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KI-Stimmen können das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen - u.a. zur aktuellen Entscheidung des LG Berlin

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Yippee-Ya-Yeah, KI-Schweinebacke - Stimmenklone verletzen Persönlichkeitsrecht

Ein prominenter deutscher Synchronsprecher – bekannt als „die deutsche Stimme von Bruce Willis“ – hat erfolgreich gegen die unautorisierte Nutzung einer KI-generierten Nachbildung seiner Stimme geklagt.

In zwei YouTube-Videos war seine markante Stimme synthetisch nachgebildet und für politische Kritik wie auch für kommerzielle Zwecke (inklusive Shop-Hinweis) eingesetzt worden. Eine Zustimmung lag nicht vor.

Das Landgericht Berlin (Urteil vom 20. August 2025, Az. II-2 O 202/249 - Volltext) entschied: Die KI-Stimme stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Auch wenn die Nachbildung technisch nicht identisch war, reichte die Wiedererkennbarkeit für einen Schutzanspruch. Wörtlich heißt es hierzu im Urteil:

„Natürlich handelte es sich dabei nicht um ‚die‘ Stimme des Klägers, sondern einer von einer KI erzeugten Nachahmung dieser Stimme. Insofern ist die Frage eines Eingriffs aber nicht anders zu beurteilen, als wenn die Nachahmung durch einen Stimmenimitator erfolgt wäre.“ (LG Berlin, Urt. v. 20.08.2025 – II-2 O 202/249, S. 5)

(Transparenzhinweis: Der Verfasser war an dem Verfahren nicht beteiligt und ordnet die Entscheidung als unabhängiger Experte ein)

Zusammenfassend lässt aus dem Urteil sagen: 

  • Stimme als Schutzgut: Die Stimme gehört zur Persönlichkeit und ist rechtlich ebenso geschützt wie Name oder Bild.
  • Erkennbarkeit genügt: Für einen Anspruch reicht es aus, wenn das Publikum eine Stimme einer Person zuordnen kann – völlige Identität ist nicht erforderlich!
  • Keine Rechtfertigung durch Kunst oder Satire: Das Gericht nahm ausdrücklich eine Abwägung zwischen Art. 5 GG (Meinungs- und Kunstfreiheit) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor. Während satirische oder künstlerische Nachahmungen im Einzelfall zulässig sein können, überwog hier klar der Schutz des Klägers. Da die Nutzung hier vorrangig kommerziell erfolgte, trat die Meinungs- oder Kunstfreiheit zurück. Das Gericht stellte hierbei ausdrücklich klar:

    „Die Bekanntheit der Stimme des Klägers soll die Videos attraktiver machen und so möglichst viele Internetnutzer anziehen. […] Die Verwendung der Stimme des Klägers dient damit letztlich der Steigerung von Klickzahlen und Umsatz des Beklagten, so dass die kommerzielle Nutzung im Vordergrund steht.“ (LG Berlin, Urt. v. 20.08.2025 – II-2 O 202/249, S. 6)

  • Rechtsfolgen: Unterlassung und Schadensersatz
    Das Gericht sprach dem Synchronsprecher sowohl Unterlassungsansprüche als auch Schadensersatz zu - bemessen an dem Modell der sogennten fiktiven Lizenzgebühr sein, wie man es aus der Rechtsprechung des BGH zu Bildnutzungen kennt: Wer eine Stimme ohne Einwilligung nutzt, muss so gestellt werden, als hätte er sie ordnungsgemäß lizenziert. Am Rande stellte das Gericht klar, dass auch datenschutzrechtlich (Art. 6 Abs. 1 DSGVO) keine Rechtfertigung für die KI-Nutzung bestand.

Von Heinz Erhardt zum "deutschen Bruce Willis"

Bereits lange vor dem KI-Zeitalter hatten Gerichte vergleichbare Konstellationen zu entscheiden. So untersagte das OLG Hamburg (Beschluss vom 8. Mai 1989, 3 W 45/89) die werbliche Nachahmung der markanten Stimme des verstorbenen Heinz Erhardt. Auch dort wurde deutlich: Die Stimme ist ein Identitätsmerkmal, das nicht beliebig für wirtschaftliche Zwecke genutzt werden darf und in diesem Fall von den Erben untersagt werden konnte.

Pumuckl und die KI-Stimme von Hans Clarin

Die Entscheidung des LG Berlin passt in eine durchaus noch aktuelle Debatte. Für die neue „Pumuckl“-Serie des Bayerischen Rundfunks wurde die Stimme von Hans Clarin durch KI rekonstruiert.
Der Verfasser hatte bereits im Jahr 2023 im Deutschlandfunk betont, dass der Einsatz solcher synthetischer Stimmen erhebliche rechtliche und ethische Fragen aufwirft – gerade wenn keine klare Einwilligung oder vertragliche Grundlage vorliegt (Interview anhören).

Das Berliner Urteil verdeutlicht: Der Schutz der Stimme gilt nicht nur für Verstorbene wie Heinz Erhardt oder Hans Clarin – sondern erst recht und in gleicher Weise für lebende Sprecherinnen und Sprecher. Gerade sie müssen vor unautorisierter KI-Kopien wirksam geschützt werden.

Bedeutung für Praxis

  • Für Betroffene: Unautorisierte KI-Imitationen sind abwehrbar – mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen.
  • Für Unternehmen und Plattformen: KI-Stimmen dürfen nur mit eindeutiger Zustimmung eingesetzt werden; klare Kennzeichnung („synthetische Stimme“) reduziert unter Umständen rechtliche Risiken - schließt diese aber nicht sicher aus.
  • Für die Öffentlichkeit: Das Urteil sendet ein klares Signal: Stimmen sind wie das eigene Bild kein Freiwild – weder im analogen noch im digitalen Raum.

Fazit

Das LG Berlin führt die Linie vom Heinz-Erhardt-Beschluss über aktuelle Fälle wie Pumuckl bis ins KI-Zeitalter nachvollziehbar fort und geht aus unserer Sicht klar in die richtige Richtung: Die Stimme gehört ihrem Träger.
Ohne Zustimmung ist sie kein frei nutzbares Kommunikationsmittel, sondern ein klar geschütztes Persönlichkeitsrecht -  es mag auch mal Ausnahmen bei Promi-Stimmen geben, aber gerade wenn es um werbliche oder auch politische Inhalte geht, sind auch diese - ohne eindeutiges Einverständnis des Betroffenen- tabu.

Haben Sie Fragen? Wir helfen gern!

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