×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Nachrichten
/
Medienrecht
/
OLG München: Unverpixelte Veröffentlichung des Sylt-Videos bleibt unzulässig

Autor

Portraitbild
Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Persönlichkeitsrechte auch bei fremdenfeindliche Parolen: OLG München verbietet unverpixelte Veröffentlichung des Sylt-Videos

Am 27. Mai 2025 hat das OLG München (Az. 18 U 842/25 Pre e) die Entscheidung des Landgerichts München I bestätigt und der BILD-Zeitung untersagt, das sogenannte „Sylt-Video“ sowie Screenshots und Fotos der Klägerin unverpixelt zu veröffentlichen. Das Video zeigt junge Erwachsene, die auf Sylt fremdenfeindliche Parolen wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ singen. Dass wir derartige Aussagen und die dahinterstehende Gesinnung ablehnen und diese dem Verfasser persönlich mindestesn fremd sind, bedarf eigentlich keiner Erwähnung - schadet in diesen Zeiten aber sicher nicht. Im Mittelpunkt der aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzung steht jedoch nicht die Bewertung dieser Aussagen, sondern der Schutz der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen.

Persönlichkeitsrechte für jedermann - Abwägung zwischen Informationsinteresse und Persönlichkeitsschutz

Das OLG München sieht durch die identifizierende Berichterstattung eine erhebliche Prangerwirkung und Stigmatisierung der Betroffenen. Dabei stellen Instanzen fest, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (natürlich) auch dann gilt, wenn das Verhalten der Betroffenen gesellschaftlich auf (breite) Ablehnung stößt. Die Abwägung zwischen öffentlichem Informationsinteresse und Persönlichkeitsschutz fiel im konkreten Fall zugunsten der Betroffenen aus.
Auch eine pauschale Gleichsetzung aller Beteiligten, etwa im Zusammenhang mit besonders schwerwiegenden Handlungen wie dem Zeigen des Hitlergrußes, ist nach Ansicht des Gerichts unzulässig.
Die Entscheidung stützt sich auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), §§ 1004, 823 BGB sowie §§ 22, 23 KunstUrhG. Selbst wenn ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt, überwiegen hier nach Einschätzung des gerichts die berechtigten Interessen der Betroffenen.

Meinungsfreiheit: Schutz und Grenzen

Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG schützt grundsätzlich auch provozierende, abstoßende oder sogar rassistische Meinungen – solange sie nicht die Schwelle zur Strafbarkeit (insbesondere § 130 StGB – Volksverhetzung) überschreiten oder die Menschenwürde verletzen, vgl. Beitrag des Verfassers zur Meinungsfreiheit. Nicht jede rassistische Äußerung ist automatisch strafbar, viele fallen noch unter den Schutz der Meinungsfreiheit. Die Grenze ist aber beispielsweise dort erreicht, wo gezielt zu Hass, Gewalt oder zur Verletzung der Menschenwürde aufgerufen wird.

Persönliche Einordnung und Rückblick auf das Stern-Interview

Bereits im Mai 2024 durfte der Verfasser sich im Interview mit stern.de zu den rechtlichen Risiken der Veröffentlichung von Namen, u.U. Anschriften, aber auch ungepixelten Bildern äußern (siehe Bild rechts):

„Privatpersonen sollten lieber nicht Sherlock Holmes spielen. Die Veröffentlichung von Namen und Bildern der Beteiligten ohne deren Zustimmung kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.“

Auf die Frage einer möglichen oder notwendigen Verpixelung hatte ich erklärt, dass aus meiner Sicht für eine weitere Diskussion die Ansicht und das Anhören des Videos wichtig und hilfreich, die konkrete Erkennbarkeit der Beteiligten oder gar deren namentliche Benennung jedoch mehr als entbehrlich ist.

Auch wenn das aktuelle Urteil ausschließlich die Presseberichterstattung betrifft, bleibt der Grundsatz: Die Veröffentlichung identifizierender Informationen – ob durch Medien oder Privatpersonen – ist rechtlich hoch problematisch und kann Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und das Recht am eigenen Bild verletzen.

Das Urteil des OLG München unterstreicht einmal mehr, dass der Persönlichkeitsschutz auch bei kontroversen und emotional diskutierten Themen gilt. Die Entscheidung lässt berechtigterweise die Bewertung der Aussagen im Video weitgehend außen vor, sondern bewertet und zieht die rechtlichen Grenzen der identifizierenden Berichterstattung. Die Veröffentlichung identifizierender Informationen – ob durch Medien oder Privatpersonen – ist rechtlich hoch problematisch und kann Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und das Recht am eigenen Bild verletzen.
Gerade im Bereich der Verdachtsberichterstattung ist besondere Zurückhaltung geboten: Hier gilt es, die Unschuldsvermutung zu wahren und eine Vorverurteilung der Betroffenen zu vermeiden.

Wie immer gilt: Wir freuen uns sehr über Fragen, faires feedback und stehen natürlich auch bei beratungsbedarf sehr gern zur Verfügung!

Das könnte Sie/Dich auch interessieren
 

Karneval, Kunst und klare Rechtslage – Warum die Anzeigen gegen den Weidel-Wagen haltlos sind

Unzulässige Verdachtsberichterstattung

Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt - und im Wahlkampf?

"Sie haben Hass-Post!" - Beitrag bei der Deutschen Welle mit Michael Terhaag

Hassmails und Horrorclowns - Michael Terhaag zu Gast in der "Phoenix Runde"

Michael Terhaag | Christian Schwarz

Influencer-Marketing - Rechtshandbuch

2. Auflage – vollständig überarbeitet und aktualisiert

Praxisnaher Überblick zu rechtlichen Fragestellungen im Influencer-Marketing,  u.a. im Werbe-, Wettbewerbs-, Urheber-, Marken- und Persönlichkeitsrecht; inklusive Muster zur Vertragsgestaltung.