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Die Rechtsprechung beurteilt Werbung mit "klimaneutral" unterschiedlich

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Rechtsanwalt Christian Schwarz LL.M.

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Werbung mit Klimaneutralität – Vorsicht vor der Greenwashing-Falle

Eine Werbung mit Begrifflichkeiten wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ kann die Kaufentscheidung eines Verbrauchers in Bezug auf ein Produkt durchaus stark beeinflussen. Immer mehr Menschen achten auf Produkte, welche dem Klima vermeintlich keinen weiteren Schaden zufügen. Doch dürfen Unternehmen hierbei nicht in die „Greenwashing“-Falle tappen. Nur eine korrekte Werbung ist zulässig, ansonsten könnte die Anpreisung insbesondere wettbewerbswidrig (§§ 5, 5a UWG) sein.

In jüngster Vergangenheit haben Verbände wie die Wettbewerbszentrale oder die Verbraucherzentrale diesbezüglich erste juristische Auseinandersetzungen geführt. Auch scheint die Deutsche Umwelthilfe (DUH) immer wieder mit Ansprüchen an Unternehmen zu versenden, welche mit „Klimaneutralität“ oder „CO2-Neutralität“ werben, ohne angeblich den Verbrauchern darzulegen, wie dies erreicht wird. Die DUH spricht in einer Pressemitteilung vom 17. Januar 2023 von „immer dreisterer Verbrauchertäuschung“ durch bestimmte Unternehmen.

Doch so einfach ist die rechtliche Beurteilung bislang nicht. Die Rechtsprechung beurteilt eine Werbung mit „klimaneutral“ durchaus unterschiedlich. Wir geben einen kurzen Überblick über einige Entscheidungen:

Das Oberlandesgericht Schleswig entschied hinsichtlich eines Müllbeutels, welcher neben einem Logo auch die Aussage „klimaneutral“ aufgedruckt hatte, dass die Angabe "klimaneutral" nicht dadurch irreführend sei, dass der Verbraucher ohne nähere Erläuterungen nicht beurteilen kann, wie Klimaneutralität erreicht werde (OLG Schleswig, Urteil vom 30. Juni 2022 – 6 U 46/21). Zwar habe eine beworbene Umweltverträglichkeit eines Produkts mittlerweile einen großen Einfluss auf das Kaufverhalten. Hierbei seien die verwendeten Begriffe wie „umweltverträglich“, „bio“, „umweltfreundlich“ oder „umweltschonend“ häufig unklar. In diesem Fall bestünde ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der Verbraucher. Dies sei, so der Senat, bei einer Werbung mit "klimaneutral" schon für sich betrachtet – also ohne aufklärende Hinweise – nicht der Fall. Diese sei nicht zwangsläufig irreführend. Anders als der unscharfe Begriff der Umweltfreundlichkeit enthalte der der Klimafreundlichkeit eine klare und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Aussage (z.B. in der DIN-EN-ISO 14021).

Das Landgericht Kleve hingegen entschied, dass eine Werbung mit der Aussage „Seit 2021 produziert [Unternehmen] alle Produkte klimaneutral“ nicht irreführend sei (LG Kleve, Urteil vom 22. Juni 2022 – 8 O 44/21). Streitgegenständlich war die Werbeanzeige eines Lakritz-Herstellers in der Lebensmittelzeitung, welche ein Fach- und Wirtschaftsmedium der Konsumgüterbranche ist. Die Aussage war demnach schon nicht an Verbraucher gerichtet. Zudem sei die Werbeaussage auch nicht irreführend, denn klimaneutral sei nicht gleichbedeutend mit emissionsfrei und könne auch über Kompensation erreicht werden. Eine Täuschung sei damit nicht verbunden, denn dem Fachpublikum sei bekannt, dass eine Klimaneutralität durch Kompensation erfolgen könne.

Andere Gerichte fordern bei einer Werbung mit „Klimaneutralität“ einen aufklärenden Hinweis dahingehend, worauf sich die Aussage bezieht, also z.B. auf das Produkt selbst, die Herstellung oder ob eines eine CO2-Kompensation gibt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nahm an, dass der Begriff „klimaneutral“ für die Verbraucher aus sich heraus verständlich sei. Er wird den Begriff im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz von CO2-Emissionen verstehen. Hierbei sei ihm bekannt, dass diese Neutralität sowohl durch die Vermeidung von Emissionen als auch durch Maßnahmen zur Kompensation erreicht werden könne (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22). Der Verbraucher müsse dabei jedoch wissen, ob sich die Neutralität auf das Unternehmen, die Produkte oder beides beziehe, weshalb grundsätzlich eine Aufklärung erforderlich sei. Diese müsse jedoch nicht besonders detailliert sein, so dass vorliegend das der Verbraucher sich über eine Website informieren könne. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn bestimmte Emissionen bei der Bilanzierung ausgeklammert werden. Das Gericht hatte über eine Werbung für Geschirrspülmittel zu entscheiden, bei welcher ein „Klimaneutral Unternehmen“-Logo eingefügt war.

Das Landgericht Mönchengladbach hatte über die Werbung einer Erdbeermarmelade zu entscheiden, welche als „klimaneutrales Produkt“ angeboten wurde: Es war unstreitig, dass die Marmelade nicht CO2-neutral hergestellt wird. Jedoch betreibt der Produzent Aufforstungsprojekte in Südamerika, um den CO2-Fußabdruck auszugleichen. Dennoch sei die Werbung irreführend, wenn keine Aufklärung über den Ausgleich der CO2-Bilanz erfolge. Weil der Verbraucher ansonsten davon ausgehe, dass das Produkt klimaneutral produziert werde – was nicht der Fall sei (LG Mönchengladbach, Urteil vom 25. Februar 2022 – 8 O 17/21).

Auch das Landgericht Konstanz nahm an, dass eine Werbung mit „klimaneutralen Heizöl“ einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstelle, wenn die Verbraucher nicht darüber aufgeklärt würden, wie die Klimaneutralität zustande komme (LG Konstanz, Urteil vom 19. November 2021 – 7 O 6/21 KfH). Auch hier müsse der Verbraucher Informationen darüber erhalten, ob es lediglich zu einer Kompensation des CO2-Fußabdrucks komme oder das Produkt klimaneutral sei.

Die Rechtsprechung beurteilt die Frage, ob eine wettbewerbswidrige Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ vorliegt, also noch recht unterschiedlich. Womöglich wird sich BGH bald der Sache annehmen und eine klarere Linie vorgeben. Bis dahin bewegen sich Unternehmen wohl noch auf einem unsicheren Terrain, solange sie zumindest keine aufklärenden Hinweise in Bezug auf die „Klimaneutralität“ angeben.