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LG München I, Beschluss vom 27. Oktober 2003, AZ.: 384 Js 44646/2003 - Genehmigung für Glücksspiel aus Österreich ausreichend

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Nach Einschätzung des Landgerichts München I liegt keine strafbare gewerbsmäßige unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1, 3 StGB vor, wenn hierfür eine Genehmigung durch das Land Oberösterreich erteilt wurde.

LANDGERICHT MÜNCHEN I

Entscheidung vom 27. Oktober 2003

Aktenzeichen:
384 Js 44646/2003 - 5 Qs 41/2003

 

Ermittlungsverfahren gegen ... ... ...

wegen: gewerbsmäßiger Veranstaltung unerlaubten Glücksspiel

hier: Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 2. September 2003

 

BESCHLUSS

5. Strafkammer des Landgerichts München I

 

1. Auf die Beschwerden der Beschuldigten wird der .......beschluss des Amtsgerichts München vom 2.9.2003 aufgehoben.

2. .........

Gründe:

Die Firma ... hat ihren Sitz ... in Österreich. Sie bietet über Internet Sportwetten im Bereich Fußball, Tennis, Formel 1 und Baseball an, unter an-derem auch in der Bundesrepublik Deutschland. Geschäftsführer sind die beiden Beschuldigten.
Die ... ist im Besitz einer „Veranstaltungsbewilligung für die Tätigkeit als Buchmacher“ (gewerbsmäßiger Abschluss von Wetten) des Landes Oberösterreich vom 28.11.2001. Die Erlaubnis einer deutschen Behörde im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB liegt nicht vor.

Ein Spieler, der Wetten platzieren will, muss sich zunächst bei der ... über Internet registrieren lassen. Es wird dann ein Wettkonto für ihn eingerichtet. Um jedoch Einzahlungen für Wetten zu tätigen, muss er für den Bereich Deutschland auf das oben genannte Konto bei der ...bank den Wetteinsatz überweisen. Etwaige Gewinnauszahlungen werden ebenfalls über dieses Konto abgewickelt.

Auf dem ... Konto ...bank wurden nach bisherigem Ermittlungsstand mehr als 1800 Einzelbuchungen abgewickelt, die Umsätze belaufen sich auf mehr als ... Euro.
Die eingezahlten Beträge wurden mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 2.9.2003 beschlagnahmt. Es erging eine Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft (ohne Datum), wonach der Drittschuldner ...bank verboten wird, die Beträge an die ... auszuzahlen.
Gegen den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts München vom 2.9.2003 richtet sich die Beschwerde der Beschuldigten. Sie ist zulässig und begründet.
Eine strafbare Handlung nach § 284 Abs. 1, 3 StGB (gewerbsmäßige unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspieles) liegt nicht vor, da die Beschuldigten über eine behördliche Erlaubnis im Sinne der Vorschrift verfügen.

Die Erlaubnis wurde vom Land Oberösterreich am 28. November 2001 erteilt. Sie entfaltet nach Art. 59 Abs.1 (nicht Art.49, der einen anderen Sachverhalt regelt) des EG- Vertrags Wirksamkeit für den gesamten Bereich des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union.
Nach Art. 59 des EG-Vertrags werden „Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in-nerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten...schrittweise aufgehoben“. Nach Art.60 des EG-Vertrags unterfallen die verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten grundsätzlich und inhaltlich den in Art. 59 gemeinten Dienstleistungen.
Die Frage, ob die Freizügigkeit innerhalb des Gemeinschaftsgebietes uneingeschränkt auch für die hier in Rede stehenden Dienstleistungen Geltung beanspruchen darf, ist freilich umstritten. Aus einem von der Verteidigung vorgelegten Gutachten der Rechtsanwälte ... , an deren Kompetenz und Objektivität zu zweifeln das Gericht keine Veranlassung hat, ergibt sich der derzeitige Stand des rechtlichen Diskurses vor dem EuGH. Danach steht letztlich, unabhängig von Erwägungen über die Verhältnismäßigkeit, die Einschränkung der Freizügigkeit in dem hier einschlägige Bereich unter dem – verkürzt ausgedrückt – Vorbehalt der Frage, ob ein Staat kraft einer Wertentscheidung, etwa zum Zwecke der Bekämpfung oder Eindämmung der Spielsucht, innerhalb des Geltungsbereichs seiner Gesetze das Glücksspiel generell untersagt. In solchen Fällen soll es auch unter der Geltung des EG-Vertrags möglich sein, Dienstleistungen der verfahrensgegenständlichen Art zu verbieten oder an besondere Erlaubnisse zu binden. Diese Argumentation überzeugt. Sie führt im vorliegenden Falle zu der Feststel-lung, dass eine Bindung der Wettveranstaltung an eine gesonderte Erlaubnis deutscher Behörden oder gar ein Verbot von Sportwetten trotz vorliegender Erlaubnis eines anderen EU-Staates gegen die EU-Vereinbarungen und Art. 59 des EG-Vertrages verstieße. Denn in der Bundesrepublik Deutschland sind Wetten, auch Sportwetten, nach Maßgabe behördlicher Erlaubnis generell zulässig. Die Wettveranstaltungen werden sogar in allen Medien nachdrücklich beworben, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass ein Teil der Einnahmen gemeinnützigen Zwecken zufließen. Den Gesichtspunkt der Bekämpfung bzw. Eindämmung der Spielsucht kommt dabei, worauf das oben angeführte Gutachten zurecht hinweist, keinerlei Bedeutung zu.    

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in Deutschland die Wetten (Lotterie, Sportwetten) mit Ausnahmen der Pferdewetten unter staatlicher, nämlich landesrechtlicher Monopolregie stehen. Entscheidend für diese Regelung sind jedoch nicht etwa rechtstheoretische oder ordnungspolitische Erwägungen, sondern vor allem fiskalische Gesichtspunkte. Im Hinblick auf die in Deutschland geltende Regelung ist es jedenfalls nicht gerechtfertigt, privatrechtlich geführte Wettveranstaltungen unter der Geltung des EU-Rechts an eine besondere deutsche Erlaubnis zu binden, wenn, wie hier, eine österreichische Erlaubnis vorliegt.

Nach allem ist dem Beschlagnahmebeschluss mangels Vorliegens eines Straftatbestandes die Grundlage entzogen.
An einer strafbaren Handlung müsste im Übrigen schon deshalb gezweifelt werden, weil den Beschuldigten bei obwaltender Teilgestaltung ein Tatbestandsirrtum (die Erlaubnis ist Tatbestandsmerkmal) zur Seite stünde. Sollten sie, sofern man entgegen den vorstehenden Erörterungen von Erfordernis einer gesonderten Erlaubnis durch deutsche Behörden ausgeht, diese zusätzliche (deutsche) Erlaubnispflichtigkeit generell verkannt haben, müsste jedenfalls diskutiert werden, ob der entsprechende Verbotsirrtum unvereinbar war. Denn bei der vorliegenden Fallgestaltung wäre für Laien, die zudem eine Sicherheit bei der österreichischen Behörde hinterlegt haben, nur schwer verständlich, warum Sie für den Bereich Deutschlands noch einmal eine Erlaubnis erholen sollten.
Da es sich um eine vorläufige Entscheidung in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren handelt, ist für eine Kostenentscheidung kein Raum.

(Unterschriften)