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"Er war's - Sie war's!" Erste Entscheidung zu KI-basierter Fehlinformationen und Grenzen der Haftungsprivilegierung

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Künstliche Intelligenz im Wirtschaftsauskunftsdienst: Haftung trotz oder besser wegen Automatisierung

Das Landgericht Kiel hat in einem bemerkenswerten Urteil (6 O 151/23 vom 29.02.2024) die Grenzen der Haftungsfreistellung bei automatisierten Prozessen in Wirtschaftsauskunftsdiensten aufgezeigt. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen Herausforderungen beim Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in der Informationsverarbeitung.

Der Fall: Falschmeldung durch KI

Ein Wirtschaftsauskunftsdienst hatte mittels KI-gestützter Analyse öffentlicher Register fälschlicherweise die bevorstehende Löschung eines Unternehmens wegen Vermögenslosigkeit gemeldet. Das betroffene Unternehmen - ein mittelständischer Wintergarten- und Terrassendachbauer - klagte daraufhin auf Unterlassung.

Die Entscheidung: Haftung trotz Automatisierung

Das LG Kiel gab der Klage statt und verurteilte den Auskunftsdienst zur Unterlassung. Bemerkenswert ist dabei, dass das Gericht eine Haftung bejahte, obwohl die fehlerhafte Auskunft angeblich vollautomatisch durch KI generiert wurde.

Kernaussagen des Urteils

  • Unmittelbare Störerhaftung: Das Gericht sah den Auskunftsdienst als unmittelbaren Störer an, da er sich zur Beantwortung von Suchanfragen einer eigenen Software bedient, die Informationen aus Pflichtmitteilungen extrahiert und aufbereitet veröffentlicht.
  • Keine Exkulpation durch Automatisierung: Der Dienst konnte sich nicht darauf berufen, am automatischen Prozess gar nicht beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht betonte, dass der bewusste Einsatz einer fehlerhaft programmierten KI die Verantwortlichkeit begründet.
  • Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts: Das Gericht bejahte eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts nach §§ 1004 Abs. 1 S.2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG.
  • Abwägung der Grundrechte: In der Urteilsbegründung wog das Gericht sorgfältig die kollidierenden Grundrechte ab - einerseits das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens, andererseits die Meinungs- und Informationsfreiheit des Auskunftsdienstes und seiner Nutzer.

Fazit: Verantwortung für KI-Systeme

Das Urteil verdeutlicht und unserer Kenntnis nach die erste diesbezügliche Entscheidung, dass Unternehmen, die KI-Systeme zur automatisierten Informationsverarbeitung einsetzen, nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Sie bleiben für die Richtigkeit der von ihren Systemen generierten Auskünfte in vollem Umfang haftbar.

Für die Praxis bedeutet dies: Betreiber von KI-gestützten Informationsdiensten müssen robuste Qualitätssicherungsmechanismen implementieren und die Funktionsweise ihrer Systeme kontinuierlich überprüfen. Das bloße Verweisen auf die automatische Erfassung und Verabreitung reicht als Haftungsausschluss nicht aus.

Das Urteil dürfte richtungsweisend für künftige, auch anders gelagerte, Fälle sein, in denen es um die rechtliche Einordnung von KI-generierten Inhalten geht. Es unterstreicht die Notwendigkeit, den Einsatz von KI-Systemen rechtlich und ethisch verantwortungsvoll zu gestalten.

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