OLG Dresden: kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen rechtmäßige Kritik eines Kunden
Von Rechtsanwältin Marina Dohm
Das OLG Dresden macht in einer Entscheidung deutlich, dass ein Unternehmen keinen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen einen Kunden hat, der eine negative Kritik in Bezug auf das Unternehmen androht (Urteil vom 7. Juni 2021, Az. 4 W 235/21). Das Gericht bezog sich dabei darauf, dass die angekündigten Äußerungen rechtmäßig und nicht konkret genug seien, um eine vorbeugende Maßnahme rechtfertigen zu können.
Der Fall
Das betroffene Unternehmen erbringt Dienstleistungen auf dem Gebiet des Online-Marketing. Ein Kunde brachte gegenüber dem Unternehmen im Rahmen einer Whats-App-Nachricht seinen Unmut über die aus seiner Sicht schlechten Leistungen des Unternehmens zum Ausdruck. Dabei warnte er zudem sinngemäß davor, eine Online-Kampagne zu starten, in der er die Geschäftspraktiken des Unternehmens anprangern werde, wenn sich das Unternehmen in Bezug auf eine Vertragsanpassung nicht kompromissbereit zeige.
Das Unternehmen hatte daraufhin die Befürchtung, dass der Kunde rufschädigende und falsche Tatsachenbehauptungen über sie äußern werde. Darin sah das Unternehmen die Gefahr der Erstbegehung einer aggressiven geschäftlichen Handlung, die nach § 4a Abs. 1 UWG rechtswidrig ist.
Dem Kunden sollte somit schon vorbeugend untersagt werden, die angekündigten Äußerungen zu tätigen. Das Unternehmen begehrte damit einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen den Kunden.
OLG Dresden: keine Erstbegehungsgefahr im konkreten Fall
Wird ein entsprechender vorbeugender Unterlassungsanspruch begehrt, muss eine sog. Erstbegehungsgefahr gegeben sein, die deutlich macht, dass eine Gefahr entsprechender Handlungen gegeben ist, die vorbeugend unterbunden werden müssen.
Das OLG Dresden sah durch den Sachverhalt noch keine Erstbegehungsgefahr gegeben, die einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Kunden begründen könnte.
Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch, den das Unternehmen vorliegend begehrt, um den härtesten Eingriff in die Äußerungsfreiheit des Kunden und gleichzeitig um den stärksten Schutz, den das Unternehmen erreichen könnte. Deswegen müssten konkrete Tatsachen vorliegen, die die Verbreitung und Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs mit Sicherheit erkennen lassen. Vorliegend könne eine Erstbegehungsgefahr deshalb nur vorliegen, wenn das Unternehmen als Betroffene bereits den konkreten Inhalt der angekündigten Äußerungen kenne und dies auch glaubhaft machen könne. Die Rechtsverletzung müsse somit unmittelbar bevorstehen.
Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Die Äußerungen des Kunden im Rahmen der Whats-App-Nachricht würden nicht genügen, um daraus eine Rechtsverletzung abzuleiten, die durch den Kunden begangen wird. Zudem sei dadurch nicht dargelegt, dass ein solches rechtswidriges Verhalten unmittelbar bevorsteht und mit Sicherheit erfolgen werde.
Die Ankündigung des Kunden mache vor allem nicht deutlich, dass dieser rechtswidrige Äußerungen tätigen werde. So habe der Kunde sinngemäß ausgeführt, er werde belegbares Fehlverhalten des Unternehmens veröffentlichen. Dies stelle keine rechtswidrige Handlung dar. Sollten die Äußerungen dahin verstanden werden, dass der Kunde dem Unternehmen ein betrügerisches Geschäftsgebaren vorgeworfen will, sei dies von der Meinungsfreiheit umfasst. Eine scharfe Kritik müsse das Unternehmen hinnehmen. Es handele sich dabei auch nicht um Schmähkritik. Der Kunde wolle vielmehr Missstände im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens aufzeigen. Daher stünde ein sachliches Anliegen des Kunden im Vordergrund. Das Meinungsäußerungsrecht des Kunden überwiege vorliegend somit.
Fazit: es müssen konkrete rechtswidrige Äußerungen angekündigt werden
Insgesamt macht das OLG Dresden deutlich, dass Äußerungen, die zuvor durch Dritte angedroht werden, durch einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch nur unterbunden werden können, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die die Absicht der Äußerung von rechtswidrigen Inhalten mit Sicherheit erkennen lassen, es muss somit dargelegt werden, dass es sich um rechtswidrige Äußerungen handelt, was zumeist nur möglich ist, wenn der konkrete Inhalt der Äußerungen bekannt ist, und es muss dargelegt werden, dass die Äußerungen unmittelbar bevorstehen Die bloße Androhung von Äußerungen genügt somit nicht, es muss aus der Androhung schon deutlich werden, dass es sich um rechtswidrige Äußerungen handelt, die getätigt werden. Das ist zumeist nur gegeben, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen gegeben sind.
Konsequenz: vorbeugender Unterlassungsanspruch bei rechtswidrigen Äußerungen möglich
Das Gericht macht durch dieses Urteil allerdings deutlich, dass ein vorbeugender Unterlassungsanspruch grundsätzlich gegen entsprechende Androhungen von rechtswidrigen Äußerungen möglich ist.
Denn werden konkrete, rechtswidrige Äußerungen angedroht, ist es möglich, auch vorbeugend gegen solche Äußerungen vorzugehen. Gegen rechtswidrige Äußerungen kann somit auch vorbeugend ein Unterlassungsanspruch begehrt werden.
Das Gericht verkennt mit diesem Urteil unserer Ansicht allerdings, welche Macht mittlerweile durch rufschädigende Äußerungen und diesbezügliche Androhungen ausgeübt wird und dass Unternehmen tagtäglich hierdurch unter Druck gesetzt werden. Schon die Androhung muss somit entsprechend gewürdigt werden, auch wenn die angedrohten Äußerungen im Detail noch nicht bekannt sind. Schließlich hat der Kunde auch vorliegend nicht nur kritische Äußerungen angedroht, sondern wollte damit auch ein bestimmtes Verhalten des Unternehmens erzwingen. Dies hat das Gericht bei seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen.
Was wir für Sie tun können
Haben Sie entsprechende Ankündigungen für rechtswidrige Äußerungen über Ihr Unternehmen erhalten, sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie gerne zu dem weiteren Vorgehen. Auch bezüglich schon bestehender Äußerungen können wir Sie gerne beraten. Gemeinsam finden wir dabei die beste Lösung, wie Sie hierauf reagieren können.
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