
„Wer war das?“ – Wann besteht ein Auskunftsanspruch nach dem TDDDG wegen anonymer Bewertungen?
Ein Blick auf die Entscheidung des OLG Bamberg von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Das Oberlandesgericht Bamberg hat in einem aktuellen Beschluss (17.12.2024 – 6 W 12/24 e) die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei digitalen Diensten (TDDDG) näher beleuchtet. Die ausgesprochen interessante Entscheidung betrifft den Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten einer bekannten Arbeitgeberbewertungsplattform und zeigt anschaulich auf, wann ein solcher Antrag erfolgreich sein kann.
Sachverhalt und Entscheidung des OLG Bamberg
Ein Unternehmen verlangte von der Arbeitgeberbewertungsplattform Auskunft über die Bestands- und Nutzungsdaten von Nutzern, die anonym kritische Bewertungen hinterlassen hatten. Diese Bewertungen enthielten Aussagen wie "Katastrophe dieser Laden", "Schmutz" oder "Unprofessionell und Missgünstig". Das klagende Unternehmen argumentierte, dass diese Äußerungen rufschädigend seien und den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) erfüllten.
Das Gericht wies den Antrag im Ergebnis zurück, da letztendlich keine der Bewertungen strafrechtlich zu beanstanden war oder die Grenzen der zulässigen Meinungsfreiheit überschritt. Selbst überzogene oder polemische Kritik bleibt grundsätzlich von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, solange sie nicht völlig losgelöst von sachlichen Anknüpfungspunkten ist. Die bloße Tatsache, dass eine Firma negative Bewertungen erhält, begründet keinen Auskunftsanspruch. Aus der sehr guten Entscheidung lässt sich jedoch ableiten, in welchen Fällen ein solcher Auskunftsantrag im Umkehrschluss sehr gute Erfolgschancen hätte.
Wann besteht dennoch ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten?
Das Urteil zeigt, dass eine erfolgreiche Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 Satz 2 TDDDG an enge Voraussetzungen geknüpft ist.
Eine Plattform wie zum Beispiel Kununu, Glassdoor oder Indeed kann jedoch zur Herausgabe von Nutzerdaten verpflichtet werden, wenn:
- Die Bewertung eine strafrechtlich relevante Äußerung enthält: Eine Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede liegt dann vor, wenn sie gezielt auf eine Schmähung oder Herabwürdigung abzielt, ohne dass ein sachlicher Bezug erkennbar ist. Aussagen wie "Der Geschäftsführer ist ein Betrüger" oder "Dieses Unternehmen betrügt Kunden systematisch" könnten als tatsachenwidrige, kreditschädigende Behauptungen gewertet werden.
- Falsche Tatsachen behauptet werden: Während allgemeine Werturteile durch die Meinungsfreiheit geschützt sind, können nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen einen Anspruch begründen. Ein Beispiel: "Die Firma zahlt ihren Mitarbeitern keinen Lohn oder versprochene Boni" wäre eine objektiv überprüfbare und falsche Tatsache, die rufschädigend wirken kann.
- Die Bewertung von Personen stammt, die keine Beziehung zum Unternehmen hatten: Bewertet eine Person ein Unternehmen, ohne jemals dort gearbeitet oder sich beworben zu haben, ist das in der Regel unzulässig. Gerichte haben in solchen Fällen bereits einen Löschungs- oder Auskunftsanspruch bejaht.
oder - Es sich um eine koordinierte Kampagne handelt: Falls Hinweise bestehen, dass zahlreiche negative Bewertungen in kurzer Zeit ohne sachlichen Grund abgegeben wurden (etwa durch Fake-Accounts), kann ein Anspruch bestehen, um die Identität der Verfasser zu ermitteln.
Welche Daten können herausverlangt werden?
Ein entscheidender Punkt in der Entscheidung des OLG Bamberg war die Abgrenzung zwischen Bestands- und Nutzungsdaten. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 TDDDG dürfen Anbieter nur Bestandsdaten, nicht aber Nutzungsdaten herausgeben. Bestandsdaten sind etwa Name, Benutzername, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers. Nutzungsdaten wie die IP-Adresse unterfallen nicht dem Auskunftsanspruch und können nicht verlangt werden.
Tipps für Unternehmen bei negativen Bewertungen
- Bewertungen genau prüfen: Handelt es sich um eine reine Meinungsäußerung oder um tatsachenwidrige Behauptungen?
- Plattform zur Prüfung auffordern: Viele Portale bieten eine Möglichkeit, Bewertungen zu melden, die gegen die Nutzungsrichtlinien verstoßen. Wir würden natürlich raten, schon dies durch spezialisierte Rechtsvertreter machen zu lassen. ;-)
- Juristische Prüfung durchführen lassen und notfalls klagen: In Fällen gezielter Diffamierung kann ein Auskunftsantrag erfolgreich sein.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Bamberg verdeutlicht, dass negative Bewertungen im Internet nicht per se einen Auskunftsanspruch begründen. Solange kritische Äußerungen als Meinungsäußerung einzustufen sind und keine nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik enthalten, bleibt die Anonymität der Bewertenden (man möchte ofts sagen leider) geschützt.
Ein Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 TDDDG besteht aber dann, wenn Bewertungen strafrechtlich relevante Inhalte aufweisen – insbesondere Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede – oder wenn sie gezielt zur Diffamierung eingesetzt werden. Zudem können Unternehmen gegen Bewertungen vorgehen, wenn diese von Personen stammen, die gar keine Beziehung zum Unternehmen hatten, insbesondere kein Arbeitnehmer dort waren.
Für Unternehmen bedeutet das: Wer gegen anonyme Negativbewertungen vorgehen will, kann dies im Einzelfall tun und wir sind in den allermeisten Fällen auch erfolgreich damit. Reine Unzufriedenheit mit kritischen Bewertungen reicht aber aktuell nicht aus, um eine Offenlegung der Nutzerdaten zu verlangen.
Benötigen Sie Hilfe, wir helfen gern! ...übrigens Bewerteten und/oder Bewertenden, immer nur der Partei, die zuerst kommt ;-)
Das könnte Sie auch interessieren:
Auskunftsanspruch gegen Social-Media-Plattform bei Persönlichkeitsrechtsverletzung
Der Corona Pranger - Radiointerview Bremen2
Bundesliga, Corona & Recht - Radiointerview bei Antenne Düsseldorf