die Willenserklärung des Beklagten habe, obwohl vom Auktionsveranstalter vorformuliert, individuellen Charakter.
Gut so! Eine zeitgemäße Entscheidung, die damit rechtskräftig ist.