Das gibt Funken: die Metall auf Metall Rechtsprechung des BGH
von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M. - Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz
Zum Urteil vom 20. November 2008; Az.: I ZR 112/06 - Metall auf Metall I und Urteil vom 13. Dezember 2012; Az.: I ZR 182/11 - Metall auf Metall II
Gut drei Jahre nach der ersten Entscheidung Metall auf Metall des Bundesgerichtshofes hatte zuletzt der höchste Zivilsenat sich erneut mit der Sache zu befassen. Es geht um die rechtliche Möglichkeit des Samlings bei Musik.
Der Sachverhalt: Kraftwerk gegen Pelham
Der Streit findet maßgeblich zwischen der Düsseldorfer Kult-Band "Kraftwerk" und dem Musikproduzenten Moses Pelham sowie ihm angeschlossener Künstler statt. "Kraftwerk" hatten 1977 ihren Hit Metall auf Metall veröffentlicht. 1997 brachte Moses Pelham für und mit Sabrina Setlur den Titel "Nur mir" heraus.
Im Konkreten störten sich Kraftwerk in "Nur mir" eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz, die zumindest dem Laien so sicher nicht sofort ins Auge bzw. Ohr gesprungen wär, bei genauerem Hinhören aber schon auffindbar ist. Sie soll durch die Beklagten um Pelham elektronisch aus "Metall auf Metall" kopiert worden sein, um sie dann dem neueren Titel in fortlaufender Wiederholung zu unterlegen.
Hierdurch seien aus Klägersicht deren Rechte als Urheber, ausübende Künstler sowie Tonträgerhersteller verletzt. Die Beklagten sollten die weitere Herstellung unterlassen, sowie Auskunft über Schaden und Masse der bereits vertriebenen Tonträger geben.
Nun folgte eine kleine gerichtliche Odyssee: Kraftwerk machten ihre Ansprüche vor dem LG Hamburg geltend und bekamen Recht. Hiergegen wandten sich die Beklagten mit der Berufung, die erfolglos blieb und die Revision zum BGH nach sich zog. Der BGH hob das Berufungsurteil des OLG Hamburg auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurück. Der dort zuständige Senat wies jedoch nunmehr aus anderen Gründen die Berufung zurück, so dass die Beklagten ein zweites Mal vor den BGH zogen.
Metall auf Metall I: keine freie Benutzung, wenn Sample selbst einspielbar wäre
In der ersten Metall auf Metall-Entscheidung traf der BGH zwei wichtige Aussagen:
Auch die ungenehmigte Vervielfältigung oder Verbreitung von kleinsten Tonfetzen der auf einem Tonträger aufgezeichneten Tonaufnahmen können grundsätzlich in die Rechte von Tonträgerherstellern eingreifen.
Sampling kann unter dem Aspekt der freien Benutzung zulässig sein, wenn es dem Bearbeiter nicht möglich ist, die Tonaufnahme selbst einzuspielen.
Das Tonträgerherstellerrecht gilt nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall auch, weil selbst kleinste Tonfolgen bereits vom Schutzbereich umfasst sind. Dies gelte unabhängig davon, ob ein eigenständiger Werkschutz auch besteht. Maßgeblich sei vielmehr, das der Tonträger eine wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers beinhält. Dementsprechend kommt es bei einer Verletzung dieses Rechts auch nicht darauf an, ob jemand einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erhält oder Aufwendungen erspart.
Ausreichend sei vielmehr, dass dem Tonträgerhersteller eine wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit entzogen wird. Dem stehe auch nicht gegenüber, dass Sampling mittlerweile in der modernen Musikproduktion einfach dazu gehört.
Die Frage war nun, ob der Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht möglicherweise im Rahmen der so genannten freien Benutzung gerechtfertigt sein könnte.
Die hierfür geltende Norm § 24 Abs. 1 UrhG sah der BGH grundsätzlich hier als einschlägig an. Er lehnte jedoch eine Rechtfertigung des Sampling im hier konkret vorliegenden Fall dennoch ab. Der Grund hierfür:
Die streitgegenständliche Tonfolge hätten die Beklagten ohne weiteres selbst einspielen können. In diesem Fall können sich die Beklagten jedoch nicht mehr auf das Recht der freien Benutzung berufen. Dieses soll nämlich nur die Fortentwicklung des Kulturschaffens ermöglichen - für diesen Regelungszweck besteht jedoch kein Raum, wenn es dem Bearbeiter einfach möglich ist, sich selbst das Sample zu produzieren.
Metall auf Metall II - Wann ist es also möglich, ein Sample selbst einzuspielen?
In der zweiten Metall auf Metall-Entscheidung bestätigt der BGH nun seine bisherige Rechtsprechung und konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen Sampling zulässig sein kann.
Die Kernaussagen hier:
- Wenn es möglich ist, ein Sample selbst herzustellen, dann darf ein solches nicht aus der ursprünglichen Tonaufnahme entnommen werden.
- Es gibt keinen besonderen weiteren Schutz des Samplings durch das Grundrecht der Kunstfreiheit.
- Bei der Beurteilung der Möglichkeit, die Tonfolge einzuspielen, kommt es auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten Musikproduzenten an.
Bezüglich der freien Bearbeitung konkretisiert der BGH seine bisherige Rechtsprechung und stellt darauf ab, ob es möglich wäre, die Tonfolge selbst herzustellen. Dies sei auch nicht dadurch unmöglich, dass Samples ebenso durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG von der Kunstfreiheit erfasst sind.
Aber wann genau ist Selbsterstellung der Tonfolge ohne weiteres möglich? Der BGH entschied hier, diese Frage sei grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen - also der durchschnittlich ausgestattete Musikproduzent muss mit seinen durchschnittlichen Fähigkeiten und seinem Equipment das Sample nachspielen können. Letztendlich muss das Sample dabei nur weitgehend gleichwertig sein.
In Bezug auf das Sample aus Kraftwerks "Metall auf Metall" bestätigte der BGH nun die Vorinstanz: die Beklagten hätten mit ihren Fähigkeiten und technischen Gegebenheiten das Sample selbst einspielen können. Bemerkenswert ist hierzu, dass der BGH sich auch damit auseinandergesetzt hat, ob das vorherige Gericht überhaupt die Sachkenntnis hatte, um die Gleichwertigkeit zu beurteilen - schließlich handelt es sich um Hip-Hop und sowas hören Richter nunmal (normalerweise) nicht. Dazu Ausschnitte aus den Entscheidungsgründen des Urteils:
Das Berufungsgericht hat angenommen, seine Mitglieder zählten zu dem durch die Tonaufnahme angesprochenen Rezipientenkreis und seien mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraut und hierfür aufgeschlossen. Die Revision hält dem vergeblich entgegen, es sei zweifelhaft, ob die Mitglieder des Berufungssenats zu Käufern oder Hörern von Musikstücken des Genres "Hip-Hop" zählten, das ein Phänomen der Jugendkultur darstelle. Der Umstand, dass es sich bei "Hip-Hop" um ein solches Phänomen handeln mag, besagt nicht, dass Musikstücke dieses Genres nur von Jugendlichen gehört werden. Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraute und hierfür aufgeschlossene Berufungssenat habe nicht beurteilen können, ob der Nachbau dem Original aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb es von einer sehr hohen Ähnlichkeit von Original und Nachbau ausgegangen sei.
Die Vorinstanz hat diese Voraussetzung dadurch belegt, dass es durch zwei Zeugen gerade ein solches Sample anfertigen ließ. Diese erstellten mit ihren Mittel ein Sample - in einem Fall waren es Hammerschläge auf eine Schubkarre. Das Gericht verglich diese selbsteingespielten Samples mit dem Original und stellte eine Vergleichbarkeit fest - ohne rechtliche Fehler, wie der BGH bestätigte.
Bewertung: Was ist beim Sampling zu beachten?
Die Entscheidungen des BGH sind kompliziert, jedoch schaffen sie auch Klarheit in einem davor sehr umstrittenen Gebiet.
Wer nun für seine Musikproduktion Samples verwenden möchte, muss sich vorher einige Fragen beantworten. So ist es zunächst wichtig zu wissen, ob möglicherweise sogar urheberrechtlicher Werkschutz betroffen ist. Weiterhin muss dann im Wesentlichen beantwortet werden, ob es nicht möglich ist, die Tonfolge selbst einzuspielen. Im Zweifelsfall, so scheint sich aus der zweiten Metall auf Metall-Entscheidung abzuzeichnen, ist dies dem durchschnittlichen Produzenten aber möglich.
Wer Musikproduktionen mit dieser entsprechenden Produktionstechnik fertigen will, hat jedoch noch andere Wege. Schließlich kann er sich ebenso die Rechte einholen, um eine entsprechende Bearbeitung anzufertigen. In diesem Rahmen bietet sich Gelegenheit zu vertraglichen Regelungen, ob und wie Sampling erlaubt sein kann. In unserer Kanzlei beschäftigen wir uns häufig mit Fragen, wie kreatives Schaffen ermöglicht werden kann und wie der bestmögliche wirtschaftliche Nutzen daraus gezogen werden kann. Sprechen Sie uns also gerne an, wenn Sie Beratung wünschen.
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