OLG Frankfurt: Social-Media-Dienst muss auch ähnliche Veröffentlichungen löschen
Hat eine Social-Media-Plattform konkrete Kenntnis von einer rechtsverletzenden Veröffentlichung, so muss sie auch sinngemäße Äußerungen löschen. Das hat das OLG Frankfurt/Main entschieden (Urteil vom 25. Januar 2024 – 16 U 65/22). Der Senat bestätigte damit weitgehend die Entscheidung aus erster Instanz (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 8. April 2022 – 2-03 O 188/21). Nur in puncto Geldentschädigung war das Oberlandesgericht anderer Meinung.
Geklagt hatte die Politikerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) gegen Meta Platforms, dem Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp. Unterstützt wurde Künast von der Organisation HateAid, welche sich für Opfer von digitaler Gewalt einsetzt.
Worum ging es?
Bei Facebook wurde ein Meme verbreitet, welches ein Foto und den Namen von Künast zeigte und mit einem angeblichen Zitat der Politikerin versehen war. Es wurde behauptet, dass der Satz „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ von ihr stamme. Eine solche Äußerung hatte Künast jedoch unstreitig nie getätigt. Es handelte sich somit um ein Falschzitat.
Werden Äußerungen bewusst falsch wiedergegeben oder sind ausgedacht, liegt ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht – in Form einer Verletzung des Rechts am eigenen Wort – vor (vgl. zB BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – VI ZR 262/09; BVerfG, Beschluss vom 31. März 1993 – 1 BvR 295/93).
Das Meme wurde im sozialen Netzwerk in verschiedenen Varianten und mit unterschiedlichen URL veröffentlicht. Das Landgericht Frankfurt/Main untersagte nicht nur die konkrete Veröffentlichung, sondern verbot Meta Platforms alle zu dem Meme identischen und kerngleichen Inhalte öffentlich zugänglich machen zu lassen. Hierbei hielt das Gericht fest, dass einer Social-Media-Plattform wie Facebook technisch und wirtschaftlich zumutbar ist sowohl identische, fast identische und ähnliche als auch mit einer Caption verbundene Memes zu erkennen.
Zudem sprach es der Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung von Meta Platforms. Diese hatte jedoch nur hinsichtlich des Geldentschädigungsanspruchs Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main bestätigte die Entscheidung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs. Als mittelbar verantwortliche Störerin hafte Meta Platforms auch dafür, dass alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts zu dem Meme zu löschen sind.
Die Plattform habe mit Übermittelung der konkreten URLs, unter denen das Meme abrufbar war, unmittelbar Kenntnis von der Rechtsverletzung erhalten. Ferner wurde in einem anwaltlichem Schreiben darüber aufgeklärt, was unter sinngleichen Veröffentlichungen zu verstehen sei. Diese Kenntnis und Information habe, so der Senat, eine Prüf- und Verhaltenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären.
Das OLG Frankfurt/Main betonte – im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung – noch einmal, dass Meta Platforms als Hostprovider zwar keine proaktive Überwachungs- oder Nachforschungspflicht hinsichtlich rechtwidriger Inhalte habe. Durch die Kenntnis von einem Verstoß sei die beklagte Plattform jedoch angehalten, derartige Störungen in der Zukunft zu verhindern. Dies gelte dann nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien, so das Gericht. Eine solche „menschlich-händische Einzelfallbewertung“ sei einer Plattform wie Facebook in Kombination mit technischen Verfahren, welcher bereits hochgeladene Inhalte automatisch erkennen, zumutbar. Auch könne, nach Ansicht des Senats, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) eine automatische Vorfilterung erfolgen.
Den Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung verneinte das Oberlandesgericht. In diesem Punkt war die Berufung von Meta Platforms erfolgreich.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG Frankfurt/Main hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
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