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Was passiert mit dem einfachen Nutzungsrecht, wenn das ausschließliche Nutzungsrecht wegfällt?

Sukzessionsschutz oder Rechtefortfall?

Sukzessionsschutz Lizenzketten RechtefortfallZu den Urteilen des BGH vom 26.03.2009 (Az.: I ZR 153/06 - "Reifen Progressiv"), 19.07.2012 (Az.: I ZR 24/11 - "Take Five") und 19.07.2012 (Az.: I ZR 70/10 - "M2Trade")

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Dr. Volker Herrmann

Der BGH hat diesen Sommer wieder zu der Frage entschieden, was bei Lizenzrechteketten geschieht, wenn ein mittleres Glied wegfällt. Maßgebliche Entscheidungen sind hierbei das Urteil "Reifen Progressiv" aus dem Jahre 2009 sowie die Urteile "Take Five" und "M2Trade" aus diesem Jahr. Grundfrage ist jedes Mal: Wenn ein ausschließliches Nutzungsrecht untergeht, soll dann auch das hieraus abgeleitete Nutzungsrecht erlöschen? 

Die Fallkonstellation

In allen drei Fällen ging darum, dass Urheber ihrem Vertragspartner ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hatten. Diese Lizenzinhaber hatten wiederrum an Dritte ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt. In der Folge kam es aus unterschiedlichen Gründen dazu, dass das ausschließliche Nutzungsrecht erlosch. Bei "Reifen Progressiv" rief der Urheber das auschließliche Nutzungsrecht wegen Nichtausübung zurück; bei "Take Five" wurde der Vertrag zwischen Urheber und Erstlizenznehmer durch einen Vergleich beendet; im Falle von "M2Trade" erlosch die Hauptlizenz durch Kündigung. Die Inhaber der einfachen Nutzungsrechte wurden dann urheberrechtlich in Anspruch genommen. Die jeweiligen Kläger waren der Ansicht, dass gleichzeitig mit dem Erlöschen der Hauptlizenz auch die Unterlizenz nicht mehr bestand. Die Beklagten hätten deshalb ohne Berechtigung gehandelt.

Hintergrund: einfaches und ausschließliches Nutzungsrecht

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An urheberrechtlich geschützten Werken können Nutzungsrechte eingeräumt werden. Je nach Umfang und Berechtigung wird dabei zwischen einem ausschließlichen und einem einfachen Nutzungsrecht unterschieden. Ein ausschließliches Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, jeden anderen von der Nutzung auszuschließen und selbst zu entscheiden, wer in welchem Umfang das Werk nutzen kann. Er kann auch selbstständig an Dritte Rechte einräumen. Diese Möglichkeit hat der Inhaber eines einfachen Nutzungsrechts nicht. Er kann das Werk nur in dem Umfang nutzen, wie es ihm entweder vom Urheber selbst oder dem Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts gestattet wurde. Außerdem kann er andere nicht von der Nutzung ausschließen.

In dem der Entscheidung "Reifen Progressiv" zugrunde liegenden Fall wurde das einfache Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt. Bei "Take Five" und "M2Trade" geschah die Rechteeinräumung gegen Beteiligung an den Lizenzerlösen.

Wieso kann ein ausschließliches Nutzungsrecht wegfallen?

Ein Nutzungsrecht kann entweder bereits nur auf Zeit vereinbart sein oder bereits vorher wieder erlöschen. Grund hierfür kann eine vertragliche Vereinbarung sein oder gesetzliche Gründe, wie zum Beispiel Nichtausübung nach § 41 UrhG, gewandelte Überzeugung nach § 42 UrhG sowie Entstellung nach § 14 UrhG.

Dabei kann je nach Fallkonstellation das Nutzungsrecht entweder beschränkt werden oder ganz erlöschen. Der ursprüngliche Rechteinhaber verliert seine Nutzungsbefugnis dann in diesem Umfang. Die weitere Frage ist dann in diesem Fall, welche Folgen dies für die einfachen Nutzungsrechte hat, die sich hieraus ableiten. Der Inhaber des einfachen Nutzungsrechts hätte dieses ohne das ausschließliche Nutzungsrecht möglicherweise nämlich nicht eingräumt bekommen. Der Urheber kann ein Interesse daran haben, dass auch das einfache Nutzungsrecht erlöscht. Der Inhaber des einfachen Nutzungsrechts dagegen kann ein Interesse daran haben, dass seine Rechtsposition weiter besteht, weil er investiert hat.

Die Urteile im Detail

In der Entscheidung "Reifen Progressiv" entschied der BGH, dass trotz Wegfall des ausschließlichen Nutzungsrechts das einfache Nutzungsrecht nicht untergeht. Damit schließt sich das Gericht der Meinung an, die einen Interessenschutz des Zweitlizenznehmers annimmt. Grund hierfür sei auch, dass die Rechteeinräumung zwischen dem Erstlizenznehmer und dem Zweitlizenznehmer auf einem zwischen diesen beiden geschlossenen Vertrag beruht. Dieser dürfe aber nicht einfach so durch das Schicksal des ersten Vertrages zwischen Urheber und Erstlizenznehmer beeinträchtigt werden. Der spätere Wegfall der Berechtigung des Verfügenden lasse die Wirksamkeit seiner früheren Verfügungen unberührt.

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Da Nutzungsrechte immer auch von dem eigentlichen Urheberrecht abgespalten sind, geht der BGH davon aus, dass auch die einmal wirksam eingeräumten einfachen Nutzungsrechte rechtlich selbstständig seien und vom Fortbestand des ausschließlichen Nutzungsrechts unabhängig seien. Eine eindeutige Regelung zu diesem Fall wurde nicht getroffen, deshalb komme es auf eine Interessenabwägung an. Bei der Rückrufregelung des § 41 UrhG könne der Urheber weiterhin jeden anderen von der Nutzung ausschließen und das Werk nach seinem Belieben nutzen. Er müsse es aber hinnehmen, wenn sein Recht nunmehr mit einem einfachen Nutzungsrecht belastet ist, da er dem Erstlizenznehmer erlaubt habe, einfache Nutzungsrechte einzuräumen.

Bei "Take Five" entschied der BGH, dass auch bei einer dauerhaften Lizenzbeteiligung ein vertrauensschutz angenommen werden muss. Dies leite sich aus dem Grundsatz des Sukzessionsschutzes ab. Dieser besagt, dass einmal eingeräumte Rechte auch beständig sein sollen, um dem Inhaber die Amortisierung seines wirtschaftlichen Aufwands zu ermöglichen. Er gelte für ausschließliche wie für einfache Nutzungsrechte gleichermaßen. Allerdings räumt der BGH hier auch ein, dass das schutzwürdige Amortisierungsinteresse in diesem Fall kleiner sein kann, da nur eine fortlaufende Erlösbeteiligung vereinbart sei. Der Investitutionsschutz kann gegenüber eine vollständig abbezahlten Lizenz kleiner sein.

Im Falle "M2Trade" führte der BGH dies noch genauer aus. Bei einer Erlösbeteiligung des Unterlizenznehmers habe der Urheber gegenüber dem ursprünglichen Hauptlizenznehmer einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Lizenzzahlungen. Dies lasse das Interesse des Urhebers gegen den Sukzessionsschutz zurück treten. Für den Unterlizenznehmer spreche dabei, dass dieser den Wegfall des Vertrages zwischen Urheber und Hauptlizenznehmer in der Regel nicht beeinflussen kann und sich deshlab auch wirtschaftlich nicht auf diese Situation einstellt.

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Konsequenzen

Aus den Urteilen lässt sich grundsätzlich die Entscheidung des BGH zugunsten des Sukzessionsschutzes ableiten. Wer also einmal rechtmäßig ein Nutzungsrecht eingeräumt bekommt, soll dieses auch weiterhin ausüben können, selbst wenn das Verfügungsrechts des Einräumenden später wegfällt. Allerdings muss dieses Verfügungsrecht auch tatsächlich bestehen. Der BGH nimmt also keinen gutgläubigen Erwerb im Urheberrecht an, sondern lediglich ein grundsätzlich geschütztes Vertrauen des Unterlizenznehmers in den Bestand seines einfachen Nutzungsrechts.

Weiterhin kann es im Einzelfall aber darauf ankommen, ob die Einräumung des einfachen Nutzungsrechts gegen eine einmalige finanzielle Abgeltung oder die fortlaufende Beteiligung an den Erlösen der wirtschaftlichen Verwertung vereinbart wurde. In letzterem Fall kann das Vertrauen niedriger sein, weil der Rechteinhaber seine finanziellen Aufwendungen nicht amortisieren muss. Kritisch hierzu lässt sich aber auch anmerken, dass bei einer Erlösbeteiligung der Unterlizenznehmer auch ein wirtschaftliches Risiko eingeht: Ihm obliegt gleichermaßen die Vermarktung des Werkes. Dies lässt sich untermauern mit dem Argument des BGH, dass der Urheber schließlich gegenüber dem ursprünglichen Hauptlizenznehmer bereicherungsrechtliche Ansprüche haben kann. Damit ist aber vor allem das wirtschaftliche Interesse des Urhebers genügend geschützt. 

In der Zukunft dürfte die Frage spannend sein, wann Ausnahmen vom Sukzessionsschutz in dieser Konstellation anzunehmen sind. Wir halten Sie dazu auf dem Laufenden!