×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Nachrichten
/
Wettbewerbsrecht
/
Influencer erstreitet Instagram-Entsperrung im Eilverfahren vor dem Landgericht Berlin

Autor

Portraitbild
Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Influencer erstreitet Instagram-Entsperrung im Eilverfahren

Unterlassungsanspruch gegen Meta erfolgreich – Entsprerrung doch möglich im einstweilgen Rechtsschutz?

Erfolg im Eilverfahren gegen Meta: Das LG Berlin II (Urt. v. 28.07.2025 – 61 O 99/25 Kart eV) hat Instagram verpflichtet, ein zuvor deaktiviertes Konto eines Influencers wiederherzustellen – und das im Wege der einstweiligen Verfügung. Dass das Gericht trotz der grundsätzlich bestehenden Zurückhaltung bei auf Leistung gerichteten Eilentscheidungen zu einer entsprechenden Anordnung kam, ist durchaus bemerkenswert. Nach Auffassung der Kammer hat Meta seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem das Konto ohne vorherige Anhörung des Nutzers gesperrt wurde. (Transparenzhinweis: Wir waren nicht unmittelbar am Verfahren beteiligt). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Der Sachverhalt

Der Antragsteller ist Influencer und betreibt mehrere Instagram-Konten zu gewerblichen Zwecken. Eines dieser Konten wurde am 19. Mai 2025 von Meta ohne vorherige Anhörung deaktiviert, nachdem Dritte mehrfach Urheberrechtsverstöße gemeldet hatten. Ein hiergegen gerichteter Einspruch wurde binnen Minuten abgelehnt. Der Antragsteller wandte sich daraufhin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an das LG Berlin II.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Kammer gab dem Antrag statt. Meta wurde verpflichtet, das gesperrte Konto unverzüglich zu reaktivieren und die Nutzung wieder zu ermöglichen.

Das Landgericht erklärte sich – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 2.4.2025 – VI-U (Kart) 5/24) – für international zuständig. Die von Meta vorgebrachte irische Gerichtsstandsklausel sei nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden. Auch die verfahrensrechtlichen Regelungen zur Kontodeaktivierung in den AGB sah das Gericht als nicht wirksam einbezogen an.

Im Kern stützt sich die Entscheidung auf § 19 GWB: Die Kammer sah es als hinreichend glaubhaft gemacht an, dass Meta auf dem relevanten Markt für soziale Netzwerke in Deutschland über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Sperrung eines geschäftlich genutzten Accounts ohne vorherige Anhörung des Nutzers stelle unter den konkreten Umständen des Falles einen Missbrauch dieser Stellung dar. Eine vertragliche Absicherung durch wirksam einbezogene Regelungen lag gerade nicht vor.

Von besonderer Bedeutung ist der dritte Teil der Entscheidung: Trotz der grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutz bejahte das LG Berlin II einen Verfügungsgrund. Der Antragsteller habe durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er aus dem Betrieb des Accounts seinen Lebensunterhalt bestreitet und wirtschaftlich auf die sofortige Reaktivierung angewiesen sei. Demgegenüber seien für Meta keine unzumutbaren Nachteile ersichtlich. Die Schutzwürdigkeit des Plattformbetreibers sei zudem durch die unterlassene Anhörung reduziert.

Einordnung und Bezug zur bisherigen Rechtsprechung

Bereits im April 2025 hatte das OLG Düsseldorf entschieden, dass Meta die Sperrung einer geschäftlich genutzten Facebook-Seite nicht ohne weiteres aufrechterhalten durfte – und darin einen Missbrauch marktbeherrschender Stellung sah. Das LG Berlin II knüpft an diese Linie an, greift sie auf und entwickelt sie prozessual weiter: Während das OLG im Hauptsacheverfahren einen Unterlassungsanspruch bestätigte, hat das LG Berlin II im Eilverfahren die Unterlassung der Sperrung und damit faktisch die Wiederherstellung des Kontos angeordnet. Der Unterschied liegt in der prozessualen Tiefe: Die Kammer nimmt eine vermeintliche Vorwegnahme der Hauptsache in Kauf und stützt dies auf eine besonders klare Interessenabwägung und wirtschaftliche Dringlichkeit. Gerade das macht die Entscheidung so bemerkenswert.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung zeigt deutlich: Auch große Plattformbetreiber unterliegen verfahrensrechtlichen Mindeststandards. Wer dann auch noch eine marktbeherrschende Stellung innehat, darf sich nicht durch intransparente Deaktivierungen oder formal nicht wirksam einbezogene AGB aus der Verantwortung stehlen. Besonders für Influencer und andere wirtschaftlich abhängige Nutzer kann eine gerichtliche Überprüfung sinnvoll sein – im Einzelfall wie sich zeigt, sogar im einstweiligen Rechtsschutz. Die Schwelle bleibt hoch, ist aber nicht unüberwindbar.

Fazit

Das Urteil des LG Berlin II ist ein klares Signal für mehr Rechtssicherheit auf Plattformen wie Instagram, Facebook & Co.. Der Umgang mit Kontosperrungen ist damit nicht länger allein Sache von AGB und Community Guidelines, sondern rückt zunehmend ins Blickfeld des Wettbewerbs-, Kartell- und Verfahrensrechts. Wer Profile deaktiviert, muss dies nachvollziehbar begründen und betroffenen Nutzerinnen und Nutzern eine faire Anhörung ermöglichen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sogar im Eilverfahren erfolgreich gegen Sperrmaßnahmen vorgegangen werden.
Entscheidungen wie diese zeigen: Der Gang vor Gericht kann sich lohnen – gerade dann, wenn wirtschaftliche Existenzen an der Online-Präsenz hängen. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass Plattformen ihre Sperrpraxis künftig transparenter und rechtskonformer gestalten – damit Nutzer nicht auf den oft steinigen Rechtsweg angewiesen sind.

Wir beraten und vertreten Sie gern bei Fragen rund um Ihre Rechte gegenüber Meta und anderen - auch großen - Plattformbetreibern.

Das könnte Sie auch interessieren:

Facebook darf nicht einfach abschalten – OLG Düsseldorf verpflichtet Meta zur Anhörung und Begründung vor Sperrung

Analyse der ersten drei Influencer-Urteile des BGH in der „Kommunikation & Recht“

Die zulässige Publikumswerbung auf der Zahnarzt-Homepage nach dem HWG

Rechtshandbuch von Terhaag/Schwarz zum „Influencer-Marketing“ (Nomos Verlag) erschienen

 

Michael Terhaag | Christian Schwarz

Influencer-Marketing - Rechtshandbuch

2. Auflage – vollständig überarbeitet und aktualisiert

Praxisnaher Überblick zu rechtlichen Fragestellungen im Influencer-Marketing,  u.a. im Werbe-, Wettbewerbs-, Urheber-, Marken- und Persönlichkeitsrecht; inklusive Muster zur Vertragsgestaltung.