Offene Netze in Städten und Kommunen - Fortschritt oder Harakiri?
- von Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Michael Terhaag, LL.M. -
In Düsseldorf ist unter Umständen zumindest im Innenstadtbereich ein flächendeckendes kostenloses WLAN geplant.
Zu diesem Anlass hat der Digitale Stadt Düsseldorf e.V. zu einer Round-Table-Veranstaltung geladen, bei der Vertreter führender Unternehmen der ITK-Branche, Netzanbieter und Vertreter der Stadt die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten diskutieren wollen. Für eine rechtliche Meinung ist auch der Verfasser geladen, der das zum Anlass für diesen Beitrag genommen hat.
Ausschnitte zum dazu gegebenen WDR-Interview finden Sie hier.
Ausgangspunkt – widerstreitende Interessen
Die Problematik des offenen WLAN braucht hier nicht umfangreich erläutert zu werden. Auf der einen Seite haben wir Nutzer die gern kostenfrei und überall ins Internet möchten, was letztendlich auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland zugutekommt. Auf der anderen Seite haben wir Rechteinhaber, wie zum Beispiel Musikverlage oder Kinofilmlizenzträger, aber auch Markeninhaber oder beleidigte und diffamierte Privatpersonen, die gern die Verursacher dingfest machen und zur Verantwortung ziehen möchten.
Die eigentlichen Rechtsverletzer lassen sich oft nur mit Mühe oder gar nicht feststellen – zumal die Identifizierung der Nutzer bei einem offenen WLAN zur Benutzung nicht erforderlich ist. Insofern ist die Interessenlage bei den städtischen WLAN die gleiche, wie bei solchen von Restaurantbetreibern, Hoteliers oder etwa der Bahn in ihren ICE-Zügen.
Erhebliche Rechtsunsicherheit
Fakt ist, dass bezüglich letztgenannter öffentlicher WLANs eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht, da belastbare Rechtsprechung hier schlicht nicht vorliegt.
Wegen privater WLAN-Netze gibt es im Gegensatz dazu umfangreiche Judikatur, wie etwa zur Haftung innerhalb von Wohngemeinschaften, Eltern für ihre minder- oder volljährigen Kinder, Eheleute usw. mittlerweile sogar vom Bundesgerichtshof (BGH), siehe auch unsere FAQ zum Thema Filesharing.
Bezüglich öffentlicher, also nicht privater Router gibt es nur ganz wenige und zudem recht widersprüchliche Gerichtsentscheidungen und vor allem schon gar keine höherinstanzlichen oder gar solche des BGH.
Teilweise wurde etwa durch das Landgericht Hamburg für Internet-Cafés technische Maßnahmen (z.B. Port-Sperren) verlangt, wobei schon vom Landgericht Köln in Abrede gestellt wurde, dass solche überhaupt wirksam sind bzw. unzulässig auch legale Internetnutzungen verhindern.
Das Landgericht Frankfurt hingegen hat in einem vielbeachteten Urteil zuletzt entschieden, dass der Hotelinhaber, der seinen Gästen einen Internetzugang über ein marktüblich sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes WLAN anbietet und diese auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben deutlich hinweist, nicht als Störer für durch Gäste begangene Urheberrechtsverletzungen haftet. Vor einer ersten Rechtsverletzung bestehe für den Hotelinhaber aufgrund der Verschlüsselung keine weitergehende Prüfungspflicht.
Die Frage, was nach einer Rechtsverletzung für Maßnahmen zu ergreifen sind, ist hiermit jedoch auch nicht beantwortet.
Welche Anforderungen die Rechtsprechung nach derzeitiger Rechtslage an die Anbieter öffentlicher WLANs stellt, ist daher weiterhin unklar, sodass man als Anbieter eines solchen Netzes bei allem Fortschritt aktuell ein nicht wegzudiskutierendes Risiko eingeht.
Kein Allheilmittel durch das aktuelle Telemediengesetz
Das Heranziehen des Telemediengesetzes und hier insbesondere § 8 hilft hierbei derzeit nicht weiter. Diese Regelung bestimmt, dass Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich sind, sofern sie
- die Übermittlung nicht veranlasst,
- den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
- die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
Klingt nach der Lösung, ist jedoch nach herrschender Meinung und Einschätzung des BGH nur für Schadensersatz- nicht jedoch auf Unterlassungsansprüche anwendbar, wobei es auch erste Stimmen gibt, die das anders sehen, so zum Beispiel das Kammergericht Berlin.
Es bleibt demnach bei der so genannten Störerhaftung, das heißt der WLAN-Betreiber haftet dann als Störer, wenn er trotz Kenntnis zumutbare Störungsvorbeugemaßnahmen nicht trifft. Welche das konkret sein sollen, ist leider bislang auch noch ungeklärt.
Konkrete Überwachung verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht bzw. den Datenschutz der betroffenen Nutzer, Web-Sperren bestimmter Anbieter ist ebenfalls problematisch, das Speichern des Nutzerverhaltens dürfte spätestens nach der Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung komplett tabu sein.
Wie geht’s weiter?
Die aktuelle Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag und auch im Nachgang in der Presse mehrfach ausgeführt WLAN’s zu fördern, zu erleichtern und zu ermöglichen. Man darf gespannt sein…
Solange obliegt es weiterhin den Gerichten, eine einheitlichere Linie zu finden, was aus der Erfahrung heraus noch einige Jahre dauern dürfte. Vielleicht bedarf es auch einmal einzelner Gemeinden, die sich der verbleibenen Rechtsunsicherheit stellen und den Schritt ins öffentlich betrieben kostenlose WLAN wagen.
Haben Sie Fragen und benötigen rechtliche Beratung, sprechen Sie uns gern an. Ausschnitte aus dem Interview des Verfasser mit dem WDR Fernsehen finden Sie unter terhaag.de