Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) tritt in wenigen Tagen in Kraft und könnte langfristig die ‚kleine‘ Schwester der DSGVO werden
von Rechtsanwalt Michael Terhaag
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für IT-Recht
Das Lieferkettengesetz, genauer gesagt Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt ab dem 1.1.2023 in Kraft.
Anwendungsbereich
Während es nach § 1 LkSG erst zunächst nur für Unternehmen mit „in der Regel“ mehr als 3000 Mitarbeitern gilt, betrifft es ab 2024 bereits solche mit mehr als 1000 Mitarbeiter und natürlich Mitarbeiterinnen (aus Gründen ersparen wir uns die Unterscheidung nachfolgend). Diese Mitarbeiterzahl ist unter Berücksichtigung von Leiharbeitern sowie Arbeitnehmern verbundener Unternehmen zu berechnen.
Auch Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland werden auch erfasst, wenn diese entsprechende Mitarbeitende in Deutschland beschäftigten. Weder der Begriff des Arbeitnehmers noch der des Beschäftigten wird durch das Gesetz selbst definiert. Beim Arbeitnehmer wird § 611a BGB zunächst heranzuziehen sein, der diesen „im Dienste eines anderen zur Leitung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ - freie Mitarbeiter und Selbständigen sollten also nicht dazugehören. Eine Abgrenzung kann schonmal im Einzelfall bekanntlich schwierig sein.
Auch die Regelung zu den verbundenen Unternehmen nach § 1 Abs.3 i.V.m. § 15 AktG weist noch einige Unklarheiten auf. Doch die Verwendung des Begriffs „konzernangehörig“ deutet darauf hin, dass dies nicht zu einschränkend zu verstehen ist, sondern hier vielmehr alle Unternehmen gemeint sind, die zu einem anderen in einem Verhältnis der §§ 16-19, 291,292 AktG fallen, der Begriff also weit auszulegen ist.
Bei alledem sei der Hinweis erlaubt, dass zu erwarten ist, dass sich das Gesetz durchaus auch auf kleinere und mittlere Unternehmen auswirken wird, dazu später mehr.
Erhebliche Sorgfaltspflichten
Das Gesetz begründet erhebliche Sorgfalts- und auch Nachweispflichten, die sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken auferlegt, das bedeutet, sie gelten vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt.
Dadurch ist das Gesetz auch für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen, etwa weil sie als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens, mittelbar betroffen sind. Auch wenn solche Firmen außerhalb des Anwendungsbereiches nicht direkte Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen sind, ist davon auszugehen, dass die unmittelbar betroffenen Unternehmen, viele Pflichten schon aus Eigenschutz versuchen werden, vertraglich auch Ihr Zuliefern abzuwälzen oder aufzuerlegen.
Es ist also ein angemessenes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette einzuführen, welches Menschenrechte in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen analysiert und überwacht. Als relevante Risikofelder benennt das Gesetz dabei insbesondere Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen.
Abstufung nach Stufen der Lieferkette und sog. Angemessenheitsvorbehalt
Die konkreten Anforderungen sind gemäß dem unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette abgestuft nach:
- eigenem Geschäftsbereich,
- dem Bereich der unmittelbarer oder mittelbarer Zulieferer,
sowie u.a. nach:
- Art und Umfang der Geschäftstätigkeit,
- dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den Verursacher der Verletzung,
- der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung,
- der Art des Verursachungsbeitrags des Unternehmens.
Im eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen im Fall einer Verletzung im Inland unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen.
Beim unmittelbaren Zulieferer muss das Unternehmen einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellen, wenn es die Verletzung nicht in absehbarer Zeit beenden kann, während bei mittelbaren Zulieferern die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt gelten. In einem solchen Fall hat das Unternehmen unverzüglich eine Risikoanalyse vorzunehmen, ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umsetzen und schließlich angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher festzulegen.
Dokumentationspflichten
Nach § 10 LkSG ist die Erfüllung der Sorgfaltspflichten unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren und mindestens sieben Jahre lang aufzubewahren. Darüber hinaus besteht die Verpflichtung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einzureichen.
Beschwerdeverfahren
Betroffene Unternehmen müssen ein Beschwerdeverfahren einrichten, das direkt Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen.
Mögliche Rechtsfolgen
Neben dem immensen Imageschaden sind bei Verstößen empfindliche Bußgelder möglich. Kommen Unternehmen ihren Pflichten zur Risikoanalyse, zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, Präventionsmaßnahmen und dem wirksamen Abstellen von bekannten Menschenrechtsverstößen nicht nach, drohen schmerzhafte Bußgelder von bis zu 8 Millionen Euro oder bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Umsatz bis zu 2% dieses Jahresumsatzes.
Auch wenn eine zivilrechtliche Haftung fraglich ist, könnten Abmahnungen von rechtstreuen Wettbewebern oder Vertragsstrafen oder Vertragsanpassungen auch für kleinere Zuliefer möglich sein.
Ebenso können Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, ab einem verhängten Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Wir bleiben für Sie natürlich am Ball - alles Gute für 2023!
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