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Kampf gegen Hass im Netz: Kommt das Gesetz gegen digitale Gewalt?

 

Das Bundesjustizministerium hat einen Vorschlag für ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ vorgelegt. Verletzungen von Persönlichkeitsrechten sollen effektiver verfolgt werden können und bei Wiederholungstätern sollen Gerichte Social-Media-Account sperren dürfen. Mordaufrufe gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach, frauenfeindlicher Hass gegen Renate Künast oder Anfeindungen von Corona-Leugnern - Hass und Hetze sind in sozialen Medien seit Jahren allgegenwärtig. 

Schon seit 2017 sind Online-Plattformen verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu prüfen und zügig zu löschen. Grund ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Allerdings hat das Gesetz nicht weniger Hass im Internet bewirkt. Grund ist auch der Umgang der großen Plattformen mit der Umsetzung des Gesetzes: Mal löschen die Plattformen gar nicht, dann wiederrum werden teilweise wahllos Inhalte entfernt, darunter auch viele legitime Meinungsäußerungen.

Im Koalitionsvertrag hat die Ampelkoalition ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ angekündigt. Mitte April 2023 hat das Bundesjustizministerium (BMJ) Eckpunkte für ein solches Gesetz vorgelegt, welches zur Vorbereitung des Gesetzentwurfs dient. Das Gesetz soll Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen Möglichkeiten bieten, möglichst effektiv ihre Rechte durchzusetzen.

Hierfür schlägt das BMJ insbesondere zwei zentrale Punkte vor:

  • Zum einen soll Betroffenen ein effektiver Auskunftsanspruch gegenüber die Plattform zustehen.
  • Zum anderen soll eine richterlich angeordnete Sperrung eines Accounts möglich gemacht werden.  

Die Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten stärken

Werden in Deutschland Marken- oder Urheberrechte verletzt, steht Betroffenen ein effektiver Auskunftsanspruch zu. Werden allerdings Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum verletzt, ist es Betroffenen kaum möglich, zu erfahren, wer der Schädiger ist. Zwar ist im Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) ein Auskunftsanspruch geregelt. Allerdings ist die Durchsetzung mit hohen Hürden verbunden.  

An diesem Punkt soll das „Digitale Gewaltschutzgesetz“ nach Vorstellung des BMJ ansetzen. „Wer eine Verletzung seiner Rechte erfährt, muss sich selbst effektiv vor Gericht dagegen wehren können. Das gilt auch bei Rechtsverletzungen im digitalen Raum“, schreibt das Ministerium in ihrem Eckpunktepapier.

So soll ein Anspruch auf Auskunft nicht nur bei strafbaren Handlungen bestehen, sondern schon bei der Verletzung absoluter Rechte. Mithin würde nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt, sondern auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, beispielsweise bei Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare (z.B. bei Bewertungen). Aktuell ist die Auskunft nur in Fällen bestimmter strafbarer Inhalte vorgesehen, z.B. Beleidigung (§ 185 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB).

Im Unterschied zum Anspruch nach dem TTDSG sollen nicht nur die Bestandsdaten sondern auch die Nutzungsdaten (z.B. die IP-Adresse) herausgegeben werden. Das Problem mit den Bestandsdaten: Sie sind oft unvollständig oder falsch bei Online-Plattformen hinterlegt. Im konkreten Fall beweisen sie zudem häufig nicht, dass der Account-Inhaber einen Kommentar selber geschrieben hat. Hier könnte die IP-Adresse Abhilfe leisten. Dies wäre also durchaus erfreulich, weil rechtliche Hürden reduziert werden könnten.

Auch das gerichtliche Verfahren zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs soll effektiver gestaltet werden. So soll die Zuständigkeit für diese Ansprüche beim Landgericht – unabhängig vom Streitwert – gebündelt werden. Außerdem soll nach dem Vorbild der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Amtsermittlungsgrundsatz gelten und für die Durchführung keine Gerichtskosten erhoben werden.

Wenn Richter den Nutzer offline schalten

Das zweite Standbein des Eckpunktepapiers ist der Anspruch auf Sperrung eines Accounts. So sollen Betroffene verlangen können, dass Gerichte gegenüber Online-Plattformen die Sperrung eines Accounts anordnen. Mit diesem neuen Instrument soll der Rechtsschutz gegen notorische Rechtsverletzer im digitalen Raum verbessert werden, heißt es aus dem Ministerium. Dabei ist die Sperrung an eine strenge Verhältnismäßigkeit gebunden. So sollen Accounts nur bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung und einer bestehenden Wiederholungsgefahr gesperrt werden. Darüber hinaus dürfen sie nur für eine bestimmte Zeit offline gehen. Der betroffene Accountinhaber soll zudem das Recht bekommen, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Die Möglichkeit zur Accountsperrung ist sicherlich ein erster guter Schritt, allerdings dürften sich für die Praxis noch ein paar Fragen stellen. Etwa wann eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung anzunehmen ist. Hier hat sich die Rechtsprechung in der Vergangenheit häufig schwergetan, wie allein das Verfahren von Renate Künast zeigt. Auch wird man überlegen müssen, ob eine Accountsperre tatsächlich für jeden Nutzer eine ernsthafte Sanktion ist. Wer ein Konto mit vielen Abonnenten oder Followern hat, dem wird eine Sperre wehtun. Wer allerdings mehrere Back-Up-Accounts betreibt, den wird es wohl nicht so hart treffen.

Dieser Beitrag entstand im Wesentlichen durch die Hilfe unseres Rechtsreferendars Benjamin Zimmermann.

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