Betriebs-Geschäftsgeheimnisse: Die neue EU-Richtlinie. Anforderungen an einen wirksamen Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Teil 1: Wann ist ein Geheimnis ein Geheimnis?
Betriebliches Know-how kaufmännischer oder technischer Art ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Dieser Vorteil ist geradezu existenziell, um sich im internationalen Wettbewerb gegenüber Mitbewerbern zu behaupten. Denn gerade in unserer digitalen Zeit kommt dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen eine steigende Bedeutung zu.
Dieser Entwicklung trägt nun auch der europäische Gesetzgeber Rechnung. Auf Initiative der EU-Kommission hat er einen Richtlinienvorschlag zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in das europäische Gesetzgebungsverfahren eingebracht, welcher am 08. Juni 2016 im europäischen Parlament behandelt wird.
Zunächst werden die wesentlichen Neuerungen (I.) des Richtlinienentwurfs dargestellt und in der Folge im Teil 2 die praktischen Auswirkungen und Konsequenzen (II.) auf Unternehmensebene erläute
Wesentliche Neuerungen
1. Definition des Geschäftsgeheimnisses
Der Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst Vorschriften für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb, rechtwidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung. Hierzu definiert der europäische Gesetzgeber den Begriff des „Geschäftsgeheimnisses“ in Art. 2 der Richtlinie, welche im Folgenden vereinfacht dargestellt wird:
Geschäftsgeheimnis sind alle Informationen, a) die geheim, b) von kommerziellen Wert sind und c) die „Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen der Person sind, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt“.
Auf den ersten Blick wird der Eindruck erweckt, die Definition des „Geschäftsgeheimnisses“ enthalte keine Neuerrungen. Dabei enthält die Definition Veränderungen von entscheidender Tragweite für die Unternehmenspraxis. Die obige vom europäischen Gesetzgeber gewählte Definition des Geschäftsgeheimnisses entspricht zwar dem Wortlaut des Art. 39 TRIPS (dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums). Allerdings ist es verfehlt daraus abzuleiten, dass die Definition des „Geschäftsgeheimnisses“ auch deckungsgleich mit der des deutschen Rechts ist. Denn im Laufe der Jahre hat die deutsche Rechtsprechung zu § 17 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) eine eigenständige Definition des Begriffs „Geschäftsgeheimnisses“ entwickelt.
„Vereinfacht dargestellt liegt demnach nach deutschem Recht ein Geschäftsgeheimnis vor, wenn Tatsachen betroffen sind, die a) nicht offenkundig, b) die nach dem erkennbaren Willen des Inhabers geheim gehalten werden sollen und c) an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse steht“.
2. bisherige deutsche Rechtsprechung
Die vorstehende Definition erfordert unter b) einen erkennbaren Geheimhaltungswillen des Geheimnisträgers. Allerdings sind an das Vorliegen eines solchen Willens nach gegenwärtiger Rechtslage keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Denn es gilt nach der gefestigten deutschen Rechtsprechungslinie die Vermutung, dass alle nicht offenkundigen Betriebsinterna einem subjektiven Geheimhaltungswillen unterliegen. Selbst das Fehlen von objektiv getroffenen Geheimhaltungsvereinbarungen ist nicht hinreichend, um den Glauben in den vermuteten Geheimhaltungswillen zu erschüttern. Demzufolge ist es nach bisheriger Rechtsprechungslage völlig ausreichend, dass sich der entsprechende Wille aus der Natur der Sache ergibt.
3. Bewertung
Im direkten Vergleich der Definitionen fällt sofort auf, dass der europäische Gesetzgeber nicht einem dem deutschen Recht bereits bekannten Geheimhaltungswillen per Definition voraussetzt, sondern zukünftig darüberhinausgehende Geheimhaltungsschutzmaßnahmen zum Schutz vor Geschäftsgeheimnissen erfordert.
Das zukünftige Erfordernis von „Geheimhaltungsschutzmaßnahmen“ stellt ein neues Voraussetzungskriterium für die Annahme von Geschäftsgeheimnissen dar und wird sich weitreichend auf das deutsche Recht auswirken. Denn aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts wird die im Richtlinienentwurf vorhandene europäische Definition des „Geschäftsgeheimnisses“ uneingeschränkt in den EU Mitgliedstaaten gelten und die durch die Rechtsprechung entwickelte deutsche Definition überlagern.
Insoweit stellt sich die Frage, welche Anforderungen der europäische Gesetzgeber zukünftig an das Kriterium der „angemessenen Geheimhaltungsschutzmaßnamen“ für einen wirksamen Geheimnisschutz von Geschäftsgeheimnissen auf Unternehmensebene stellt. Der europäische Gesetzgeber schweigt hierzu jedoch. Weder dem Normtext der Richtlinie noch den Erwägungsgründen des Richtlinienentwurfs sind nähere Erläuterungen zu entnehmen, welche Kriterien, auch aus prozessualer Sicht, an die Angemessenheit der konkret getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen zu stellen sind. Die konkrete Umsetzung der Richtlinie schafft somit einen erheblichen Rechtsunsicherheitsfaktor. Niemand kann aktuell vorhersagen, welcher Maßstab zur Bewertung der Angemessenheit von Geheimhaltungsschutzmaßnahmen im konkreten Einzelfall herangezogen wird.
Dabei ist dem Wortlaut der Richtlinie schon jetzt eindeutig zu entnehmen, dass zukünftig handfeste, greifbare und beweisbare Geheimhaltungsmaßnahmen verlangt werden. Prozessual hat dies für den Geheimnisträger zukünftig die unangenehme Folge, dass dieser als darlegungs- und beweisbelastete Partei dezidiert zu den objektiv ergriffenen Geheimhaltungsmaßnahmen wird vortragen müssen. Dieser Vortrag kann nur dann Erfolg haben, wenn die konkret getroffenen Maßnahmen objektiver Natur sind und damit in letzter Konsequenz als Tatsachenvortrag vor Gericht greifbar und beweisbar sind.
Damit stellt die neue Regelung des Richtlinienentwurfs den Geheimnisträger prozessual deutlich schlechter. Denn nach der bisherigen Gesetzeslage traf den Geheimnisträger lediglich eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast für den Fall, dass der Verletzer den Nachweis der Offenkundigkeit des Geschäftsgeheimnisses im Prozess erbringen konnte.
Wohingegen der neue Richtlinienentwurf den Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsschutzmaßnahmen“ als zusätzliches Definitionskriterium des „Geschäftsgeheimnisses“ einführt. Allein diese zusätzliche Voraussetzung könnte schon als Indiz dafür gewertet werden, dass die zukünftigen Anforderungen an einen wirksamen Geheimnisschutz deutlich höher anzusiedeln sind als im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Zudem besteht die Gefahr einer nicht vorhersehbaren Splitter-Rechtsprechung. Künftig müssen die Gerichte im konkreten Einzelfall klären, wann eine konkrete Geheimhaltungsschutzmaßnahme den Umständen entsprechend als angemessen bewertet wird.
Für die Unternehmenspraxis ist es daher unerlässlich die aktuell im Unternehmen getroffenen Maßnahmen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen an die erhöhten Anforderungen des Begriffs „der angemessenen Geheimhaltungsschutzmaßnahmen“ anzupassen.
In der Fortsetzung – dem Teil 2 erläutern wir die praktischen Auswirkungen und Konsequenzen auf Unternehmensebene. Soviel sei schon verraten: Es lohnt sich aus unternehmerischer Sicht gleich in doppelter Weise:
1. Durch den Anpassungsprozess an die neuen gesetzlichen Regelungen erlangt der Geheimnisträger ein höheres Schutzniveau von Betriebsgeheimnissen auf Unternehmensebene.
2. Durch einfache Vorkehrungen auf Unternehmensebene können die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens wegen Geheimnisverrat ungemein gesteigert werden
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