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VG München: Für Äußerungen eines Bürgermeisters auf Facebook ist das Verwaltungsgericht sachlich zuständig

VG München: Für Äußerungen eines Bürgermeisters auf Facebook ist das Verwaltungsgericht sachlich zuständig

von RA Sebastian Laoutoumai, LL.M.

Die aus der PEGIDA-Bewegung in vielen anderen deutschen Städten entstandenen Demonstrationen haben in den vergangenen Wochen und Monaten für viel Aufregung und mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile müssen sich auch die ersten Gerichte mit diesem Phänomen beschäftigen. Allerdings stammen die Gründe für erste gerichtliche Entscheidungen nicht aus dem Lager der PEGIDA-Anhänger.

OVG Münster gibt OB von Düsseldorf Recht - vorläufig!

So hatte sich bereits Anfang Januar das OVG Münster (15 B 45/15) im Rahmen eines Eilantrages mit der Frage zu beschäftigen, ob es dem Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf untersagt ist, auf der städtischen Internetseite zur Teilnahme an einer Gegendemonstration gegen die montags stattfindende Versammlung „DÜGIDA“ und zu einem Beleuchtungsboykott aufzurufen. Die Ausgangsinstanz hatte hierin noch einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot gesehen, wogegen der Oberbürgermeister Beschwerde zum OVG eingereicht hatte, welches den Antrag der Veranstalter der DÜGIDA-Demonstrationen letztlich ablehnte.

OB von München ruft auf Facebook zu Gegendemonstrationen auf

Mit Beschluss vom 19. Januar 2015 (M 7 E 15.136) musste sich nun auch das Verwaltungsgericht München in einem vergleichbaren Fall mit Äußerungen eines Amtsträgers gegen BAGIDA-Demonstrationen beschäftigen.

Der Oberbürgermeister der Stadt München rief auf seiner Facebook-Seite zur Teilnahme an einer Gegendemonstration gegen die bevorstehenden PEGIDA/BAGIDA-Veranstaltung auf. Aus dem Impressum dieser Seite ging hervor, dass der Oberbürgermeister für diese Seite in seiner amtlichen Eigenschaft Verantwortung übernehme und gerade nicht als Privatperson. Die BAGIDA-Veranstalter sahen hierin, wie im Düsseldorfer Fall, eine Verletzung des Neutralitätsgebotes und stellten einen Eilantrag beim VG München.

Falscher Rechtsweg?

Die Antragsgegenerin – die Stadt München – verteidigte sich u.a. wie folgt:

„Bei dem Aufruf des Oberbürgermeisters auf seinem Facebook-Profils, das mit „Dieter Reiter, Politiker“ bezeichnet sei, handele es sich nicht um amtliche Äußerungen. sondern um politische Äußerungen zu einem gesellschaftspolitischen Thema. (…) Die Nennung der Amtsbezeichnung, die nach Art. 29 Abs. 1 S. 2 KWGB auch außerhalb des Dienstes geführt werden dürfe, mache aus seinem Facebook-Profil kein offizielles Profil der Antragsgegnerin. (…)“

Verwaltungsrechtsweg eröffnet

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zwar in der Sache zurückgewiesen, aber bezüglich der Frage, ob im konkreten Fall der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist oder nicht, entschieden:

„Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, da es sich bei dem von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen dem Zivil- und dem Verwaltungsrechtsweg ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers - hier der Antragstellerin - darstellt (vgl. BGH, U. v. 5. Februar 1993 - V ZR 62/91 - juris Rn 10 m.w.N.). Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, dass sie zukünftig Aufrufe zu Gegendemonstrationen gegen von ihr organisierte Bagida-Veranstaltungen der Art wie auf der Fanseite des Oberbürgermeisters bei Facebook am 8. Januar 2015 unterlässt. Soweit es um Äußerungen eines Hoheitsträgers geht, ist - ungeachtet der Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren und des Inhalts der angegriffenen Äußerung - rechtswegentscheidend, ob die Äußerungen amtlichen Charakter haben bzw. in amtlicher Eigenschaft abgegeben worden sind und daher der Gemeinde zuzurechnen sind oder in keinem funktionalen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung stehen (BGH, U. v. 28. Februar 1978 - VI ZR 246/76 - juris Rn 12; BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Januar 1994 - Vf. 89-III-92, Vf. 92-III-92 - juris Rn 107; HessVGH, B. v. 13. Juni 2012 - 8 E 1067/12 - juris Rn 2 u. B. v. 14. Juni 2012 - 8 E 1101/12 - juris Rn 16; BayVGH, B. v. 13. Oktober 2009 - 4 C 09.2145 - juris Rn 9 u. B. v. 11. März 2013 - 4 C 13.400 - juris Rn 3 f.; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 40 Rn 83).

Auch wenn man in Rechnung stellt, dass beim Handeln eines Oberbürgermeisters eine strikte Trennung der amtlichen Sphäre von der des Parteipolitikers und der der politisch handelnden Privatperson kaum möglich ist (vgl. BVerfG, B. v. 16. Dezember 2014 - 2 BvE 2/14 - juris Rn 54), dass es einem Amtsinhaber nicht verwehrt ist, am politischen Meinungskampf teilzunehmen (BVerfG, aaO, Rn 50) und dabei auch auf sein Amt hinzuweisen (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Januar 1994 - Vf. 89-III-92, Vf. 92-III-92 - juris Rn 107), ist der beanstandete Aufruf nach den Gesamtumständen dem amtlichen Bereich zuzuordnen. Er ist auf einer im Eingangsbereich mit einem Foto aus dem Münchner Rathaus hinterlegten Facebook-Seite erschienen, die der Selbstdarstellung des Oberbürgermeisters in ganz überwiegend amtlicher Funktion dient. Echte private Inhalte finden sich dort nicht. Wenn der Oberbürgermeister anlässlich der Festtage um den Jahreswechsel auf zwei Fotos mit seiner Ehefrau außerhalb der Amtsräume zu sehen ist, hält sich dies noch im Rahmen der üblichen Repräsentation eines Amtsträgers. Unter der Rubrik „Impressum“ befindet sich keine private Anschrift oder E-Mail-Adresse des Oberbürgermeisters, sondern lediglich ein Link auf eine mit dem Stadtwappen versehene Internetseite des offiziellen Stadtportals, das wiederum von einer ausschließlich in kommunaler Hand befindlichen GmbH & Co. KG betrieben wird. In dem in Bezug genommenen Impressum des offiziellen Stadtportals sind zwei amtliche E-Mail-Anschriften angegeben und als Verantwortliche ausschließlich Personen in amtlicher Eigenschaft benannt. Die Facebook-Seite wird vom Büro des Oberbürgermeisters zumindest mitbetreut. Der Aufruf ist somit unter Rückgriff auf die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen und unter Inanspruchnahme amtlicher Autorität erfolgt (vgl. BVerfG, aaO, Rn 55, 57).“