Facebook darf nicht einfach abschalten – OLG Düsseldorf verpflichtet Meta zur Anhörung und Begründung vor Sperrung
Meta darf Facebook-Seiten nicht ohne Anhörung oder nachvollziehbare Begründung sperren – auch nicht bei mutmaßlichen Verstößen gegen die eigenen Gemeinschaftsstandards.
Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 2. April 2025 (Az. VI-U (Kart) 5/24) entschieden.Im Zentrum des Verfahrens stand die Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf, die von Meta ohne vorherige Information und ohne Nennung konkreter Gründe dauerhaft deaktiviert wurde. Die klagende gemeinnützige Organisation wehrte sich erfolgreich – mit kartellrechtlichen Argumenten. Ein deutliches Signal, das weit über diesen Einzelfall hinausreicht.
Die Sperrung: plötzlich und ohne echte Reaktionsmöglichkeit
Die Filmwerkstatt Düsseldorf betreibt seit vielen Jahren eine Facebook-Seite, auf der sie über kulturelle Veranstaltungen informiert. Mitte Dezember 2021 war plötzlich Schluss: Die Seite wurde von Meta deaktiviert. In der automatisch generierten Standardmail war lediglich die Rede von einem angeblichen Verstoß gegen die „Gemeinschaftsstandards“. Eine echte Begründung? Fehlanzeige. Eine Anhörung oder die Möglichkeit zur Gegenäußerung? Ebenfalls nicht vorgesehen.
Die Organisation versuchte mehrfach – auch über verschiedene Support-Kanäle – eine Überprüfung oder wenigstens Informationen zu erhalten. Auch anwaltliche Schreiben blieben unbeantwortet. Erst mehr als anderthalb Jahre später wurde die Seite reaktiviert – ohne konkrete Erläuterung. Zu spät, befand das Landgericht Düsseldorf – und das OLG bestätigte dieses Urteil nun in vollem Umfang.
Klage auf Unterlassung und Freistellung erfolgreich
Die Klägerin begehrte zunächst die Entsperrung der Seite sowie die Unterlassung künftiger vergleichbarer Maßnahmen durch Meta – insbesondere ohne konkrete Begründung und ohne Möglichkeit zur Stellungnahme. Zudem wurde Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht.
Das OLG Düsseldorf wies die Berufung von Meta zurück: Die unangekündigte Sperrung der Facebook-Seite sei ein kartellrechtswidriger Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die Klägerin sei als gemeinnütziger Verein dennoch ein „Unternehmen“ im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), da sie entgeltliche Veranstaltungen anbiete und damit wirtschaftlich am Markt tätig sei.
Kartellrechtlicher Schutz vor willkürlicher Plattformmacht
Die Kernaussage der Entscheidung: Plattformbetreiber wie Meta dürfen ihre Marktmacht nicht dazu nutzen, Nutzer ohne transparente Verfahren auszuschließen oder deren Reichweite abrupt zu kappen.
Das OLG stützt sich ausdrücklich auf § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB. Danach handelt marktmissbräuchlich, wer ein anderes Unternehmen unbillig behindert. Diese Voraussetzungen sah das Gericht hier als erfüllt an. Zwar dürfe Meta Regeln für Inhalte aufstellen – diese müssten aber fair durchgesetzt werden. Eine begründungs- und anhörungslose Sperrung genüge diesem Maßstab nicht.
Gericht weist Berufung von Meta ab – trotz Gerichtsstandklausel
Besonders bemerkenswert: Meta berief sich auf seine Nutzungsbedingungen, wonach Rechtsstreitigkeiten in Irland auszutragen seien. Das ließ das OLG Düsseldorf nicht gelten. Entscheidend sei hier nicht die vertragliche Beziehung, sondern der deliktsrechtliche Charakter des kartellrechtlichen Unterlassungsanspruchs. Der Gerichtsstand richte sich daher nach Art. 7 Nr. 2 der Brüssel Ia-Verordnung – also dem Ort, an dem sich die wettbewerbswidrige Handlung auswirkt: dem Sitz der Filmwerkstatt in Düsseldorf.
OLG bezieht sich auf BGH-Rechtsprechung zu Facebook-Sperren
Das Gericht verweist außerdem auf die bekannte BGH-Rechtsprechung zur „Hassrede auf Facebook“ (u.a. BGH, Urt. v. 29.07.2021 – III ZR 179/20). Dort wurde klargestellt, dass auch private Plattformen Grundrechte beachten müssen – und dass die Sperrung von Nutzerkonten ohne Anhörung grundsätzlich unzulässig ist.
Diese Maßstäbe überträgt das OLG nun auch auf den kartellrechtlichen Rahmen. Selbst wenn ein Plattformbetreiber wie Meta sich das Recht zur Sperrung in seinen AGB vorbehalte, dürfe dies nicht ohne Begründung und ohne Möglichkeit zur Gegenäußerung geschehen. Andernfalls werde die marktbeherrschende Stellung in unzulässiger Weise ausgenutzt.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Plattformverantwortung
Die Entscheidung stärkt die Rechte von Unternehmen, Vereinen und Kulturschaffenden, die auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder YouTube angewiesen sind, um ihr Publikum zu erreichen. Der Fall zeigt: Auch mächtige Internetunternehmen unterliegen dem Recht – und insbesondere dem Kartellrecht.
Wer als Plattformbetreiber in Deutschland faktisch konkurrenzlos agiert, darf diesen Umstand nicht zum Nachteil der Nutzer ausnutzen. Transparente Verfahren, rechtliches Gehör und nachvollziehbare Gründe sind nicht nur gute Praxis, sondern nach dieser Rechtsprechung auch zwingende rechtliche Voraussetzung.
Dieses Urteil ist ein starkes Signal.
Wer Plattformen dominieren will, muss sich an Recht und Fairness messen lassen. Wer sperrt, muss auch zuhören – und Gründe nennen. Alles andere ist ein rechtswidriger Missbrauch von Macht.
Wir raten allen Betroffenen, die von Sperrungen oder Einschränkungen betroffen sind, ihr Vorgehen genau zu dokumentieren und frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Der Weg über das Kartellrecht kann dabei ein sehr wirkungsvolles Instrument sein.
Das könnte Sie auch interessieren:
Pflichtangaben nach dem HWG in AdWords-Anzeigen
Analyse der ersten drei Influencer-Urteile des BGH in der „Kommunikation & Recht“
Die zulässige Publikumswerbung auf der Zahnarzt-Homepage nach dem HWG
Rechtshandbuch von Terhaag/Schwarz zum „Influencer-Marketing“ (Nomos Verlag) erschienen