Verbietet die DSGVO das Fotografieren von Personen?
Von Dr. Volker Herrmann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Bei der Veröffentlichung von Bildern sind die urheberrechtlichen Vorschriften des Kunsturhebergesetz (KUG) zu beachten. So dürfen Bildnisse einer Person nach §§ 22 und 23 KUG grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden. Dort sind auch die einschlägigen Ausnahmen geregelt, wann eine Person auch ohne deren Einwilligung abgebildet werden darf. In dieses seit vielen Jahren etablierte System ist nun durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Unruhe gekommen. Manche Juristen haben hierzu bereits Fachaufsätze veröffentlicht, nach deren Lektüre man das Ende des Bildjournalismus befürchten muss. Ist dem wirklich so oder wird hier, wie so oft in Zusammenhang mit der DSGVO, maßlos übertrieben?
Was wäre wenn?
Relevant ist die Diskussion zum einen, da sowohl nach dem neuen als auch nach dem alten Datenschutzrecht die Einwilligung in eine Veröffentlichung jederzeit widerrufen werden kann, nach dem Urheberrecht ein Widerruf jedoch nur aus einem wichtigen Grund erfolgen kann. Dies würde bedeuten, dass z.B. ein Fotograf, der Bildnisse einer Person mit deren Einwilligung veröffentlicht, nach der DSGVO jederzeit damit rechnen müsste, dass die Einwilligung widerrufen wird. Der Fotograf könnte sich somit nie sicher sein, ob er die Veröffentlichung nicht irgendwann wieder rückgängig machen muss.
Zudem unterscheiden sich die Formen der Einwilligung bei der DSGVO und dem KUG. Im Urheberrecht kann eine Einwilligung auch stillschweigend oder konkludent erfolgen. So können bestimmte Handlungen des Betroffenen suggerieren, dass dieser in die Veröffentlichung einwilligt. Zudem trifft das KUG Ausnahmen zu dem Einwilligungserfordernis, z.B. wenn Menschen in einer Ansammlung nur als Beiwerk abgebildet werden oder die abgebildeten Personen für die Zeitgeschichte relevant sind. Die DSGVO wiederum verlangt eine ausdrückliche und dokumentierte Einwilligung. Zudem kennt die DSGVO keine Ausnahmen von einer Einwilligung.
Wenn man das Datenschutzrecht zu Grunde legen würde, müsste zudem darüber belehrt werden, dass ein jederzeitiger Widerruf möglich ist. Nach der DSGVO muss der Betroffene, von dem personenbezogene Daten erhoben werden, über seine Rechte informiert werden. Da Fotos auch personenbezogene Daten darstellen, müsste bei jeder Einwilligungserklärung quasi eine kleine Datenschutzerklärung angehangen werden. Insgesamt hätte die Anwendung der DSGVO auf die Veröffentlichung von Personenbildnissen somit schwerwiegende Konsequenzen für die Medienwelt, da vor jeder Veröffentlichung eine schriftliche Einwilligung mit Rechtsbelehrung eingeholt werden müsste, die durch den Betroffenen jederzeit widerrufen werden könnte. Ein wahres Schreckensszenario für jeden Fotografen und Journalisten.
Was sagen die Gerichte und die Datenschutzbehörden?
Selbst die Behörden sind sich hinsichtlich dieses Themas nicht einig. Das Bundesinnenministerium benennt in einer Stellungnahme zum neuen Datenschutzrecht, dass eine Einwilligung schon immer jederzeit widerrufbar gewesen sei, also auch schon nach alter Rechtslage das Datenschutzrecht anwendbar gewesen sei, und dies nunmehr auch gelte. Der Landesdatenschutzbeauftragte von Hamburg wiederum meint, dass nach der alten Rechtslage das KUG spezieller gewesen sei und stützt sich dabei auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG in der alten Fassung, wonach andere Rechtsvorschriften, die sich auf personenbezogene Daten und deren Veröffentlichung beziehen, vorgehen. Der Landesdatenschutzbeauftragte betont dabei jedoch auch, dass dies mit der DSGVO neu beurteilt werden muss. Er entwickelt ein neues Konzept und wendet die gesetzlichen Regelungen auf zwei Ebenen an: die DSGVO bei Erhebung der Daten, also bei Erstellen des Fotos, und das KUG bei Veröffentlichung der Fotos.
Diesen Weg ist auch schon das Bundesarbeitsgericht gegangen. So benennt das Bundesarbeits-gericht in Bezug auf das alte Datenschutzrecht, dass das Urheberrecht bei der Veröffentlichung von Fotos von Mitarbeitern spezieller sei und dementsprechend die Vorschriften des Urheberrechts Anwendung fänden (BAG (8. Senat), Urteil vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13).
Oberlandesgericht Köln gibt den Ton an
Das OLG Köln (Beschluss vom 18. Juni 2018, Az. 15 W 27/18) hat sich als erstes Gericht nach Inkrafttreten der DSGVO zu der Frage des Verhältnisses von der DSGVO und dem KUG für den journalistischen Bereich geäußert. Das Gericht nimmt dabei ebenfalls an, dass das KUG auch neben der DSGVO weiterhin anwendbar bleibt. Es bezieht sich darauf, dass Art. 85 DSGVO eine sogenannte Öffnungsklausel erhält. Diese erlauben es den Mitgliedsstaaten, die entsprechenden Stellen mit nationalem Recht zu füllen, solange die Schutzgrenze der europarechtlichen Regelung eingehalten wird. Über diese Öffnungsklausel ist das KUG auch bei der Veröffentlichung von Bildnissen anwendbar, auch wenn diese personenbezogene Daten darstellen. Die Öffnungsklausel umfasst zudem nicht nur neue Gesetze, sondern auch bestehende Regelungen. Damit kann das KUG auch bei der Veröffentlichung von Bildnissen angewandt werden. Dies zumindest im journalistischen Bereich, da das KUG eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen des Betroffenen, dessen Bildnis veröffentlicht wird, und demjenigen der das Bild veröffentlicht, ermöglicht. Diese Ansicht hat das OLG Köln nunmehr in einer weiteren Entscheidung bestätigt (Urteil vom 8. Oktober 2018, Az. 15 U 110/18) und deutlich gemacht, dass die Grundsätze, die im Rahmen des KUG geschaffen wurden, auch mit Einführung der DSGVO weiterhin Anwendung finden.
Im nicht-journalistischen, gewerblichen Bereich ist jedoch gerichtlich noch nicht entschieden worden, wie die Vorschriften in Verhältnis stehen. Das Urteil des OLG Köln kann aber als richtungsweisend angesehen werden.
Ausblick in die Zukunft
Es ist aufgrund der Tendenz in der bisherigen Rechtsprechung zum journalistischen Bereich und den von einzelnen Datenschutzbehörden geäußerten Ansichten sehr wahrscheinlich, dass die DSGVO das KUG nicht verdrängt, sondern weiterhin anwendbar bleibt. Entgehen vielfach geäußerter Befürchtungen wird der Fotograf und Journalist also wie gewohnt weiter arbeiten können. Für den gewerblichen Bereich wird man die Entwicklung der Rechtsprechung beobachten müssen. Aber auch dort ist es unwahrscheinlich, dass eine Person, die zu Werbefotos eingewilligt und dafür ein Honorar bekommen hat, die Einwilligung in der laufenden Werbekampagne auf einmal wird wieder widerrufen können. Dergleichen sagt die DSGVO auch nicht aus, auch wenn dies vielfach so behauptet wird.