
Auskunft bei schlechter Bewertung: Jetzt auch vom E-Mail-Anbieter!
LG München stärkt Anspruch nach § 21 TDDDG – auch ohne direkte Veröffentlichung über den Dienst - Ein Beitrag von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
In einem beachtenswerten Beschluss hat das Landgericht München vom 19.02.2025, Az.: 25 O 9210/24 klargestellt: Auch E-Mail-Anbieter können zur Auskunft über Nutzer verpflichtet werden – selbst dann, wenn die eigentliche Bewertung nicht über ihren Dienst veröffentlicht wurde. Damit stärkt das Gericht den Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TDDDG (ehemals § 21 TTDSG) in Richtung einer echten Kettenauskunft.
Der Fall: Kritische Bewertungen – aber wer war's?
Ein Automobilunternehmen sah sich auf einer bekannten Bewertungsplattform mit zwei besonders kritischen Bewertungen konfrontiert. Diese enthielten unter anderem Aussagen wie:
„Außen hui, innen pfui“ sowie „Ältere Kollegen werden einfach rausgeworfen“.
Auch konkrete Vorwürfe – etwa fehlende Arbeitssicherheit und Umweltverstöße – wurden erhoben.
Die Plattform selbst hatte die Inhalte nach einem Hinweis deaktiviert und später dauerhaft gelöscht. Im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens wurde sie zur Auskunft über die hinterlegten E-Mail-Adressen verpflichtet. Weitere Daten lagen der Plattform jedoch nicht vor.
Die betroffene Firma wandte sich daraufhin an den E-Mail-Anbieter der jeweiligen Absenderadressen – in diesem Fall ein großer, international tätiger Anbieter – und verlangte dort die Herausgabe von Name und Anschrift der Verfasser.
Die Entscheidung: § 21 TDDDG gilt auch für E-Mail-Dienste
Das LG München I gab dem Auskunftsverlangen weitgehend statt. Das Gericht stellte klar:
Der E-Mail-Anbieter ist als Anbieter digitaler Dienste im Sinne des § 21 Abs. 2 TDDDG anzusehen – auch wenn der Dienst gleichzeitig als Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG gelten mag. Die ausschließliche Anwendung des TKG, das Auskünfte regelmäßig nur für Behörden vorsieht (§ 174 TKG), verneinte das Gericht ausdrücklich. Vielmehr sei der Anwendungsbereich des TDDDG weiter zu verstehen. Ziel der Norm sei es, Betroffenen die zivilrechtliche Verfolgung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu ermöglichen – unabhängig davon, ob der Anbieter mit der Veröffentlichung der Bewertung unmittelbar etwas zu tun hatte.
Kettenauskunft ausdrücklich erlaubt
Besonders praxisrelevant ist die klare Absage an das Argument, eine „Kettenauskunft“ sei nicht vorgesehen.
Das Gericht stellt hierzu klar:
„Eine Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts […] lässt sich § 21 TDDDG weder dem Wortlaut nach, noch systematisch, noch historisch entnehmen.“
Der Sinn der Vorschrift bestehe gerade darin, die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche auch dann zu ermöglichen, wenn nur eine E-Mail-Adresse vorhanden sei. Alles andere würde das Gesetz ins Leere laufen lassen.
Wann liegt ein „rechtswidriger Inhalt“ vor?
Das Gericht prüfte die beanstandeten Bewertungen genau: Während Sternebewertungen in der Regel als geschützte Meinungsäußerung gelten [Achtung: siehe Das Märchen der unangreifbaren 1-Sterne-Bewertung] , wurden hier zusätzlich konkrete Tatsachenbehauptungen getroffen – etwa, dass Öl in den Abfluss gekippt werde oder ältere Kollegen „einfach rausgeworfen“ würden. Das LG München I sah hierin ehrverletzende und potentiell strafbare Äußerungen, die nicht mehr vom Schutzbereich des Art. 5 GG gedeckt seien. Entscheidend war dabei auch, dass die betroffene Firma eidesstattlich versichert hatte, dass die Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen – und sich die Verfasser trotz Gelegenheit nicht gegenüber der Plattform geäußert hatten.
Welche Daten sind umfasst?
Das Gericht gestattete die Herausgabe von Name und Anschrift, lehnte aber die Weitergabe des Geburtsdatums ab – da dieses zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche nicht erforderlich sei.
Einordnung: Abgrenzung zur OLG-Bamberg-Entscheidung
Bereits in einem früheren Beitrag hatten wir über eine Entscheidung des OLG Bamberg berichtet, die den Auskunftsanspruch für möglich hielt, ihn aber im Ergebnis ablehnte da dort die kritischen Bewertungen noch als zulässige Meinungsäußerung eingestuft wurden.Die nun vorliegende Entscheidung des LG München I geht einen deutlichen Schritt weiter:
Sie zeigt, wann ein solcher Antrag erfolgreich sein kann – nämlich dann, wenn Bewertungen nicht nur unsachlich, sondern klar ehrverletzend oder unwahr sind. Und sie öffnet den Anwendungsbereich des § 21 TDDDG nun ausdrücklich auch in Richtung Drittanbieter wie E-Mail-Dienste – ein wichtiger Schritt für Betroffene.
Fazit
Das Landgericht München I schafft mit seiner Entscheidung Klarheit: Ein Auskunftsanspruch nach § 21 TDDDG kann sich auch gegen E-Mail-Anbieter richten, selbst wenn diese mit der Veröffentlichung nichts zu tun hatten. Die Entscheidung stärkt damit die Rechte all jener, die sich effektiv gegen rufschädigende Bewertungen im Netz zur Wehr setzen wollen.
Die Voraussetzungen bleiben hoch – aber der Weg zur Identität der Verfasser ist zumindest ein Stück kürzer geworden.
Benötigen Sie Hilfe bei rufschädigenden Bewertungen?
Wir vertreten Unternehmen und Einzelpersonen – sowohl bei der Geltendmachung als auch bei der Abwehr entsprechender Ansprüche. Natürlich gilt: immer nur für die Partei, die sich zuerst an uns wendet ;-)
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