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OLG Hamburg: Böhmermanns „Schmähgedicht“ bleibt größtenteils verboten

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

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OLG Hamburg: Böhmermanns „Schmähgedicht“ bleibt größtenteils verboten

Von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.

Das sogenannte „Schmähgedicht“ von Satiriker Jan Böhmermann über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan bleibt größtenteils verboten. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden (Urteil vom 15. Mai 2018, Az. 7 U 34/17). Das Gericht folgte damit in zweiter Instanz dem Landgericht.

Die beiden Parteien stritten um die Zulässigkeit Gedichts, welches Böhmermann in im Jahr 2016 seiner Fernsehsendung „Neo Magazin Royal“ vortrug. Das Landgericht Hamburg untersagte damals bestimmte Passagen des umstrittenen Werks von Böhmermann. Andere Zeilen wiederum hielt es für zulässig – sie seien von der Meinungsfreiheit umfasst (Urteil vom 10. Februar 2017, Az. 324 O 402/16). Gegen die Entscheidung gingen beide Parteien in Berufung.

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und wies Böhmermanns Berufung ab. Der Satiriker verlangte, das Gedicht insgesamt veröffentlichen zu dürfen. Auch die Anschlussberufung des türkischen Staatspräsidenten wurde zurückgewiesen: ein vollständiges Verbot komme nach Ansicht des OLG Hamburg nicht in Betracht.

Erdogan ist der Ansicht, dass er durch das Gedicht schwer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Es sei rassistisch und Beschimpfungen verwenden, mit denen viele Türken seit Jahrzehnten konfrontiert und beleidigt werden.

Böhmermann hingegen beruft sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. Das Gedicht müsse im Gesamtkontext beurteilt werden – also auch mit den in einleitenden Worten in der Sendung und den Kommentierungen zwischendurch. Das „Schmähgedicht“ trage zur öffentlichen Meinungsbildung über die Grenzen von Satire bei.

So entschied das Oberlandesgericht

Der Senat entschied, dass die verbotenen Passagen des Gedichts schwere Herabsetzungen mit Bezügen zum Intimen und Sexuellen enthalten, für die es in der Person oder dem Verhalten des Klägers keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte gibt. Anders als die übrigen Verse, die tatsächliches Verhalten Erdogans in satirischer Weise kritisieren und daher vom Staatspräsidenten hinzunehmen seien, dienen die untersagten Äußerungen allein dem Angriff auf die personale Würde und sind deshalb rechtswidrig. Die Berufungsentscheidung beruhe auf einer Abwägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit.

Die Äußerung von Kritik in einer pointierten, polemischen und überspitzten Weise sei umso stärker geschützt, je deutlicher die satirische Einkleidung einen Bezug zum Gegenstand der Kritik aufweist oder die kritisierte Person selbst Veranlassung für die Einkleidung gegeben hat, so die Richter des OLG. Umgekehrt gewinnt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen umso mehr an Gewicht, je weiter die satirische Einkleidung von dem Gegenstand der Kritik entfernt ist und sich auf die bloße Herabsetzung der Person des Kritisierten fokussiert. 

Das Gedicht müsse dabei im Gesamtkontext der Sendung betrachtet werden. Darin habe sich Böhmermann mit dem Unterschied zwischen zulässiger und unzulässiger Meinungsäußerung befasst. Es handele sich jedoch nicht um eine seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinungsäußerungen. Vielmehr soll – in der Sendung - konkrete Kritik an Erdogan geübt werden. Am Beispiel seiner Person soll demonstriert werden, welche Art von unzulässigen Meinungsäußerungen es gebe.

Hierzu werden Beschimpfungen aneinander gereiht, die vorher und in Einschüben während des Vortrags als unerlaubt charakterisiert werden und jeweils für sich einen herabsetzenden Inhalt haben. Jede dieser Meinungsäußerungen könne isoliert mit einem Verbot belegt werden, wenn sie im jeweiligen Gesamtkontext unzulässig sei. Weder die Sendung insgesamt noch das Gedicht würden ein einheitliches, untrennbares Werk bilden, dessen Zulässigkeit nur insgesamt beurteilt werden könnte. Für die einzelnen Verse des Gedichts sei danach ausschlaggebend, ob ein sachlicher Gehalt mit Bezug zu der Kritik am Staatspräsidenten erkennbar ist – das sei bei intimen Gesichtspunkten nicht der Fall. Die Äußerungen würden - ungeachtet des von Böhmermann vorangestellten Vorbehalts, nicht beleidigen zu wollen - tatsächlich schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen darstellen.

Fazit: Das OLG Hamburg hat sich in seiner Entscheidung nunmehr noch umfassender mit dem Gesamtkontext der Veröffentlichung des Gedichts befasst. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass selbst wenn eine satirische Einkleidung erfolgt, die Verse einzeln zu betrachten und somit einzeln untersagungsfähig seien. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig. Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht kann Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich nun bald auch der BGH mit der Sache befassen wird.

(Mit Material der Pressemitteilung des OLG Hamburg vom 15.05.2018)

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