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"Domain-Grabbing" - Schadensersatzpflicht für die DENIC e.G.?

"Domain-Grabbing" - Schadensersatzpflicht für die DENIC e.G.?

Rechtsanwältin Ute Rossenhövel (Dezember 1999)

Das leidige Spiel "Domain-Grabbing" findet jetzt seine Fortsetzung auf einer anderen Ebene. Das Landgericht Magdeburg hat einen weiteren Teilnehmer gefunden, der sich bislang immer als Unbeteiligter dargestellt hat: die DENIC e.G.

Vorspann: Hintergrund des "Domain-Grabbing"

Beim Domain-Name-Grabbing werden Domains auf Vorrat und zum Verkauf gehortet. Dahinter stehen meist handfeste wirtschaftliche Interessen. Der Domain-Grabber hofft, die Adresse mit möglichst großem Gewinn zu delegieren. Zu Beginn des "Spiels" haben vermeintlich findige User bekannte Marken oder Firmen für sich als Internet-Adresse bei der Vergabestelle, der deutschen DENIC e.G. registrieren lassen. Bis zum 31. Januar 1997 war dies noch nicht einmal mit größeren Kosten verbunden, da die DENIC e.G. die Reservierung von Domains zuließ. Damit sollte eigentlich die Möglichkeit geschaffen werden, eine Internet-Präsens in Ruhe vorzubereiten, die Wunsch-Domain aber schon einmal vorab, längstens jedoch für sechs Monate zu sichern. Mit der Abschaffung der Reservierungsmöglichkeit einer Domain zum 1. Februar 1997 wollte dann auch sie dem Sammeln von Domains einen Riegel vorschieben. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass sich seitdem einige Provider für wenig Geld bereit erklären, vorläufig unter der Domain eine leere Seite zu präsentieren. Von einer Nutzung der Domain kann bei einer solchen Präsentation wohl noch nicht die Rede sein. Dieser Ansicht hat sich inzwischen neben den Gerichten in Düsseldorf auch das Landgericht Hamburg angeschlossen.

1. Runde: Domain-Grabbing

In den "grauen Vorzeiten" des Domain-Grabbings sammelten einige User, was die DENIC e.G. hergab. Da wurde ungeniert der Name der Konkurrenz registriert oder eine bekannte Marke eines anderen als Internet-Adresse eingetragen. Dies war (und ist) rein technisch immer noch möglich, da die DENIC e.G. eine Domain ohne jegliche Prüfung der Berechtigung an der Bezeichnung vergibt. Nach den "Vergaberichtlinien", die sie sich selbst gesetzt hat, bürdet sie diese Prüfung vermeintlich dem jeweiligen Antragsteller auf. Bei der Vergabe gilt also auch heute das alte Prinzip "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Im Anfang waren viele, vor allem kleinere und mittlere Betriebe bereit, die geforderte "Ablösesumme" zu zahlen. Größere Unternehmen konterten:

 

2. Runde: Die Gerichte

Wer es sich leisten kann, geht in einem solchen Fall vor Gericht. Die Richter müssen dann –übrigens fast ausschließlich in Eilverfahren – auf Antrag eines Beteiligten entscheiden, wer die besseren Rechte an einer Domain hat. Regelmäßig wird dies derjenige sein, der nachweisen kann, die Bezeichnung bereits vor dem anderen als geschäftliches Kennzeichen benutzt zu haben oder eine eingetragene Marke zu besitzen. Die Zahl der Rechtsstreite über Domains steigt schnell an. Leider wurden dabei auch einige bedenkliche Urteile gefällt: So hat das Landgericht Braunschweig dem Besitzer einer nur für Deutschland geschützten Wort-/Bildmarke die besseren Rechte an der Domain "stadtinfo.com" zuerkannt, unter der "bahnhof.de" sollen nach Ansicht des Landgerichts Köln alle Internet-User ausschließlich ein Angebot der Deutschen Bahn AG suchen und auch unter "badwildbad.com" (also nicht nur "badwildbach.de") erwarten nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe alle User nur Informationen, die von der Stadt Bad Wildbad selbst veröffentlicht werden.

Glücklicherweise machen sich einige Gerichte aber gründlich Gedanken über die Anwendung des geltenden Rechts. So hat beispielsweise das Landgericht Düsseldorf entschieden, auch die längere Nutzung einer Domain könne eigene Namens- und Kennzeichenrechte begründen ("infoshop.de"). In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit sind die Richter der Argumentation der seit 1996 unter "infoshop.de" auftretenden Antragsgegnerin gefolgt und haben die Antragstellerin, die frühere Rechte nicht nachweisen konnte, abschlägig beschieden.

 

3. Runde: Markeneintragungen

Aus den ergangenen Urteilen zogen viele Unternehmen den Entschluss, ihre Domain-Namen als Marke anzumelden, um die Bezeichnungen für sich schützen zu lassen. Grundsätzlich eine gute Idee, denn wer eine Marke in das deutsche Markenregister hat eintragen lassen, der kann ab Anmeldedatum meistens Nachfolgern die Nutzung der identischen oder verwechslungsfähigen Bezeichnung untersagen. Voraussetzung für eine Markeneintragung ist jedoch, dass die Bezeichnung nicht freihaltebedürftig ist. So darf ein Begriff, der eine Dienstleistung glatt beschreibt, nicht für diesen Schutzbereich eingetragen werden. Sicherlich nicht eintragungsfähig wäre deshalb das Wort "Anwalt" für die Dienstleistung "Rechtsberatung im Internet". Glücklicherweise kann für solch allgemeine Begriffe aber auch ein ablehnender Bescheid hilfreich sein, denn regelmäßig wird an dieser glatt beschreibenden Bezeichnung niemand bessere Rechte haben können. Ausnahmen bestätigen allerdings auch hier die Regel.

 

Zwischenspiel: "webspace"

Leider beurteilt die Web-Gemeinde die Freihaltebedürftigkeit von Begriffen häufig anders als das Deutsche Patent- und Markenamt. Bestes Beispiel dafür ist die erneute Eintragung von "webspace" als Marke. Eigentlich hätte eine solche Eintragung gar nicht erfolgen dürfen, denn "Webspace" wird seit geraumer Zeit überall schlicht als Synonym für Speicherplatz auf Internetservern benutzt. Normalerweise wird in einem solchen Fall die Anmeldung vom Patentamt unter Hinweis auf die "fehlende Kennzeichnungskraft im Zeitpunkt der Anmeldung" abgewiesen. Das ist auch ganz korrekt, schließlich sollte gerade die Originalität des Begriffes geschützt werden und eine Marke möglichst wenig Verbindung mit dem verbundenen Produkt oder der Dienstleistung aufzeigen, etwa wie "Twix" für Schokoladenriegel oder "Brekkies" für Hundefutter. Dazu kommt, dass das Patentamt sich wohl zu einer Krake entwickelt hat, deren einer Arm nicht weiß, was der andere tut. In seiner Stellungnahme hat jetzt die Pressestelle verlauten lassen, das Patentamt sei zur Zeit großzügig in der Eintragung. Tatsächlich werden aber in letzter Zeit Wort- und Wort-/Bildmarken mit ausgeprägten Textbestandteilen, die Begriffe wie "web", "internet" oder "net" beinhalten, mit stereotyper Beanstandung zurückgewiesen. Leider sind die Fachabteilungen des Patentamtes besonders vorsichtig geworden - vielleicht auch aufgrund der heftigen Reaktionen der Internet-User auf die Eintragung von "webspace". Die Marke hat neben einer Abmahnwelle auch gleich eine Aktion gegen "Markengrabbing" und Diskussionen in allen möglichen Mailing-Listen usw. ausgelöst.

 

4. Runde: DENIC e.G.

Bei jedem Streit um Domains wird früher oder später tatsächlich auch die DENIC e.G. einbezogen. Schließlich ist sie aufgrund der mit ihr geschlossenen Verträge verpflichtet, auf entsprechenden Zuruf eine Domain zu übertragen (KK-Antrag) bzw. den derzeitigen Inhaber auszutragen (CLOSE-Befehl). In der täglichen Praxis stellt bedauerlicherweise gerade die Übertragung von Domains eine größere Hürde da. Neben den Providern, die entsprechende Aufforderungen teilweise nicht weitergeben, stellt sich oft auch die DENIC e.G. quer. Sie könnte auf entsprechende Erklärungen der alten und neuen Inhaber recht einfach die Domain umtragen – erst recht, wenn der alte Inhaber zur Freigabe der Domain durch gerichtliche Entscheidung verpflichtet ist.

Ähnlich hat auch das Landgericht Magdeburg argumentiert. Erstmals wurde in dem Urteil "foris.de" eine Schadensersatzverpflichtung der DENIC e.G. festgestellt. Hintergrund dazu war die Weigerung der Vergabestelle, trotz gerichtlichen Hinweises die Domain "foris.de" umzuschreiben. Leider lassen sich die Genossen dieses Urteil nicht zur Warnung dienen: In einem neuen Verfahren, in dem bereits die Freigabeverpflichtung durch Gerichtsbeschluss festgestellt wurde, ist sie trotz des aller Voraussicht nach eintretenden hohen wirtschaftlichen Schadens für den Antragsteller nicht zur Überschreibung bereit. Ihr neu angestellter Rechtsanwalt argumentiert, die DENIC werde sich nur an ihren Vertragspartner, den Provider, halten – solange dieser keine Anweisung gebe, werde sie nicht handeln. Wenn allerdings wirtschaftliche Schäden entstehen, dürfte die DENIC e.G. zur Zahlung von Schadensersatz neben dem untätigen Provider verpflichtet sein.