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Fiktive Bewerbung ohne konkreten Anlass ist rechtsmissbräuchlich - Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil 9. April 2014, Az.: 3 Sa 401/13

Leitsätzliches

1. Allein das Bestehen eines Altersunterschiedes zwischen zwei Bewerbern stellt prinzipiell kein hinreichendes Indiz dar, das eine ungünstigere Behandlung wegen eines verbotenen Merkmals im Sinne der §§ 1,3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG vermuten lässt. 2. Ist abgesehen vom Diskriminierungsmerkmal im Sinne des § 1 AGG aufgrund von konkreten Tatsachen Raum für eine andere subjektive Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, kann ohne weitere Indizien nicht davon ausgegangen werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung gegeben ist. 3. Um die Vermutung einer diskriminierenden Behandlung mit den Folgen der Beweislastumkehr nach § 22 AGG auslösen zu können, muss in einem sog. Testing-Verfahren (hier fiktive Bewerbung) neben objektiv größtmöglicher Vergleichbarkeit der Testpersonen auch die zugrundeliegende Situation mit dem Ausgangsfall vergleichbar sein und die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Auswahlentscheidung nicht von zwischenmenschlichen Aspekten oder vom Zufall abhängt. Die objektive Vergleichbarkeit richtet sich nach den Üblichkeiten des Arbeitslebens oder der Verkehrsauffassung.

 

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 3 Sa 401/13

Entscheidungsdatum: 9. April 2014

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.10.2013 – 2 Ca 631 d/13 wird zurückgewiesen.

2) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.10.2013 – 2 Ca 631 d/13 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) trägt der Kläger.

4) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger geltend macht, weil er sich wegen seines Alters bei einer Bewerbung benachteiligt sieht.

Die Beklagte beschäftigt rund 57 Mitarbeiter, davon ca. 20 Service-Techniker bundesweit, davon 10 Service-Techniker im Innendienst am Firmensitz in .... Sie produziert für den weltweiten Verkauf Gamma-Kamera- und PET-Anlagen für den gesamten nuklear-medizinischen Bedarf der nuklear-medizinischen Diagnostik. Sie konstruiert und baut Großgeräte der Medizintechnik. Dazu kauft sie gebrauchte Geräte und setzt sie zu einem „neuen Gerät“ wieder zusammen. Daneben führt sie die Ersteinweisung der Kunden vor Ort, den Einbau von Upgrades beim Kunden und die Wartung der Geräte vor Ort durch ihre Service-Techniker einschließlich der Service-Techniker im Innendienst durch. Die Service-Techniker im Innendienst haben zudem den Telefon-Support für die Kunden durchzuführen.

Die Beklagte hatte 2012 und 2013 aus Anlass eines akuten Bedarfs für mehr als 24 Monate eine Daueranzeige: Darin heißt es u.a.:

Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir für unseren ProduktionsstandortS... eine/n

Servicetechniker bzw. Serviceingenieur (m/w) im Innendienst

Ihre Aufgaben:

- Aufarbeitung und Reparatur von elektronischen und elektromechanischen Baugruppen

- Kalibrierung unserer Gamma-Kamera und PET-Systeme

- Telefonsupport für unsere Kunden

Sie bringen mit:

- Eine Ausbildung zum staatl. Geprüften Elektronik-Techniker, einen Abschluss zum Diplom-Ingenieur oder eine ähnliche Berufsausbildung

- Kenntnisse und Erfahrungen mit elektronischen Bauteilen (Verstärker etc.)

- Spaß an der Reparatur elektronischer Geräte und am Umgang mit den Kunden

- Teamfähigkeit und leistungsorientiertes Denken und Handeln.

... (Anlage B2, Bl. 17 d. A.).

Der Kläger ist am ... geboren. Damals 50 Jahre alt, bewarb er sich mit Schreiben vom 07.01.2013 auf diese Stellenanzeige. Belegt durch Zeugnisse stellte er seinen beruflichen Werdegang u.a. auszugsweise wie folgt dar:

...

Hinsichtlich der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der Bewerbungsunterlagen wird auf die Anl. K 1 (Bl. 27 ff der Akte) Bezug genommen.

Zuvor hatte der Kläger am 06.01.2013 eine fingierte Bewerbung eines fiktiven 32-jährigen Kandidaten, Max. Xaver Steibl, eingereicht. Belegt durch von ihm fingierte Zeugnisse stellte sich dessen beruflicher Werdegang auszugsweise wie folgt dar:

Dez. 2012 - Jan. 2013 Projektarbeit zum technischen Betriebswirt

Mär. 2012 – Okt. 2012 Aufstiegsfortbildung zum Geprüften Technischen Betriebswirt

Aug. 2011 – Feb. 2012 Umzug nach B... B... , Elternzeit

Aug. 2004 – Jul. 2011 IT-Mitarbeiter in der Sektion IT, D....

Aufgabengebiete

Kunden-Support, Hard- und Softwarebetreuung; Betreuung der Netzwerktechnik; ...

Aug. 2002 - Jul. 2004 Aufstiegsfortbildung zum Staatl. Geprüften Techniker

Okt. 2001 – Jul. 2001 Grundwehrdienst

Sep. 1997 – Jun.2000 Ausbildung zum Kommunikationselektroniker für Telekommunikationstechnik; D... T... AG

Aug. 1990 – Juni 1997 Staatl. Realschule

Hinsichtlich der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der Bewerbungsunterlagen wird auf die Anl. K 2 (Bl. 39 ff d. A.) Bezug genommen.

Der zum Zeitpunkt der Bewerbung 32-jährige fiktive Kandidat wurde am 08.01.2013 zu einem Vorstellungsgespräch geladen, sagte aber umgehend mit dem Hinweis ab, er habe sich für eine andere Stelle entschieden. Am 14.01.2013 versuchte der Geschäftsführer der Beklagten, den fiktiven Bewerber Steibl telefonisch zu sprechen, erreichte jedoch nur den Anrufbeantworter.

Der zum Zeitpunkt der Bewerbung 50-jährige Kläger wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen, sondern erhielt per E-Mail vom 05.02.2013 eine Absage.

Der Kläger hatte sich im Alter von 45 Jahren im Mai 2008 schon einmal bei der Beklagten beworben und auch damals eine Absage erhalten.

Mit Schreiben vom 08.03.2013 machte der Kläger Schadensersatzansprüche wegen Altersdiskriminierung geltend (Anlage BK 2, Bl. 147 d. A.). Diese wies die Beklagte mit Schreiben vom 13.03.2013 zurück (Anlage BK 3, Bl. 148 d. A.). Der Kläger erwiderte noch einmal unter dem 20.03.2013 (Anlage BK 4, Bl. 149 d. A.) und erhob sodann am 22. Mai 2013 (Eingang) beim Arbeitsgericht die vorliegende Zahlungsklage.

Der Kläger hat stets die Ansicht vertreten, er sei aus Altersgründen diskriminiert worden und habe deshalb Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresbruttogehaltes, mindestens jedoch auf 10.500,00 Euro.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 24.10.2013 zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 2.000,00 Euro verurteilt. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, gegen das Testing-Verfahren des Klägers bestünden keine Bedenken. Der Kläger habe hinreichende Indizien für eine Diskriminierung wegen Alters vorgetragen und bewiesen. Der Kläger und der fiktive Bewerber seien in etwa objektiv gleich geeignet. Die Beklagte sei ihrer Beweislast nach § 22 AGG nicht gerecht geworden. Eine Entschädigung von 2.000,00 Euro sei angemessen und ausreichend. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 24.10.2013 verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 29.11.2013 zugestellte Urteil hat er am 05.12.2013 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum am 03.02.2014 innerhalb der Frist begründet wurde. Die Beklagte ihrerseits hat gegen dieses ihr am 26.11.2013 zugestellte Urteil am 20.12.2013 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 03.02.2014 innerhalb der Frist begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Das Indiz der Diskriminierung wegen Alters ergebe sich bereits aus der unterschiedlichen Behandlung der beiden Bewerber. Das Testverfahren sei nicht zu beanstanden. Diese seien gleich geeignet. Er habe den fachlichen Anforderungen voll entsprochen. Er habe lange Jahre mit internen Kunden gearbeitet. Der Umgang mit externen Kunden sei nicht gefordert gewesen, nur der Spaß am Umgang mit Kunden. Nicht nur er habe eine Lücke im Lebenslauf, die im Übrigen für eine Neuorientierung auf ein Studium nach einer langjährigen Beschäftigung normal sei. Auch der fiktive Bewerber Steibl habe eine Lücke von August 2011 bis Februar 2012. Da beide Bewerber fachlich vergleichbar seien, bestehe nur ein Unterschied im Alter. Das sei für die Beklagte ausschlaggebend gewesen. Die Entschädigung sei vom Arbeitsgericht zu niedrig festgesetzt worden. Zu berücksichtigen seien neben der Abschreckungs- und Wiedergutmachungsfunktion auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten. Eine Abwägung dieser Gesichtspunkte sei seitens des Arbeitsgerichts aber nicht geschehen.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.10.2013 – 2 Ca 631 d/13 – verurteilt, an den Kläger eine angemessene, über 2.000,-- EUR hinausgehende Entschädigung gemäß § 15 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 10.500,-- EUR jedoch nicht unterschreiten soll.

Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24. Oktober 2013 – Az. 2 Ca 631 d/13 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24. Oktober 2013 – Az. 2 Ca 631 d/13 – teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Beklagte bezweifelt angesichts der Tatsache, dass der Kläger mehrere gleichgelagerte Gerichtsverfahren, gestützt auf seinen fiktiven Mitbewerber Steibl führt bzw. geführt hat, bereits die Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Weiter trägt sie vor, das Alter des Klägers habe für die erteilte Absage und die Einladung des fiktiven Bewerbers keinerlei Rolle gespielt. Sie beschäftige Arbeitnehmer aller Altersbereiche. Der Kläger sei bereits nach der Papierform ausschließlich aufgrund der fachlichen Darstellung als nicht geeignet eingestuft worden. Sie benötige Servicetechniker mit aktuellen praktischen Erfahrungen in dem zu bewältigenden Aufgabenbereich, um der schnellen technischen Entwicklung Rechnung tragen zu können. Der Kläger habe, wie von ihm in seinem Bewerbungsschreiben selbst angegeben, vor seiner Bewerbung seit 2009 im Wesentlichen lediglich noch eine Tätigkeit als Betriebstechniker und Hausmeister ausgeübt. Die Beklagte habe aber einen auf dem aktuellen Stand der elektronischen Entwicklung agierenden Spezialisten für die Hardware - Komponente mit hoher Kundenorientierung gesucht. Hardwareprüfung habe der Kläger ausweislich seiner Bewerbung ... seit rund 17 Jahren, nicht mehr durchgeführt. Gleiches gelte für Kontakt mit externen Kunden. Die erworbenen Erfahrungen in der Reparatur von Flachbaugruppen lägen sogar rund ... Jahre zurück. Herr Steibl hingegen sei in der Zeit zwischen August 2004 und Juli 2011 ausweislich seines Lebenslaufs u. a. im Bereich der Hardwarebetreuung tätig gewesen. Darüber hinaus sei er ausweislich seiner Bewerbungsunterlagen für den Kundensupport zuständig gewesen. Der Lebenslauf des Klägers sei hinsichtlich der Monate April bis August 2011 unvollständig, da im letzten halben Jahr vor der Bewerbung keinerlei Berufstätigkeit angegeben worden war. Zudem werde das absolvierte Aufbaustudium nicht für die gewünschte Tätigkeit benötigt. Dem Kläger fehlten insoweit weitere 14 Monate aktive und vor allem aktuelle Praxiserfahrung im gewünschten Tätigkeitsbereich. Die Testperson Steibl sei nach der Papierform eindeutig besser für die Beklagte gewesen. Die umzugs- und elternzeitbedingte Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit stelle für sie keine Lücke im Lebenslauf dar. Abgesehen davon, sei das Testing-Verfahren rechtsmissbräuchlich und der fiktive Testkandidat schon deshalb nicht geeignet, ein Indiz für eine Diskriminierung abzugeben. Letztendlich sei der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Schadensersatzbetrag auch nicht ansatzweise nachzuvollziehen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten nach §15 AGG. Er ist anlässlich des Absageschreibens vom 05.02.2013 nicht wegen seines Alters bei einer Bewerbung benachteiligt worden.

A. Beide Berufungen sind zulässig. Sie sind form- und fristgemäß und jeweils innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfristen auch begründet worden.

B. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist hingegen begründet, was zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung

der Klage insgesamt führt.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein. Deshalb ist eine Bezifferung des Antrags nicht notwendig. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (BAG vom 24.1.2013 – 8 AZR 429/11 – zitiert nach Juris, Rz. 23).

2. Das ist hier geschehen. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht. Er hat auch den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 10.500,00 Euro beziffert.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Danach kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eigestellt worden wäre.

Ein Anspruch auf angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG steht dem Kläger nicht zu.

1. Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AGG „Beschäftigter“ und fällt damit in den persönlichen Geltungsbereich des AGG. Dabei spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Rolle objektiv geeignet ist Auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an (BAG vom 24.01.2013 a.a.O. Rz. 25 m.w.N. (BAG vom 23.08.2012, 8 AZR 285/11 – zitiert nach Juris, Rz. 18).

2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Sie ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine juristische Person und sie beschäftigt Arbeitnehmer (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG). Arbeitgeber eines Bewerbers ist der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (BAG vom 24.1.2013, a.a.O., Rz. 26).

3. Der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden.

a) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schreiben vom 05.02.2013 hat die Beklagte dem Kläger eine Absage erteilt. Dieser hat am 08.03.2013 und nochmals am 20.03.2013 einen Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht.

b) Der Kläger hat die dreimonatige Klageerhebungsfrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG eingehalten. Er hat seinen Entschädigungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 22. Mai 2013 eingegangene Klage rechtzeitig geltend gemacht.

4. Zugunsten des Klägers wird die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung unterstellt. Das gilt trotz der Tatsache, dass er sich gezielt gleichzeitig mit der von ihm konstruierten, nur fiktiv existierenden 18 Jahre jüngeren Testperson Max. Xaver Steibl auf Stellen bewirbt und insoweit einerseits eigene Studien betreibt und andererseits anschließend auf Zahlung von Entschädigungen klagt. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung glaubhaft bekundet, dass er eine Arbeit sucht und die Stelle im Falle einer Zusage angetreten hätte. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass der Kläger nicht nur versucht, sich rechtsmissbräuchlich durch Diskriminierungsklagen eine Einnahmequelle zu verschaffen.

5. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung. Für die Anspruchsvoraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen (BAG vom 23.08.2012, 8 AZR 285/11 – Rz. 20 m.w.N.). Es gilt die Indizienbeweislastregel des § 22 AGG.

a) Gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 AGG liegt eine Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – zu denen auch das Alter zählt – eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

b) Eine weniger günstige Behandlung erfordert das Zufügen eines Nachteils. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab in einem Bewerbungsverfahren ausgeschieden ist. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (BAG vom 24.1.2013, a.a.O., Rz. 33; BAG vom 23.08.2012, a.a.O. Rz. 22 f).

Der Kläger hat als ohne Vorstellungsgespräch abgelehnter Bewerber vorliegend eine weniger günstige Behandlung als die Bewerber, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, erfahren. Er hat damit einen Nachteil erlitten.

c) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen.

aa) Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rz. 26, EzA AGG § 15 Nr. 16; BAG vom 24.1.2013 – a.a.O. Rz. 34 m.w.N.).

bb) Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Der Arbeitgeber darf über den der Stelle zuzuordnenden Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden, er darf aber nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des AGG faktisch beseitigen (BAG vom 24.03.2013 – a.a.O. Rz. 35 ; BAG vom 23.08.2012, Rz. 27; BAG vom 13.11.2011 – 8 AZR 608/10 Rz. 26; BAG vom 07.04.2011 – 8 AZR 679/09, Rz. 37 ff).

cc) Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (BAG vom 07.04.2011 – Rz. 39; BAG vom 23.08.2012, Rz. 27). Für den Nachweis der objektiven Eignung gilt die abgestufte Darlegungs- und Beweislast (BAG vom, 23.08-2012 Rz. 28; vgl. auch BAG vom 22.07.2010 – 8 AZR 1012/08, Rz. 56 ff).

dd) Der Kläger ist ausgebildeter staatlich geprüfter Elektronik-Techniker, hat Kenntnisse und Erfahrungen mit elektronischen Bauteilen erworben und nach seinem Vorbringen Spaß an der Reparatur elektronischer Geräte und am Umgang mit den Kunden. Vor diesem Hintergrund mag zugunsten des Klägers vom Vorliegen der objektiven Eignung ausgegangen werden, denn er erfüllt die Voraussetzungen, die er nach dem Wortlaut der Stellenausschreibung mitbringen muss.

6. Es liegen jedoch keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters benachteiligt worden ist.

a) Eine weniger günstige Benachteiligung wegen des Alters ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch sie motiviert ist. Ausreichend ist, dass das Alter Bestandteil eines Motivbündels war, das die Entscheidung beeinflusst hat. Auf schuldhaftes Handeln oder eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG vom 23.08.2012 – Rz. 30 m.w.N.; BAG vom 24.1.2013 – Rz. 38 m.w.N.).

b) Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt und beweist, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG vom 24.1.2013 – Rz. 39 m.w.N.). Insoweit ist kein strenger Maßstab an die Vermutungswirkung dieser sogenannten Hilfstatsachen anzulegen, da es nicht erforderlich ist, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss auf eine Benachteiligung zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung spricht (BAG vom 24.04.2008, 8 AZR 257/07, Rz. 40; Däubler/Bertzbach, AGG, Rz. 26 zu § 22).

c) Werden von dem benachteiligten Arbeitnehmer Hilfstatsachen vorgetragen, welche jeweils für sich allein betrachtet nicht ausreichen, um die Vermutungswirkung herbeizuführen, ist vom Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob diese Hilfstatsachen im Zusammenhang gesehen geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (so ErfK/Schlachter, 14. Aufl., § 22 AGG Rn. 3) . Es gibt nämlich Fälle, in denen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten Umstände des Einzelfalles oder Handlungsweisen bzw. Äußerungen des Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Benachteiligung vermuten lassen, die Gesamtschau der einzelnen Umstände des Einzelfalles oder der Handlungsweise bzw. der Äußerungen des Arbeitgebers aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Benachteiligung begründen und damit die Vermutungswirkung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. (heute § 22 AGG) entfalten können (BAG vom 24.04.2008, 8 AZR 257/07, Rz. 41).

d) Nach diesen Grundsätzen ist eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters nicht zu vermuten. Der Kläger hat hierfür keine hinreichenden Indizien vorgetragen.

aa) Die seitens der Beklagten aufgegebene Stellenanzeige ist altersneutral formuliert worden. Der Text enthält keinerlei Formulierungen, die ein Abstellen auf das Merkmal „Alter“ auch nur ansatzweise zum Ausdruck bringen.

bb) Der Kläger sieht als Indiz für die Annahme einer Benachteiligung wegen seines Alters, dass der 18 Jahre jüngere fiktive Bewerber Steibl zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, er im Alter von 50 Jahren hingegen nicht.

Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach jede Ungleichbehandlung auf diskriminierenden Motiven beruht. Der Nachweis, einer geschützten Gruppe anzugehören und von einem Nachteil betroffen zu sein, begründet die Vermutung also nicht stets schon selbst (ErfK/Schlachter, Rz. 4 zu § 22 AGG m.w.N.). Allein das Bestehen eines Altersunterschiedes zwischen zwei Bewerbern stellt prinzipiell kein hinreichendes Indiz dar, das eine ungünstigere Behandlung wegen eines verbotenen Merkmals im Sinne der §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG vermuten lässt. Zusätzlich zum Altersunterscheid müssen jedenfalls weitere Tatsachen vorgetragen sein, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Benachteiligung gerade wegen des Alters vermuten lassen. Anderenfalls wäre ein Arbeitgeber bei objektiv gleicher Eignung von Bewerbern unterschiedlichen Alters ohne Rücksicht auf weitere subjektive Faktoren gezwungen, immer alle altersunterschiedlichen Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, um nicht auf Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz in Anspruch genommen zu werden.

cc) Auch der Umstand, trotz behauptet „optimaler“ Qualifikation anders als andere Bewerber nicht eingeladen worden zu sein, begründet nicht schon selbst die Vermutung, dass die Ungleichbehandlung auf diskriminierenden Motiven beruht (ErfK/Schlachter, Rz. 4 zu § 22 AGG m.w.N.).

dd) Der Kläger hat auch keine weiteren (Hilfs-)Tatsachen vorgetragen, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Benachteiligung gerade wegen seines Alters vermuten lassen.

(1) Aus der Tatsache, dass der Geschäftsführer am 13.01. 2013 nach der Absage des fiktiven Bewerbers nochmals telefonisch zu diesem Kontakt aufnehmen wollte, lässt sich nach der Überzeugung der Kammer nichts herleiten. Hieraus ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt für den Rückschluss, das Alter dieses Bewerbers und das Alter des Klägers habe dieses Verhalten beeinflusst.

Das gilt erst recht unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsverhandlung. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung bekundet, er habe angerufen, weil ihn der Hintergrund für die Absage interessiert habe. Da von Herrn Steibl (alias dem Kläger) die Absage telefonisch mit der Annahme eines anderen Stellenangebots begründet wurde, habe er u.a. wissen wollen, was fachlich und angebotstechnisch attraktiver war und von der Beklagten nicht geboten wurde. Außerdem sei er irritiert gewesen, weil die Bewerbung des Herrn Steibl am Sonntag, den 06.01.2013 bei ihnen eingegangen sei, er schon zwei Tage später, am Dienstag, den 08.01.2013 die Einladung zum Bewerbungsgespräch versandt habe und der Bewerber Steibl einen Tag später, also insgesamt drei Tage nach einer am Wochenende abgesandten Bewerbung mit der Begründung abgesagt hatte, er habe zwischenzeitlich schon eine andere Zusage erhalten und angenommen. Er, der Geschäftsführer, habe gedacht, schneller als er habe niemand handeln können und deshalb nochmals spontan zum Telefon gegriffen, um vielleicht eine Erklärung dafür zu bekommen.

Es existiert insoweit kein Indiz, der Rückruf des Geschäftsführers bei dem fiktiven Bewerber habe etwas mit dem Altersunterschied des Klägers und des Herrn Steibl zu tun.

(2) Der Kläger führt an, das Verhalten der Beklagten gegenüber der erheblich jüngeren, fiktiven Testperson Steibl begründe die Vermutung, dass die Auswahlentscheidung in Bezug auf die Einladung zum Bewerbungsgespräch auf dem Altersunterschied beruhe.

(2.1) Zu den möglichen Indizien, mit deren Hilfe auf eine unzulässige Motivation für die unterschiedliche Behandlung geschlossen werden soll, zählen neben diskriminierenden Stellenausschreibungen und den Ergebnissen von Statistiken auch die Ergebnisse von Testing-Verfahren. Der Gesetzgeber bezeichnet damit Verfahren, bei denen „z. B. eine Vergleichsperson eingesetzt wird, um zu überprüfen, ob ein Verhalten gegenüber einer Person, bei der eines der in § 1 genannten Merkmale vorliegt, gleichermaßen auch gegenüber der Vergleichsperson, bei der dies nicht der Fall ist, erfolgt“ (BT-Drucksache 16/1780 S. 47). Tritt dieses ein, spricht das für das Vorliegen eines Diskriminierungstatbestandes. Es erfolgt also eine Inszenierung, bei der die zu testende Person mit einem/einer oder mehreren fiktiven Kandidatinnen konfrontiert wird, um ihr Verhalten beobachten und vergleichen zu können (Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes „Die Anwendbarkeit von Testing-Verfahren im Rahmen der Beweislast, § 22 AGG“, Stand November 2010, S. 6 m.w.N.; vgl. auch Sponer/Steinherr, TVöD, Juris, § 22 AGG. Rz. 20; Wendeling-Schröder, Stein, AGG, Rz. 26 zu § 22).

(2.2) Die Vermutungswirkung von Testing-Verfahren steht und fällt mit dem Grad der Vergleichbarkeit der Testpersonen. Das zentrale methodische Problem bei Testing-Verfahren besteht zudem darin, dass eine unterschiedliche Behandlung der Testpersonen auch auf andere Gründe als die für das AGG relevante Merkmalsausprägung zurückzuführen sein kann. Selbst dort, wo der zu testenden Person zwei mit Ausnahme der Merkmalsausprägung identische Bewerbungen um eine Stelle vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit nicht zu vernachlässigen, dass die Auswahlentscheidung vom Zufall oder zwischenmenschlichen Aspekten und nicht von der Merkmalsausprägung bestimmt wird. Zudem müssen die dem Testing-Verfahren zugrunde liegende(n) Situation(en) mit der des Ausgangsfalls vergleichbar sein. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Schluss vom Testing-Verfahren auf die Kausalität des unter Diskriminierungsschutz stehenden Merkmals möglich (Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, S. 8, S. 43 und S.50).

Hat sich im Rahmen eines Testing-Verfahrens ein Indiz für eine unzulässige Behandlung ergeben, ist zur Widerlegung des entstandenen Indizes der volle Beweis des Gegenteils erforderlich (Sponer/Steinherr,a.a.O.; Däubler, Bertzbach, Kom. zum AGG, 3. Aufl. Rz. 55 zu § 22).

(2.3.) Es ist hier bereits fraglich, ob die Anfertigung diverser Unterlagen für die Testing-Bewerbung durch den Kläger und deren Inverkehrbringen nicht bereits die strafrechtlichen Grenzen u.a. der Urkundenfälschung überschritten haben.

Der Kläger hat für einen real nicht existierenden Herrn Steibl auf gefälschten Briefkopfbögen teilweise existierender, bekannter Firmen, z.B. der D… T... AG, und einer staatlichen Fachschule für Elektrotechnik in St... unter Verwendung von Stempeln Zeugnisse selbst geschrieben mit Inhalten, die tatsächlich von niemandem gelebt wurden. Er hat nicht nur Namen, Geburtstage, Orte und Zeitangaben oder das Geschlecht ausgewechselt, sondern unter Verwendung der Namen anderer, vollständig fiktive, inhaltlich falsche Tätigkeitsbeschreibungen und Bewertungen erstellt und in den Verkehr gebracht.

(2.4.) Eine derartig weitgehende fiktive Vorgehensweise ohne jeglichen Hinweis auf diskriminierendes Verhalten des getesteten Arbeitgebers dürfte vom Gesetzgeber weder gewollt noch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs vom AGG zur Herbeiführung einer Beweislastumkehr nach § 22 AGG geschützt sein und unter Umständen zu einem Verwertungsverbot führen können.

(2.5). Beides kann jedoch dahingestellt bleiben. Aus der vom Kläger initiierten Testbewerbung des fiktiven Bewerbers Steibl und nur dessen Einladung zum Bewerbungsgespräch lässt sich kein Indiz für eine unzulässige altersbedingte Motivation der Beklagten ableiten. Die unterschiedliche Behandlung ist auf eine Vielzahl von anderen Gründen zurückführbar. Die dem Testing-Verfahren zugrundeliegenden Situationen sind nicht vergleichbar, so dass Anhaltspunkte für eine Kausalität des Altersunterschiedes für die unterschiedliche Reaktion der Beklagten auf die beiden Bewerber nicht vorhanden sind.

Der Kläger ist mit dem fiktiven Herrn Steibl schon objektiv nicht vergleichbar. Die objektive Vergleichbarkeit richtet sich nach den Üblichkeiten des Arbeitslebens oder nach der Verkehrsauffassung. Es gilt der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung gem. § 286 Abs. 1 ZPO (Adomeit/Mohr, AGG,. Rz. 41 m.w.N.). Der Bewerber Steibl hat – abgesehen vom Namen und vom Alter - nicht dieselbe Qualifikation wie der Kläger. Er verfügt vielmehr über eine inhaltlich gravierend andere tatsächliche Berufstätigkeit und andere individuelle fachliche und persönliche Qualifikationen als der Kläger, die dem Arbeitgeber unabhängig vom Lebensalter eine individuell andere subjektive Auswahlentscheidung ermöglichen. Der Bewerber Steibl hat von August 2004 bis Juli 2011 als IT- Mitarbeiter Kunden-Support mit externen Kunden gemacht, der Kläger hingegen war damit letztmalig 1996 betraut. Das lag bei der Bewerbung rund 17 Jahre zurück. Der Telefonsupport für externe Kunden gehörte aber ausweislich der Stellenanzeige mit zum maßgeblichen Tätigkeitsbereich. Gleiches gilt in Bezug auf die zu erbringende Hardwareprüfung. Der Kläger hat dieses ausweislich seiner Bewerbung letztmalig 1996 durchgeführt, der fiktive Bewerber Steibl hingegen bis Juli 2011. Außerdem war der Kläger mit der Reparatur von Flachbaugruppen letztmalig 1987 betraut, die aktuellsten Erfahrungen des fiktiven Bewerbers Steibl reichten jedoch insoweit bis 2011.

Ist aber abgesehen vom Diskriminierungsmerkmal im Sinne des § 1 AGG aufgrund von konkreten Tatsachen Raum für eine andere subjektive Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung gegeben ist. Das vom Kläger mit Herrn Steibl durchgeführte Testing-Verfahren löst keinerlei diesbezügliche Vermutungswirkung für eine Altersdiskriminierung aus.

(2.6.) Ein Indiz für eine Altersdiskriminierung ergibt sich letztendlich auch nicht daraus, dass die Arbeitgeberin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens in einzelnen Punkten ihren Vortrag etwas verändert hat, wie der Kläger meint. Die Beklagte hat nicht widersprüchlich vorgetragen oder ihren Sachvortrag dergestalt ausgewechselt, dass sich hieraus Anhaltspunkte für ein diskriminierendes Verhalten ergeben. Der Vortrag der Beklagten variiert allenfalls bei einigen wertenden Äußerungen, z.B. bei der Darstellung der Interpretation der Zeugnisnoten und der Tätigkeitsbeschreibungen. Daraus lässt sich aber nach der Überzeugung des Gerichts nichts in Bezug auf eine Altersdiskriminierung ableiten. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Zwischen den Instanzen lag ein Wechsel der Prozessvertreter vor. Letztendlich hat die Beklagte – mit welchem Vokabular und welcher Gewichtung auch immer - stets betont, sie lade Bewerber nur wegen der nach der Papierform belegten, fachlichen Qualifikation ein. Dazu gehörte für sie stets aktuelle und größtmögliche einschlägige Praxiserfahrung. Die hatte der Kläger, anders als der fiktive Herr Steibl, gerade schon nach der Papierform aber nicht.

(2.7.) Vor diesen Hintergründen ergibt sich jedenfalls auch im Rahmen der gebotenen Gesamtschau aller Umstände einschließlich der in der Akte befindlichen Bewerbungsunterlagen vorliegend keine Vermutungswirkung für eine altersbedingte Benachteiligung.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Kläger unabhängig von dem fiktiven Mitbewerber Herrn Steibl bereits 2008 eine Absage erhalten hat. 2008 lag der geforderte Umgang des Klägers mit externen Kunden, lagen die erworbenen Erfahrungen im Bereich der Hardwareprüfung und in der Reparatur von Flachbaugruppen fast fünf Jahre weniger zurück als 2013. Gleichwohl hatte sich die Beklagte schon damals entschieden, dass die Qualifikationen des Klägers nicht ihren Vorstellungen für die Besetzung der Position entsprechen. Auch das spricht gegen das Vorliegen einer Altersdiskriminierung. Die Vermutungswirkung des § 22 AGG greift daher hier nicht ein.

7) Selbst wenn aber auch insoweit zugunsten des Klägers von einer entsprechenden Vermutungswirkung ausgegangen würde, hat er unter Berücksichtigung der Beweislastregelung des § 22 AGG keinen Anspruch auf Entschädigung gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hat hinreichende Fakten für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung des Klägers und des fiktiven Bewerbers Steibl und für das Fehlen eines am Alter der beiden anknüpfenden Motivs dargelegt und belegt.

a) Wie bereits dargelegt, darf der Arbeitgeber über den der Stelle zuzuordnenden Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden. Er darf nur nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des AGG faktisch beseitigen (BAG vom 24.03.2013 – a.a.O. Rz. 35; BAG vom 23.08.2012, Rz. 27; BAG vom 13.11.2011 – 8 AZR 608/10 Rz. 26; BAG vom 07.04.2011 – 8 AZR 679/09, Rz. 37 ff)

b) Auch ist die objektive Eignung zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (BAG vom 07.04.2011 – Rz. 39; BAG vom 23.08.2012, Rz. 27). Dem Arbeitgeber ist mithin die Auswahlmöglichkeit nicht entzogen.

c) Die Beklagte hat auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens des Geschäftsführers in der Berufungsverhandlung und unter Auswertung sämtlicher Bewerbungsunterlagen sowie unter Darlegung des konkreten Tätigkeitsfeldes hinreichend konkret dargelegt, dass und warum der fiktive Bewerber Steibl schon nach der Papierform von ihr für wesentlich geeigneter gehalten wurde, während der Kläger insoweit nicht für sie in Betracht kam. Auf die Ausführungen unter (2.5.) wird verwiesen. Der fiktive Bewerber Steibl hat aktuellere und punktgenauere Praxiserfahrung im Bereich der Hardwareprüfung und -reparatur, bzw. dem, was der Geschäftsführer der Beklagten darunter versteht und war damit in der Lage, auf weit aktuellerem Stand der elektronischen Technik für die Hardware-Komponenten und die Reparatur von Flachbaugruppen zu agieren. Außerdem verfügte er, anders als der Kläger, über mehrjährige Erfahrungen im Telefonsupport für externe Kunden. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung noch einmal ausdrücklich betont, wie wichtig der Beklagten gerade das Vorhandensein aktueller Praxiserfahrung war und ist. Der Einwand des Klägers, ältere Bewerber verfügten immer über ältere Zeugnisse, ist nicht geeignet, dem entgegenzutreten. Auch ältere Bewerber mit älteren Zeugnissen können über aktuelle, zeitnah vor der Bewerbung erworbene Praxiserfahrungen verfügen.

8. Aus den genannten Gründen kann die Klage auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Erfolg haben. Die Berufung des mit der Höhe der ausgeurteilten Entschädigung nicht zufriedenen Klägers war daher zurückzuweisen.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil hingegen abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich trotz einiger rechtlich bedeutsamer Fragestellungen im Ergebnis nur um eine Einzelfallentscheidung.