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Muss beworbene Ware auch immer sofort lieferbar sein?

Muss beworbene Ware auch immer sofort lieferbar sein?

Ein neues BGH-Urteil weist den Weg

von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann

In einem mit Spannung erwarteten Urteil (Az.: I ZR 120/04) hat sich das höchste deutsche Zivilgericht mit der Frage beschäftigt, ob eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Irreführung des Verbrauchers anzunehmen ist, wenn der Hersteller in einer Werbeanzeige für ein Luxusgut wirbt, das Produkt in den entsprechenden Fachgeschäften aber noch gar nicht verfügbar ist.

Weltreiterspiele und Rolex

Konkret hatte der Uhrenhersteller Rolex in einer Zeitschrift eine Werbeanzeige geschaltet, in der für das Uhrenmodell „Rolex GMT Master II“ geworben wurde. Dabei wurde die Abbildung eines Reiters im Rahmen der Weltreiterspiele im spanischen Jerez mit der Abbildung der Uhr kombiniert. Hinweise darauf, wo man die Uhr erwerben konnte und wie lange die Lieferzeiten sind, enthielt die Anzeige nicht.

Das Modell (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers zwischen 5.360 € und 5.780 €) war zum Zeitpunkt der Werbung auch bei den jeweiligen Fachhändlern noch gar nicht verfügbar. Genau dagegen richtete sich die Klage eines Konkurrenten. Dieser machte nämlich geltend, dass die angegriffene Werbung irreführend und damit wettbewerbswidrig sei. Ein durchschnittlicher Verbraucher würde die Anzeige nämlich so verstehen, dass die konkret abgebildete Uhr tatsächlich auch zum Verkauf angeboten werden soll.

Die entsprechende hoffnungsfrohe Erwartung des interessierten Kunden werde dann aber im Uhrengeschäft enttäuscht. Zudem bestehe auch die Gefahr, dass das Interesse des Verbrauchers durch das dortige Fachpersonal sodann auf andere Rolex-Produkte gelenkt werden könnte.

Wann ist eine Werbung irreführend?

Grundsätzlich ist es so, dass eine unerlaubte Irreführung immer dann angenommen wird, wenn beworbene Waren, die zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch bestimmt sind, entgegen der Erwartung des Verbrauchers zum angekündigten oder den Umständen nach zu erwartenden Zeitpunkt nicht vorrätig sind und somit nicht zur sofortigen Mitnahme bereit stehen. Dabei kommt es immer darauf an, wie der angesprochene Verkehr die Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks verstehen würde.
Unzulässig sind vor diesem Hintergrund zunächst die so genannten Lockvogel-Angebote, bei denen ein Händler mit einem besonders günstigen Angebot wirbt, dieses tatsächlich aber nur in ganz geringer Stückzahl vorrätig hat und dabei hofft, dass der Kunde dann eben andere – nicht so günstige – Waren bei ihm erwirbt.

Beispielsweise hielt das OLG Frankfurt (15 U 134/00) eine Werbung für unzulässig, in der im Prospekt beworbene DVD innerhalb weniger Stunden bereits ausverkauft war. Auch besonders günstige Digitalkamera für 100 Euro, die sonst über 200 Euro kostet, darf also nicht nur einmal auf Lager sein. Der Händler muss die Kamera vielmehr in einer angemessenen Zahl vorrätig halten, sonst ist die Werbung als wettbewerbswidrig anzusehen.

Die gleichen Grundsätze dürften übrigens auch im nach wie vor heiß umkämpften Segment der Preissuchmaschinen im Internet. Ein dort gelisteter Verkäufer handelt wettbewerbswidrig, wenn er sich gegenüber der Konkurrenz dadurch einen Vorteil verschafft, dass er Waren als „vorrätig“ anpreist, die er in Wahrheit er noch vom Hersteller beschaffen muss oder, wenn er zu kurze Lieferzeiten angibt.

Geringere Anforderungen bei Herstellerwerbung

Die oben genannten Beispiele unterscheiden sich aber vom Rolex-Fall dadurch, dass die Werbung hier nicht von einem Händler, sondern vom Hersteller des Produktes selbst ausging. Die für Händler geltenden Grundsätze können nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht „eins zu eins“ auf die Werbung eines Herstellers angewandt werden. Der BGH führt dazu zunächst aus, dass der von der Werbung angesprochene Verkehr die Werbung zunächst als solche des Herstellers erkennen könne, ihm also klar sei, dass sie nicht bloß von einem Händler stamme. Dem angesprochenen Kundenkreis sei ebenso klar, dass ein Hersteller die Verfügbarkeit eines Produktes bei den entsprechenden Händlern nicht ohne weiteres steuern könne.

Bei der Werbeanzeige war zudem nicht einmal der Preis der Uhr genannt worden. Hieraus schlossen die Karlsruher Richter, dass es sich auch nicht um ein konkretes Warenangebot gehandelt hatte. Von Bedeutung ist nach Ansicht des BGH schließlich auch die Art des Produktes. Bei der abgebildeten und beworbenen Uhr handele es sich um ein hochpreisiges und exklusives Luxusprodukt, bei dem der Verkehr im Allgemeinen ohnehin nicht erwarte, dass Waren in erheblichem Umfang im Uhrengeschäft vorgehalten werden.

Praktische Auswirkungen des Urteils

Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH die bisherige Rechtsprechung zur Irreführung über die Verfügbarkeit von Waren weiter verfeinert. So ist nunmehr grundsätzlich zwischen Werbung durch Händler und solcher des Herstellers zu unterscheiden. Anders als der Händler kann der Hersteller eines Produktes dessen tatsächliche Verfügbarkeit naturgemäß nicht ohne Weiteres sicherstellen. Während es deshalb bei der Händlerwerbung bei den bekannten Grundsätzen bleibt, gilt für die Herstellerwerbung prinzipiell ein großzügigerer Maßstab.

Jedoch hat der BGH klargestellt, dass es auch hier immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Maßgeblich ist daher letztlich immer, wie der von der Werbung konkret angesprochene Verkehrskreis die jeweilige Werbemaßnahme auffasst. Ein werbender Hersteller, der – beispielsweise durch Nennung bestimmter Fachhändler – beim Publikum den Eindruck vermittelt, dass sein Produkt tatsächlich bereits verfügbar ist, muss rechtlich für diese Werbeaussage dann auch gerade stehen.

Für Händler gelten dabei auch weiterhin die Grundsätze aus der Kaffeemaschinen-Entscheidung aus dem Jahr 2005 (Az.: I ZR 314/02). Dort hatte ein Online-Shop Kaffeemaschinen angeboten, ohne dabei zu erwähnen, dass die bestellten Geräte erst nach vier Wochen lieferbar waren.

Dies hielten die Richter in Karlsruhe für unzulässig. Zugunsten der Verbraucher urteilte der BGH, dass die beworbene Ware auch unverzüglich lieferbar sein muss, wenn nicht der Webshop ausdrücklich auf längere Lieferfristen hinweist. Ob der Online-Shop dabei zunächst selbst die Waren bei einem Dritten abrufen muss, spielt nach Ansicht des BGH keine Rolle. Immerhin urteilte der BGH zugunsten des Shopbetreibers, dass ein leicht erkennbarere Link, über den die Informationen zu den Lieferzeiten abrufbar sind, ausreichend ist.