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BGH entscheidet erste Verfahren zum Influencer-Marketing

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Rechtsanwalt Christian Schwarz LL.M.

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Influencer-Marketing: Es ist doch nicht alles Werbung

Von Rechtsanwalt Christian Schwarz, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Die ersten drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Werbekennzeichnung im „Influencer-Marketing“ sind ergangen. Am 9. September 2021 verkündete der I. Zivilsenat seine Urteile in Bezug auf die Influencerinnen Luisa-Maxime Huss (Az. I ZR 90/20), Leonie Hanne (Az. I ZR 125/20) sowie Cathy Hummels (Az. I ZR 126/20). Zu den Einzelheiten der drei Fälle und den Vorinstanzen haben wir bereits berichtet. Die Erwartungshaltung an die BGH-Entscheidungen, welche noch nicht im Volltext vorliegen, war hoch. Wir stellen dar, ob sie nun die nötige Klarheit im „Influencer-Marketing“ bringen oder nicht.

Worüber hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden?

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die konkret veröffentlichten Beiträge der drei Influencerinnen bei Instagram als Werbung hätten gekennzeichnet werden müssen. Geklagt hatte jeweils der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW), welcher in den Veröffentlichungen eine unzulässige Schleichwerbung sah. Einige Veröffentlichungen waren mit sog. „Tap Tags“ versehen, welche beim „Antippen“ des Bildes erscheinen und die Namen von Produktherstellern zeigen. Klickt man auf diese „Tap Tags“, so wird man auf das Instagram-Profil des jeweiligen Herstellers geleitet. In zwei Fällen hatten die Beklagten keine Gegenleistung für ihre Veröffentlichung enthalten, in einem Fall wurde ein Honorar gezahlt. Die Vorinstanzen – die Oberlandesgerichte in Braunschweig, Hamburg und München – hatten unterschiedlich geurteilt, weshalb die Verfahren beim BGH landeten.

Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der BGH unterschied in den drei Urteilen zwischen der „Werbung für das eigene Unternehmen“, also die Steigerung der eigenen Bekanntheit und des eigenen Werbewerts, sowie zwischen der „Werbung für dritte Unternehmen“.

1. Werbung für dritte Unternehmen

Der BGH entschied, dass eine Werbekennzeichnung grundsätzlich dann zu erfolgen habe, wenn die Influencerin oder der Influencer für die Veröffentlichung eine Gegenleistung von einem dritten Unternehmen erhalten hat – außer, der kommerzielle Zweck ergibt sich bereits aus den Umständen. Aus diesem Grund gab der BGH im Fall von Luisa-Maxime Huss dem klagenden Verband recht und bestätigte somit die Entscheidung des OLG Braunschweig (Urteil vom 13. Mai 2020, Az. 2 U 78/19).

Hat die Influencerin oder der Influencer hingegen keine Gegenleistung erhalten, ist eine Werbekennzeichnung dann nicht erforderlich, wenn ein „werblicher Überschuss“ nicht vorliegt. Das sei nur dann der Fall, wenn „dieser Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt“. Der Umstand, dass bestimmte Veröffentlichungen mit „Tap Tags“ versehen seien, genüge für die Annahme des werblichen Überschusses nicht. Anders sei dies wohl bei einer Verlinkung auf die Internetseite eines Herstellers zu sehen.

Sei ein „werblicher Überschuss“ nicht anzunehmen und wurde auch keine Gegenleistung für die Veröffentlichung gezahlt, sei eine Werbekennzeichnung nicht erforderlich. In diesem Fall würde die Veröffentlichung den Vorschriften des Telemediengesetzes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG) sowie des Medienstaatsvertrags (§ 22 Abs. 1 S. 1 MStV) genügen. Mangels Gegenleistung eines Dritten, würden die Veröffentlichungen keine kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung darstellen. Da die beiden Influencerinnen Hummels und Hanne keine Gegenleistung für die streitgegenständlichen Beiträge erhalten hätten, sei eine Kennzeichnung nicht erforderlich gewesen. Der BGH bestätigte somit im Kern auch die Entscheidungen des OLG Hamburg (Urteil vom 2. Juli 2020, Az. 15 U 142/19) und des OLG München (Urteil vom 25. Juni 2020, Az. 29 U 2333/19).

2. Werbung für das eigene Unternehmen

Soweit Werbung für das eigene Unternehmen der jeweiligen Beklagten erfolge, sei in den Fällen von Hanne und Hummels auch kein Verstoß gegen die Vorschriften des UWG anzunehmen. Der kommerzielle Zweck ergebe sich nämlich „nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen“. Es sei also offensichtlich, dass mit den Accounts Werbung in eigener Sache betrieben würde. Die Oberlandesgerichte München und Hamburg hatten diesbezüglich unter anderem argumentiert, dass sich die Offensichtlichkeit bereits aus der hohen Anzahl der Follower, dem blauen Verifizierungshaken bei Instagram oder der professionellen Aufmachung der Bilder ergeben könne.

Fazit

Dass die Entscheidungen nunmehr in allen Fragen die erhoffte Rechtsklarheit erbringen, ist wohl nicht zu erwarten. Bislang liegt jedoch nur die Pressemitteilung des BGH vor. Der Volltext der drei Urteile wurde, wie üblich, noch nicht veröffentlicht. Erst dann wird eine genaue Betrachtung der Rechtslage möglich sein, so dass aktuell nur eine grobe Einschätzung möglich ist.

Aus der Pressemitteilung lässt sich nunmehr bereits herauslesen: Eine Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der Werbung für Dritte besteht nach Ansicht des BGH dann, wenn für die Veröffentlichung eine Bezahlung erfolgt ist. Ohne Gegenleistung wird bei Social-Media-Veröffentlichungen – nach den vorrangigen Vorschriften des TMG und des MStV – eine Kennzeichnungspflicht nicht notwendigerweise anzunehmen sein, solange nicht von einem sog. „werblichen Überschuss“ auszugehen ist. Wann von einem solchen „werblichen Überschuss“ auszugehen ist, wird – zumindest aus der Pressemitteilung – nicht hinreichend deutlich. Sollten die vollständigen Urteilsgründe hier wenig Klarheit bringen, dürften diesbezüglich weitere Unsicherheiten beim „Influencer-Marketing“ bleiben. Im Zweifel ist es also ratsam, Beiträge weiterhin als Werbung zu kennzeichnen.

Nicht klar ist zudem weiterhin, in welcher Form und an welcher Stelle eine Werbekennzeichnung zu erfolgen hat – sofern diese erforderlich ist. Jedoch liegen derzeit noch weitere Entscheidungen zur Beurteilung beim BGH, unter anderem das Urteil des OLG Köln im Fall von Diana zur Löwen (Urteil vom 19. Februar 2021, Az. 6 U 103/20) sowie des OLG Karlsruhe im Fall von Pamela Reif (Urteil vom 9. September 2020, Az. 6 U 38/19), welche mehr Rechtssicherheit bringen könnten. Ein Verhandlungstermin für diese Revisionsverfahren steht aktuell noch nicht fest.

Im Mai 2022 tritt allerdings auch das – durchaus kontrovers diskutierte – Influencer-Gesetz im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes“ in Kraft: Es handelt sich um eine Anpassung des § 5a UWG. Dieser sieht sodann vor, dass ein kommerzieller Zweck bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens dann nicht vorliegt, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Das Gesetz enthält zudem die – widerlegbare – Vermutung, dass der Influencer eine Gegenleistung erhalten oder versprochen bekommen hat.

Das Kapitel zur Werbekennzeichnung im Influencer-Marketing ist demnach noch nicht abgeschlossen.

Update (23. September 2021): Die Urteilsgründe des BGH zu den drei Verfahren liegen nunmehr im Volltext vor. An dieser Stelle können Sie sie finden.

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