Haftet Papa für mich mit? - Abmahnung wegen Filesharing über den Internetanschluss des Familienoberhaupts
Fallen beim Betrieb von W-Lan und die Haftung für die eigenen Kinder
von Rechtsanwalt Dr. Thomas Engels, LL.M.
Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass die Nutzung von Filesharing-Programmen mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist. Da die Dateien, die gerade heruntergeladen werden auch immer allen anderen Usern zum Download bereitstehen – dies ist das Prinzip des Filesharings – liegt hier bei urheberrechtlich geschütztem Material auch immer eine Rechtsverletzung vor, da das Bereithalten zum Download in das Recht des Urhebers aus § 19a UrhG eingreift. Verfolgt werden derartige Verstöße dann für gewöhnlich durch eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und mittels einer Abmahnung, in der zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert wird.
Oftmals gestalten sich die Fälle dann jedoch so, dass das ahnungslose Familienoberhaupt Post bekommt und gar nicht recht damit etwas anzufangen weiß. Denkbar sind zwei Fälle: Der Familienrat tritt zusammen und etwas kleinlaut geben die Kinder im Haushalt zu, derartige Programme installiert und auch fleißig genutzt zu haben. Oder aber man lässt einen Fachmann ermitteln, dass sich möglicherweise über ein un- oder unzureichend gesichertes Wireless-Lan Netzwerk unbekannte Dritte Zugang zum Internetanschluss verschafft haben. Es stellt sich für den Anschlussinhaber dann die entscheidende Frage – haftet er hierfür? Und vor allem: Müssen die Abmahnkosten beglichen werden?
Derzeit erhitzen die Entscheidungen zweier Gerichte die Gemüter, wie sie wiederum unterschiedlicher nicht sein könnten. Das LG Hamburg hat in der Entscheidung 308 O 139/06 die Haftung für die Rechtsverletzung der im Haushalt lebenden Kinder bejaht, in der Entscheidung 308 O 407/06 die Haftung für ein ungesichertes W-Lan. Dem entgegen tritt das LG Mannheim mit den Entscheidungen 7 O 76/06 und 2 O 71/06, die eine völlig gegensätzliche Auffassung erkennen lassen.
Anknüpfungspunkt sind hier jeweils die Prüfungspflichten des Anschlussinhabers gewesen, der den Zugang zu seinem Anschluss eröffnet hat. Stellt sich in der einen Frage die schon oft gestellte Frage, ob Eltern tatsächlich für ihre Kinder haften, so wirft die andere Problematik doch noch weitere erhebliche Fragen auf. Denn hier stellt sich die Frage, ob ein Verbraucher sich tatsächlich bei dem Kauf von technischen komplizierten Geräten wie W-Lan-Equipment zugemutet werden kann, sich um Dinge wie eine möglicherweise schon veraltete Verschlüsselung zu kümmern. Allein die Inbetriebnahme stellt die Verbrauchern schon oft vor große Probleme.
Eine pauschale Aussage kann hier sicherlich nicht getroffen werden. Viel ist hier von der Einzelfallkonstellation abhängig. Sicherlich kann den technisch nicht versierten Eltern zugemutet werden, für Ihre Kinder zu haften, die das notwendige Wissen an anderer Stelle erworben haben. Zudem kann auch kein Internetnutzer dazu genötigt werden, aktuelle Security-Mailinglisten zu abonnieren, nur um festzustellen, ob sein W-Lan noch sicher ist.
Im Ernstfall muss daher sorgsam abgewogen werden, welcher Weg hier eingeschlagen wird – es droht immer die Gefahr, dass der Verletzte für eine einstweilige Verfügung die Gerichtsbarkeit in Hamburg heranzieht. Und das ist dann mit höheren Kosten als die reine Abmahnung verbunden.
Update:
Zwei neue Entscheidungen aus den letzten Monaten haben ein neues Licht auf die Diskussion geworfen. In einem Urteil des LG München, 7 O 2827/07 beschäftigte sich die Kammer mit der Frage, ob ein Radiosender für die Urheberrechtsverletzungen eines Mitarbeiters haftet, der über den geschäftlichen Internetanschluss des Senders ein Tauschbörsenprogramm betrieben hatte. In der negativen Feststellungsklage obsiete nun der Radiosender - die Richter urteilten, dass ein Grund für eine Haftung nicht bestehe.
Zudem gibt es nun die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob ein Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen von Familienmitgliedern haftet, die über den Anschluss Urheberrechtsverletzungen begehen. Das OLG Frankfurt, 11 W 58/07 ist der Auffassung, dass die sogenannte Störerhaftung nur in Betracht kommt, wenn der Anschlussinhaber Prüfungspflichten verletze, dies sei aber im konkreten Fall nicht so gewesen.
Daher könnte sich die Haltung der Gerichte nun zu Lasten der Rechteinhaber umkehren. Da hier eine erste obergerichtliche Entscheidung vorliegt bleibt für die Anschlussinhaber zu hoffen, dass sich hier weitere Gerichte dieser Linie anschließen.
Update 2:
Eine Entscheidung des LG München I, Urteil vom 19.06.2008, Az.: 7 O 16402/07 hat erneut für großen Wirbel in dieser Frage gesorgt. Das Gericht hat hier eine Haftung der Eltern als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen ihrer - minderjährigen - Tochter bejaht. Das Gericht stuft den PC als "Gefahrenquelle" ein, die es erforderlich mache, dass hier den dadurch entstehenden Überwachungspflichten Genüge getan wird.
Das Gericht geht jedoch hier auf einen bislang in der Rechtssprechung sträflichst vernachlässigten Themenkomplex ein - den Bereich der Erziehungspflichten. Bislang haben die Gericht nahezu ausnahmslos die Auffassung vertreten, dass nur eine technische Sperre ausreichen soll, um die Haftung auszuschließen. Dies wurde vor allem für den Bereich des Filesharings entschieden, da es dort einfacher möglich ist, technische Sperren einzurichten.
Der hier entschiedene Fall zeigt jedoch, dass diese Betrachtung den Besonderheiten der jeweiligen Fälle nicht gerecht wird. Denn hier ging es um hochgeladene Dateien in Videoplattformen - anbetracht der im Internet existierenden unüberschaubaren Zahl von Plattformen und auch Videoformaten ist hier eine technische Sperre nur schwer vorstellbar.
Damit einhergehend beschäftigt sich das Gericht nun mit der Frage, welche Dinge denn die Eltern bei der Erziehung beachten müssen. Die entscheidende Kammer hat hier klargestellt, dass es als Minimum zu betrachten ist, dass eine Unterweisung der Kinder in die Risiken und rechtlichen Pflichten beim Umgang mit dem Internet stattfindet.
Zu Recht wird in der Entscheidung thematisiert, dass der Sprößling möglicherweise einen umfassenderen Kenntnisstand in Sachen Technik habe als die Eltern. Wenn diese aber vorbringen, dass die urheberrechtliche Problematik in den Medien omnipräsent gewesen sei, so müssen sie sich auch die Frage gefallen lassen, warum sie dann keine Unterweisung vorgenommen haben.
Das Urteil wird bereits an vielen Stellen als "Grundsatzentscheidung" bezeichnet - das ist sie mit Sicherheit auch. Zwar wurde die Haftung der Eltern in diesem Falle bejaht. Aber das Urteil ermöglicht einen wesentlich differenzierteren Umgang mit den Erziehungspflichten der Eltern.
Über weitere Entscheidungen halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden!