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Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen ins Reel: OLG Köln zur Arzneimittelwerbung auf Instagram

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen ins Reel: Neue Entscheidung zur Arzneimittelwerbung auf Instagram

Werbung für Medikamente ist kein Influencer-Content wie jeder andere. Das zeigt ein aktuelles und gelungenes Urteil zur Einblendung bzw. Benennung des gesetzlich vorgeschriebenen Pflichttextes bei Instagram-Reels.

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil - Az. 6 U 118/24 - entschieden, dass die Bewerbung eines Arzneimittels durch eine Influencerin in einem 18-sekündigen Instagram-Reel gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstößt. Die Influencerin hatte das Produkt in einem Kurzvideo beworben, ohne den Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Ihren Arzt oder in der Apotheke" im Video selbst einzublenden oder zu sprechen.

Instagram-Reel mit TV-Spot vergleichbar

Der Pflichttext war lediglich im Beschreibungstext unter dem Reel verlinkt. Das reichte dem Gericht in diesem besonderen Fall nicht. Nach Auffassung des OLG ist ein Instagram-Reel ein "audiovisuelles Medium" im Sinne des § 4 Abs. 5 HWG – vergleichbar mit Fernsehwerbung. Entsprechend müsse der gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweis direkt im Video erscheinen, gut lesbar und hörbar.

Klarstellung zur Reichweite: Influencerin war "bekannt" im Sinne des HWG

Das Gericht geht zudem davon aus, dass die Influencerin eine "bekannte Person" im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG war. Diese Vorschrift regelt, dass unter anderem mit Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, außerhalb von Fachkreisen keine Werbung betrieben werden darf. Zwar sei die Influencerin nicht klassisch prominent, verfügte aber über mehr als 130.000 Follower auf Instagram, dazu erhebliche Reichweite auf YouTube und TikTok. Entscheidend sei nicht die absolute Berühmtheit, sondern ob die werbende Person das Vertrauen ihrer Zielgruppe genieße und deren Konsumentscheidungen beeinflussen kann.

Der Senat erläutert dabei mit bemerkenswertem Feingefühl das Vertrauensverhältnis, das Influencerinnen und Influencer zu ihrer Community aufbauen. Diese meist einseitige Beziehung, bei der sich Nutzerinnen und Nutzer ihren Social-Media-Vorbildern emotional nah fühlen, wird in der Medienpsychologie als „parasoziale Interaktion“ bezeichnet – und kann ebenso überzeugend wirken wie klassische Prominentenwerbung. Arzneimittelwerbung unter Einsatz bekannter Personen – wie hier durch eine Influencerin mit beachtlicher Reichweite – fällt nach Auffassung des Gerichts daher unter das gesetzliche Verbot, wenn deren Bekanntheit zur Absatzförderung beiträgt.

Und ja – ein kleiner persönlicher Hinweis sei erlaubt: Besonders freut man sich natürlich, dass das OLG Köln bei dieser differenzierten Bewertung des Bekanntheitsbegriffs auch auf unser Fachbuch Influencer-Marketing verweist (Terhaag/Schwarz, Nomos 2024, § 2 Rn. 241). Dort heißt es dieser Frage: „Influencer mit einer gewissen Bekanntheit dürften dieses Kriterium durchaus erfüllen. Erfasst werden nämlich nicht nur ‚Superstars‘, die jeder kennt. Vielmehr dürfen an die Bekanntheit keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Letztlich muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob eine die Bekanntheit begründende Reichweite des Influencers vorliegt.“

Influencer sind "Beauftragte" im Sinne des UWG

Spannend ist auch die Einordnung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten: Die Influencerin sei als "Beauftragte" des pharmazeutischen Unternehmens im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG anzusehen. Denn sie handelte im Rahmen einer bezahlten Kooperation. Damit haftet das werbende Unternehmen unmittelbar für die Gesetzesverstöße.

Fazit: Keine rechtliche Grauzone für Reels, Storys & Co.

Der Verfasser hätte sich um ein Haar zu einem "das Internet ist kein rechtsfreier Raum" hinreißen lassen - puh, das ist so grade noch einmal gut gegangen!? ;-) Aber das Urteil setzt ist ein klares und richtiges Signal: Auch auf Plattformen wie Instagram gelten die heilmittelrechtlichen Werbevorgaben uneingeschränkt. Pflichtangaben sollen im Video selbst erscheinen oder genannt werden. Auch Kurzvideos machen hier keine Ausnahme. Aus unserer Sicht hätte ein gut postionierter Hinweis im beschreibenden Begleittext durchaus gereicht, das mag aber eine frage des Einzelfalls sein. Die Bewerung auch Influencer mit entsprechender Reichweite und Followerzahl unter das Werbeverbot für bekannte Personen zu subsumieren, spricht aber für eine praxisnahe Entscheidung des Senats.

Unternehmen, Agenturen und Influencer tun gut daran, sich vor Kampagnen zu Arzneimitteln eingehend auch mit den Vorgaben des HWG zu befassen. Wir beraten Sie gern bei der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Social-Media-Werbung – gerade aber natürlich nicht nur in strenger regulierten Bereichen wie Gesundheitsprodukten oder Heilmitteln.

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