Keine wettbewerbliche Eigenart allein durch Erfolg: OLG Hamburg zur Nachahmung von gebräuchlichen Ketten-Designs

Die Grenzen des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes werden in der Praxis immer wieder auf die Probe gestellt – insbesondere in der Mode- und Schmuckbranche, aber auch bei Accessoires. Mit Urteil vom 6. Februar 2025 (Az. 15 U 43/24) hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg klargestellt: Auch erfolgreiche Gestaltungsideen genießen keinen Schutz, wenn es neben einer Markenregistrierung auch an einer hinreichenden Eigenart fehlt.
Worum ging es?
Ein Hersteller exklusiven Modeschmucks warf einem Wettbewerber vor, eine besonders erfolgreiche Halskette nachgeahmt zu haben. Das Design bestand aus einer Kombination von Gliederelementen, Farben und Oberflächenstruktur. Marken- oder Designrechte waren nicht eingetragen. Die Klägerin stützte sich ausschließlich auf den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG. Zu den einzelnen streitgegenständlichen, aber auch sonstigen Ketten, empfehlen wir einen Blick in das Urteil, hier nur zwei der zahlreichen Beispiele in der Entscheidung (zuerst eine Kette der Klägerin, danach/daneben eine solche der Beklagten):


Die Klägerin argumentierte, ihr Produkt sei besonders beliebt, im Markt etabliert und genieße einen hohen Wiedererkennungswert. Die Kette des beklagten Unternehmens übernehme die maßgebliche Gestaltung und suggeriere eine wirtschaftliche Verbindung.
Warum das OLG Hamburg keine Nachahmung annahm: Entscheidende Gründe im Überblick
Der Senat wies die Klage aus folgenden zentralen Erwägungen ab:
1. Keine wettbewerbliche Eigenart
Zwar erkannte der Senat an, dass das Originalprodukt der Klägerin erfolgreich vermarktet wurde und eine gewisse Wiedererkennbarkeit aufwies. Doch das allein genügt nicht für den wettbewerbsrechtlichen Schutz. Eine bloße Beliebtheit oder weite Verbreitung ersetzt nach ständiger Rechtsprechung nicht die besondere Eigenart, die Voraussetzung für eine Nachahmung im Sinne von §?4 Nr.?3 UWG ist. Maßgeblich ist, ob das konkrete Design im relevanten Marktumfeld als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen wird – und hierfür fehlten greifbare, originär eigengeprägte gestalterische Merkmale.
Die Klägerin hatte im Verfahren im Wesentlichen auf den „Look“ und die modische Wirkung der Kette abgestellt, also auf Stilgefühl und Oberflächenanmutung – nicht jedoch auf präzise, unterscheidungskräftige Gestaltungselemente, die sich vom übrigen Markt signifikant abheben würden. Ein solcher Vortrag genügt nicht, um eine wettbewerbliche Eigenart zu begründen.
2. Keine Herkunftstäuschung
Auch wenn man gewisse stilistische Gemeinsamkeiten zwischen dem Original und dem Produkt der Beklagten annimmt, vermochte das Gericht keine Herkunftstäuschung zu erkennen. Die Beklagte hatte bei der Ausführung – insbesondere bei den Kettengliedern, den Farben und der Oberflächenstruktur – ausreichend abweichende Elemente eingeführt. Es fehlte an einer unmittelbaren Übereinstimmung, die geeignet wäre, beim Publikum eine Vorstellung gemeinsamer betrieblicher Herkunft hervorzurufen.
Im Gesamtbild unterschieden sich die Produkte in Aufbau, Materialwirkung und Detailgestaltung so deutlich, dass eine Herkunftsverwechslung nach Ansicht des Senats auszuschließen war. Der Verbraucher erkenne die Kette der Beklagten als ein eigenständiges Produkt – und eben nicht als platte Kopie oder gezielte Anlehnung an das klägerische Modell.
3. Gebräuchliche Gestaltung im Markt
Ein zentraler Gedanke des Urteils war jedoch, dass auch eine umfangreiche Nutzung allein keine wettbewerbliche Eigenart begründet, wenn das Design selbst nicht hinreichend eigenständig oder vom Branchenumfeld abgehoben ist. Die beanstandete Gestaltung war – so das Gericht – in ähnlicher Form mehrfach im Markt zu finden. Die Klägerin konnte daher keine Alleinstellung für sich beanspruchen.
Das OLG Hamburg bringt es auf den Punkt:
„Eine bloße Beliebtheit oder weite Verbreitung ersetzt die besondere Eigenart nicht, auch wenn ein gewisser Wiedererkennungswert behauptet wird.“
Parallelen zur Adidas/Nike-Streifenentscheidung
Auch wenn es im Hamburger Fall um Modeschmuck und nicht um markenrechtlich geschützte Zeichen geht, knüpft die Entscheidung in ihrer Begründung an eine Linie der Rechtsprechung an, wie sie zuletzt etwa das OLG Düsseldorf im Verfahren Adidas gegen Nike (Urt. v. 28.05.2024, Az. 20 U 120/23) vertreten hat: Dort ging es um sportliche Streifendesigns, bei denen trotz gewisser gestalterischer Nähe eine Herkunftstäuschung verneint wurde – weil die Gestaltung im konkreten Fall dort als dekoratives Element ohne kennzeichnende Funktion verstanden wurde.
Auch das OLG Hamburg betont: Design, das sich im Rahmen des Marktüblichen bewegt und keine prägende Eigenart aufweist, genießt keinen Schutz – selbst wenn es häufig verwendet wird oder erfolgreich ist.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamburg zeigt einmal mehr: Wer sich auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz berufen will, muss mehr vortragen als Stil, Erfolg oder Popularität. Erforderlich ist eine eigenständige, vom Markt abgehobene Gestaltung, die beim Verkehr als auch betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Daran fehlt es häufig – gerade bei Accessoires, die typischen Trends folgen.
Für Unternehmen und Designer bedeutet das: Wer Schutz für seine Produkte beanspruchen will, sollte auf originelle Gestaltung und ergänzend auf formale Schutzrechte wie Marken oder Geschmacksmuster setzen.
Bei Fragen zum Schutz von Produktdesigns, zu Abgrenzungen im Wettbewerb oder zur Verteidigung gegen Nachahmungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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