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Das Recht am eigenen Bild wird auch bei "gepixelter" Darstellung verletzt - LG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.01.2006, Az.: 2/03 O 468/05

Leitsätzliches

Das Recht am eigenen Bild wird auch dann verletzt, wenn die abgebildete Person durch eine verpixelte Darstellung des Gesichts unkenntlich gemacht wird, aber dennoch ein begründeter Anlass besteht, identifiziert werden zu können.

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 19. Januar 2008

Aktenzeichen: 2/03 O 468/05

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

der Frau K,

- Verfügungsklägerin -

(Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. A. S,)

g e g e n

S AG, vertreten durch den Vorstand,

- Verfügungsbeklagte -

(Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.,)

hat das Landgericht Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. K, Richterin am Landgericht B und Richterin am Landgericht B aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2006 für R e c h t erkannt:

Die einstweilige Verfügung - Beschluss - vom 11.08.2005 wird bestätigt, hinsichtlich b) mit der Maßgabe, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird, die Behauptung in Druckschriften, insbesondere in der von ihr verlegten X-Zeitung , zu veröffentlichen oder zu verbreiten, die Verfügungsklägerin hätte sexuelle Handlungen an dem Angeklagten des Strafverfahrens (AG Marburg ... 04) vorgenommen oder von diesem an sich vornehmen lassen, insbesondere diese Behauptung durch Bilder zu belegen.

Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin, im folgenden Klägerin genannt, verlangt von der Verfügungsbeklagten, im folgenden Beklagte genannt, im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild.

Die Verfügungsbeklagte ist Verlegerin der X-Zeitung . In der Ausgabe vom 26.Juli 2005 berichtete die Beklagte über die Eröffnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen A. B. vor dem Amtsgericht Marburg (AG Marburg  ... 04). Dem Angeklagten jenes Verfahrens wird vorgeworfen, heimlich sich und seine damalige Freundin, Frau B, bei der Vornahme sexueller Handlungen gefilmt und das Video im Internet ohne Einwilligung von Frau B. öffentlich zur Verfügung gestellt zu haben. Der Bericht der Beklagten ist mit „Frivoler Prozeß um einen Privat-Porno“ betitelt und mit drei Bildern illustriert.

Das eine Bild zeigt den Angeklagten mit gepixeltem Gesicht, die zweite Abbildung eine Sequenz aus dem der Anklage zugrundeliegenden Video. Zu sehen sind der Torso eines nackten Mannes und einer Frau mit blonden langen Haaren beim Oralverkehr. Die Augenpartie der Frau und der Penis des Mannes sind durch zwei schwarze Balken überdeckt. Die Hände, die Haare und die übrigen Gesichtszügen der von der Seite aufgenommenen Frau sind jedoch erkennbar. Das Bild ist betitelt: „Szene aus dem privaten Sexfilm: Zärtlich verwöhnt Kerstin ihren Freund D N.* [Name geändert] (39) mit dem Mund“.

Das dritte Bild zeigt eine junge Frau in Jeans und ärmellosem Top von vorne. Ihr Gesicht ist gepixelt; sichtbar sind jedoch die Ohren und zurückgekämmte blonde Haare. Das Bild ist betitelt: „Kerstin* [Name geändert] (42) verklagt ihren Ex-Freund auf 200.000 Euro Schmerzensgeld.“ Wegen weiterer Einzelheiten der Veröffentlichung und der Bilder wird auf die Anlage AS 2 (Bl. 10 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 29.07.2005 (Bl. 13 f d.A.) abmahnen. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.

Die Kammer hat auf Antrag der Klägerin durch Beschluss vom 11.08.2005 der Beklagten - bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - für jeden Fall der Zuwiderhandlung, untersagt,

a) Bildnisse der Verfügungsklägerin ohne ihre Zustimmung durch Druckschriften oder anderswie zu veröffentlichen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Strafverfahren (AG Marburg xx Ls x Js wtrp/04) („Privat-Porno“), wie in der X-Zeitung vom 26.Juli 2005 (Anlage AS 2) geschehen,

b) die Behauptung in Druckschriften, insbesondere in der von ihr verlegten X-Zeitung , zu veröffentlichen oder zu verbreiten, die Verfügungsklägerin hätte außereheliche sexuelle Handlungen an dem Angeklagten des Strafverfahrens (AG Marburg xx Ls x Js xxxx/04) vorgenommen oder von diesem an sich vornehmen lassen, insbesondere diese Behauptung durch Bilder zu belegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Bl. 20 f d.A. Bezug genommen. Hiergegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Antrag bezüglich des Wortes "außerehelich" in dem Antrag zu b) zurückgenommen.

Die Klägerin behauptet, sie sei die auf dem dritten Bild abgebildete Frau. Sie trägt vor, durch diese unstreitig ohne ihre Einwilligung erfolgte Veröffentlichung ihres Bildnisses in der X-Zeitung in ihrem Recht am eigenen Bild und allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt zu sein. Trotz gepixeltem Gesicht sei sie auf dem Bild erkennbar, da Haare, Ohren, Gesichtsform, Kleidung, eine auffällige Uhr und Statur des Oberkörpers zu sehen seien. Sie sei auch tatsächlich bundesweit von Freunden, Bekannten und Verwandten erkannt worden, insbesondere von einer Frau S. D. aus H, sowie von ihrem Bruder und dessen Arbeitskollegen. Die Klägerin behauptet zudem, die Nichte von Frau B. zu sein. Die verwandtschaftliche Verbindung zwischen den zwei Frauen hätte dazu geführt, daß der Artikel insbesondere die Aufmerksamkeit von Bekannten und Verwandten, die beide Frauen kennen, auf sich gezogen hätte.

Die Klägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 11.08.2005 zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 11.08.2005 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass es sich bei der auf dem dritten Bild abgebildeten Frau um die Klägerin handele und diese die Nichte von Frau B. sei. Sie bestreitet des Weiteren, dass die Frau, die angeblich die Klägerin sein soll, für Dritte identifizierbar sei. Ihr Gesicht sei durch die Pixelung „absolut unkenntlich“. Weder Bild noch Text enthielten individualisierende Merkmale. Die Frau trage insbesondere normale Kleidung und - anders als von der Klägerin behauptet - keine Uhr. Aufgrund der Unkenntlichkeit sei es daher auch nicht möglich, daß die Beklagte tatsächlich von Freunden, Bekannten und Verwandten erkannt worden sei. Auch spreche die Tatsache, daß der Bruder der Klägerin in L lebe und sie in Westfalen, dagegen, dass die Arbeitskollegen des Bruders die Schwester überhaupt kennen und damit erkennen können. Frau B. sei auf dem Bild ebenfalls nicht als solche identifizierbar.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Klägerin vom 31.08.2005 (Bl. 11 d.A.) und ihres Bruders, Herrn S vom 29.07.2005 (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Beklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; dies führt zu ihrer Bestätigung.

Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 823, 1004 (analog) BGB i.V.m. §§ 22 f KUG zu.

Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts ein Bildnis der Klägerin ohne deren Einwilligung verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt. Dadurch wurde das Recht der Klägerin am eigenen Bild gemäß § 22 KUG verletzt.

Unter Bildnissen im Sinne des § 22 KUG versteht man die Darstellung einer natürlichen Person in einer für Dritte erkennbaren Weise. Zumeist ergibt sich die Erkennbarkeit aus der Abbildung der Gesichtszüge. Es genügt aber auch, wenn der Abgebildete - mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht zu erkennen sein - durch Merkmale, die sich aus dem Bild ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist oder seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann (vgl. BGH NJW 1979, 2205 - Fußballtorwart; Prinz/Peters, Medienrecht, Rz.. 827). Nicht notwendig ist, dass der Abgebildete tatsächlich von bestimmten Personen erkannt wurde. Das Recht am eigenen Bild ist bereits dann verletzt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat, er könnte identifiziert werden. Nicht erforderlich ist, dass schon der flüchtige Betrachter den Abgebildeten auf dem Bild erkennen kann, es genügt die Erkennbarkeit durch einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis (vgl. BGH NJW 1979, 2205 - Fußballtorwart; v. Strobl-Alberg in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 7.Rz. 15). Entscheidend ist der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung für andere verfügbar zu werden. Der besondere Rang des Anspruchs darauf, dass die Öffentlichkeit die Eigensphäre der Persönlichkeit und ihr Bedürfnis nach Anonymität respektiert, verlangt eine Einbeziehung auch solcher Fallgestaltungen in den Schutz dieser Vorschrift (vgl. Peters/Prinz, a.a.O.).

Die Klägerin hat durch ihre eigene eidesstattliche Versicherung und diejenige ihres Bruders glaubhaft gemacht, dass sie auf dem dritten Bild die dort abgebildete Frau und sie die Nichte von Frau B. ist, dem Opfer in dem verfahrensgegenständlichen Strafverfahren. Die Tatsache, dass die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, daß es sich bei der abgebildeten Frau um die Klägerin handele, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Darüber hinaus legt die Beklagte nicht dar, von welcher Frau, wenn nicht von der Klägerin, das verfahrensgegenständliche Bild stammt.

Die Klägerin ist auf dem Bild jedenfalls für Eingeweihte erkennbar, da es genügend individualisierende Merkmale aufweist. Die Frau ist nicht, wie von der Beklagten behauptet, „absolut unkenntlich“. Trotz gepixeltem bzw. "verkacheltem" Gesicht ist sie auf dem Bild auch für Dritte erkennbar, da zurückgekämmte, blonde Haare (Frisur), Ohren mit Ohrschmuck, Gesichtsform, Kleidung (ärmelloses Top), eine - jedenfalls gemäß dem klägerseits auf Bl. 10 d.A. vorgelegten Zeitungsexemplar dort ersichtliche - auffällige Uhr am linken Arm und die Statur des Oberkörpers zu sehen sind. Die Erkennbarkeit wird zudem dadurch belegt, daß die Klägerin glaubhaft gemacht hat, tatsächlich bundesweit von mehreren Freunden, Bekannten und Verwandten als solche erkannt worden zu sein. Der Umstand, dass der Bruder der Klägerin in L lebt und die Klägerin in Westfalen, ist kein plausibler Anhaltspunkt dafür, daß die Arbeitskollegen die Klägerin nicht kennen können, da Besuche unter Geschwistern trotz Entfernung durchaus üblich sind und Dritte von den Berichten über die Straftat gegenüber wtrp Tante der Klägerin Kenntnis haben können.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 (analog) BGB hinsichtlich der Äußerung gemäß lit. b) der einstweiligen Verfügung vom 11.08.2005 wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu.

Durch die Untertitelung ihres für Dritte erkennbaren Bildnisses in der Ausgabe der X-Zeitung vom 26.Juli 2005 mit „Kerstin“ wird der Eindruck erweckt, die Klägerin sei die Ex-Freundin des Angeklagten im Marburger Strafprozess und

damit diejenige, die in dem Video sexuelle Handlungen an dem Angeklagten vornimmt und von diesem an sich vornehmen läßt. Das andere in der Zeitung der Beklagten veröffentlichte Bild aus dem Sex-Video ist untertitelt: "Zärtlich verwöhnt Kerstin ihren Freund...". Dies läßt keinen anderen Schluss zu, als dass behauptet wird, die rechts in der Zeitung abgebildete, bekleidete - 27-jährige - Klägerin sei die Frau aus dem Sex-Film und somit diejenige, die mit dem Angeklagten des Strafprozesses sexuelle Handlungen ausgetauscht hat. Da die Beklagte in Wirklichkeit nicht in dem Video vorkommt und keine sexuellen Verbindungen mit dem Angeklagten hatte, stellt dies eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die einen Angriff auf das Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin zum Inhalt hat.

Nachdem sich der Beklagte weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, ist auch die für eine Unterlassungsverfügung erforderliche Wiederholungsgefahr zu bejahen.

Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit war gegeben, da die Klägerin binnen 2 Wochen nach der Veröffentlichung der X-Zeitung vom 26.07.2005 und der vergeblichen Abmahnung vom 29.07.2005 den Erlaß einer einstweiligen Verfügung bei Gericht am 08.08.2005 begehrt hat und weitere Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Strafprozess in Marburg drohten.

Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2, 269 ZPO.

(Unterschriften)

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