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OLG Frankfurt: Aufnahme einer Polizistin in einem Musikvideo ist Persönlichkeitsrechtsverletzung

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Rechtsanwalt Christian Schwarz LL.M.

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Geldentschädigung wegen Aufnahme einer Polizistin

Die Verwendung einer Filmaufnahme einer Polizeibeamtin im Dienst in einem Musikvideo stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG) dar. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden und sprach der klagenden Polizistin eine Geldentschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu (OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Mai 2021, Az. 13 U 318/19).
 

Der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt

Geklagt hatte eine Landespolizeibeamtin. Im Jahr 2018 war sie als Zugführerin der Bereitschaftspolizei bei einer angekündigten Demonstration gegen den Auftritt eines der Beklagten im Einsatz. Dort wurde sie ohne Einwilligung gefilmt. Die Aufnahmen wurden sodann für ein Musikvideo, welches bei YouTube veröffentlicht und mehr als 150.000-mal abgerufen wurde, verwendet. Gezeigt wurde sie dort in Zeitlupe für einen Zeitraum von etwa zwei Sekunden. Nach einer erfolgten Abmahnung, haben die beiden Beklagten eine Unterlassungserklärung abgegeben und die Polizistin in dem Video verpixelt. Die Polizistin verlangte – neben Zahlung der Rechtsanwaltskosten – auch eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000 Euro. In erster Instanz (LG Darmstadt, Urteil vom 4. September 2019, Az. 23 O 159/18) bekam sie die begehrte Summe zugesprochen. Wie auch die Polizistin sah das Landgericht in der Veröffentlichung einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht („Recht am eigenen Bild“). Das OLG Frankfurt reduzierte auf die Berufung der Beklagten den Betrag auf 2.000 Euro – gab der Polizistin aber inhaltlich im wesentlichen Recht.

Das OLG Frankfurt begründete die Entscheidung damit, dass die klagende Polizistin in die Aufnahme und deren Veröffentlichung nicht eingewilligt hatte. Zwar sieht das Kunsturhebergesetz einige Ausnahmen vor, wann Bildnisse auch ohne Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden dürfen (§ 23 Abs. 1 KUG).
 

Kein Ereignis aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG)

Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn es sich bei dem gezeigten Vorgang um ein Ereignis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handeln würde (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Eine solche Ausnahme sei, so der Frankfurter Senat, vorliegend jedoch nicht anzunehmen. Zum einen handelt es sich bei der Klägerin nicht um eine Person der Öffentlichkeit. Auch sei sie nicht durch ihren Einsatz als Polizeibeamtin Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden:

„Vor dem Hintergrund, dass der Bereich der Zeitgeschichte alle Erscheinungen im Leben der Gegenwart umfasst, die von der Öffentlichkeit beachtet werden und ihr Interesse finden und somit auch ein Polizeieinsatz anlässlich eines Rockkonzerts grundsätzlich hierunter fallen kann, ist in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Rechtsauffassung auch für den Senat - mangels der Besonderheit des Ereignisses in Bezug auf die Tätigkeit und das Verhalten der Klägerin - vorliegend kein Gesichtspunkt erkennbar, der im Rahmen einer öffentlichen Meinungsbildung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Polizeieinsatz auch nur ansatzweise die persönliche Identifizierbarkeit der Klägerin erforderlich machen könnte.“

Eine Meinungsbildung über den Polizeieinsatz als solcher wäre nämlich auch ohne Identifizierung der Polizisten möglich.

„Deren - wenn auch kurze - durch die Zeitlupeneinstellung besonders hervorgehobene Darstellung diente damit nicht der Information der Öffentlichkeit im Rahmen der Kontrolle des staatlichen Machtmonopols, sondern war allein von dem kommerziellen Verwertungswillen der Beklagten bei Erstellung und Verbreitung des streitgegenständlichen Musikvideos getragen. Derartige wirtschaftliche- bzw. Werbeinteressen treten regelmäßig hinter dem Interesse des Abgebildeten zurück, wobei eine Ausnahme für Werbung bestehen kann, die gleichzeitig einen wertenden oder meinungsbildenden Inhalt hat, welcher jedoch vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich wird.“

Auch die weiteren Ausnahmen des § 23 Abs. 1 KUG sah das Gericht nicht als gegeben an.
 

Polizistin nicht lediglich als Beiwerk abgebildet (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG)

Aufgrund des „auf die Klägerin ausgerichteten Kameraschwenk“ erscheint sie nicht lediglich als sog. „Beiwerk“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG). Das wäre nur dann der Fall, wenn eine Landschaft oder sonstige Örtlichkeit im Zentrum der Aufnahme stünde.

„Nach wiederholter Inaugenscheinnahme des in den Akten befindlichen Bildmaterials folgt für den Senat schon aus dem auf die Klägerin ausgerichteten Kameraschwenk auf dem Vorplatz des Stadions, dass die Aufnahmen nicht primär dem Zweck dienten, den zum Zeitpunkt der Aufnahme weitgehend unbevölkerten, fast leeren und „trostlosen“ Stadionvorplatz in das Zentrum der Filmaufnahmen zu stellen, weshalb sich die Aufnahme der Klägerin gerade nicht als „zufällig“, sondern vielmehr als gewollt und zielgerichtet erweist, was durch die spätere filmische Bearbeitung (Zeitlupeneinstellung) noch zusätzlich verstärkt wurde.“
 

Keine Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG)

Auch handele es sich – bei den verbreiteten Aufnahmen – nicht um solche einer Versammlung, Aufzug oder ähnlichem Vorgang (Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG). Denn nicht der Polizeieinsatz der Demonstration stünde bei dem gezeigten Musikvideo im Vordergrund, sondern vielmehr Text und Musik einer der Beklagten.

„Wenngleich auf dem Video einige - wenige - Polizeibeamte, welche, anders als die Klägerin, auch nicht in Nahaufnahme und Zeitlupe gefilmt zu sehen sind, steht nicht ein Polizeieinsatz bzw. eine Versammlung im Mittelpunkt des Bildgeschehens, sondern die durch die Zeitlupeneinstellung hervorgehobene und zum Aufnahmezeitpunkt keiner konkreten Diensthandlung nachgehende Klägerin.“

Für die Verbreitung von Bildern von Polizeibeamten im Einsatz würden im Prinzip die gleichen Regeln wie für Privatpersonen gelten, so das OLG Frankfurt:

„Das heißt, sie dürfen einzeln nur dann aufgenommen werden, wenn ihr Verhalten Anlass dazu gibt. Dies kann etwa bei Einkesselungen oder anderen außergewöhnlichen Ereignissen, insbesondere auch bei pflichtwidrigem Verhalten eines Polizeibeamten der Fall sein. Eine solche anlassbedingte, die Aufnahme rechtfertigende Situation lag vorliegend unstreitig nicht vor.“

Eine anlassbezogene Veröffentlichung hingegen könne, so lässt sich der Entscheidung entnehmen, durchaus zulässig sein. Etwa dann, wenn ein Fehlverhalten von Polizisten anzunehmen wäre.
 

Kein höheres Interesse der Kunst (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG)

Schließlich diene die Verbreitung oder Zurschaustellung auch nicht einem höheren Interesse der Kunst (Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Ziffer 4 KUG). Diese Ausnahme würde nur dann greifen, wenn das Kunstwerk im Mittelpunkt stünde. Dies sei jedoch dann nicht der Fall, wenn überwiegend wirtschaftliche, unterhaltende, die Sensationsgier befriedigende oder sonstige nicht künstlerische Zwecke verfolgt würden. Vorliegend standen aus Sicht des Senats eindeutig die mit dem ins Netz stellen des Musikvideos verfolgten kommerziellen Zwecke zur Steigerung des Bekanntheitsgrades der Beklagten zu 1) und zur Werbung für ein neues Musikalbum im Vordergrund.
 

Abwägung zur Bemessung der Geldentschädigung

Aus diesem Grund nahm das OLG Frankfurt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Polizistin an. Auch stehe ihr ein Geldentschädigungsanspruch zu, welcher bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen werden kann. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Musikvideo bis zu 150.000-mal öffentlich abgerufen wurde und die Video-Veröffentlichung ausschließlich aus kommerziellen Interessen erfolgte. Auf der anderen Seite müsse jedoch auch berücksichtigt werden, dass die Bildsequenz, welcher die Polizistin zu erkennen war, nur circa zwei Sekunden andauerte und mit der Bilddarstellung der Klägerin keine ehrenrührige oder gar verächtlich machende Darstellung verbunden sei. Aus diesem Grund, so der Senat, sei ein Betrag in Höhe von 2.000 Euro als Geldentschädigung angemessen.
 

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