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Pokerturnier ist kein vebotenes Glücksspiel iSd StGB! - LG Karlsruhe, Urteil vom 09.01.2009, Az.: Ns 97 Js 14968/07, 18 AK 127/08

Leitsätzliches

Die Austragung eines Pokertuniers in der Spielweise „Texas Hold’em“ bei dem sich die Spieler einmalig mit € 15,00 einkaufen können bzw. die dreimalige Teilnahmegebühr € 40,00 beträgt únd ein „Rebuy“ ausgeschlossen ist, stellt kein unerlaubtes Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB dar, wenn lediglich um gesponserte Sachpreise gespielt wird. Denn beim Turnierpoker, welches über viele Runden („Hände“) und „Tische“ ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt wird, überwiegt jedenfalls die Geschicklichkeitskomponente, sodass ein Obsiegen nicht maßgeblich vom Zufall abhängt. Zudem fehlt es an einem Einsatz, wenn das verlangte Eintrittsgeld in Höhe von 15,- € bzw. 40,- € (ohne "Rebuy"-Möglichkeit) lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten einschl. eines Überschusses für den Veranstalter dient, nicht hingegen der Finanzierung der Spielgewinne, wenn diese von Sponsoren zur Verfügung gestellt werden.

LANDGERICHT KARLSRUHE

- 18. Auswärtige Strafkammer -
Sitz Pforzheim

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: Ns 97 Js 14968/07, 18 AK 127/08

Entscheidung vom 9. Januar 2009

 in der Strafsache gegen

D. Y.
geb. am …,

- Verteidiger: Rechtsanwalt S., ... Pforzheim -

wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels.

Das Landgericht Karlsruhe - 18. (auswärtige) Strafkammer in Pforzheim - hat in der Sitzung vom 9. Januar 2009, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Landgericht Heidrich
als Vorsitzender

M. und H.
als Schöffen

Staatsanwalt Dr. H.
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger

Amtsinspektorin R.
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Maulbronn vom 9. September 2008 wird als unbegründet

v e r w o r f e n.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

G r ü n d e :

I.

Mit dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Maulbronn vom 9. September 2008 ist der Angeklagte nach Anklage wegen einer Straftat der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit des vorsätzlichen gewerbsmäßigen Veranstaltens eines anderen Spiels mit Gewinnmöglichkeit gem. §§ 33d, 144 Abs. 1 Nr. 1d GewO zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt worden.

Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Berufung zuungunsten des Angeklagten eingelegt. Diese bleibt ohne Erfolg.

II.

Mit ihrer Anklage vom 1. Februar 2008 macht die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Zweigstelle Pforzheim, dem Angeklagten die Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels gem. § 284 Abs. 1 StGB zum Vorwurf. Dabei wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

„Am 15.09.2007 veranstaltete der Angeschuldigte D. Y. in den Gaststättenräumlichkeiten der Z. in der F.-Str. 24, Maulbronn ein Pokerturnier, bei dem als Gewinne Sachpreise, die von einem Sponsor, der ML Event & Trading Ltd., zur Verfügung gestellt wurden, ausgelobt waren.

Die jeweiligen Spieler des Pokerturniers hatten sich bereits bei der ML Event & Trading Ltd. betriebenen Internetseite ,www.pokerwelle.de’ für das vorliegende Turnier angemeldet. Zu Beginn des Turniers erhielt jeder Spieler pro Teilnahme sogenannte ,Chips’ im Wert von 1.500 Punkten. Anschließend musste sich jeder Spieler im Rahmen einer Vorrunde gegen neun weitere Pokerspieler qualifizieren, wobei der Gewinner der jeweiligen Vorrunde ,Chips’ im Wert von 3.000 Punkten sowie die Berechtigung an der Endrunde erhielt. Der Verlierer der Vorrunde schied mit seiner Teilnahmeberechtigung an der Endrunde aus.

Die von der ML Event & Trading Ltd. ausgelobten Sachpreise für die jeweiligen Platzierungen nach Abschluss der Endrunde waren im Wert gestaffelt:

1. Preis: ein 32" LCD Fernseher
2. Preis: Eintrittskarte für ein CL Spiel VFB-Barcelona
3. Preis: Eintrittskarte für ein CL Spiel VFB-Glasgow Rangers
4. Preis: 3 Freistarts für ein weiteres Pokerturnier
5. Preis: 2 Freistarts für ein weiteres Pokerturnier
6. Preis: 1 Freistart für ein weiteres Pokerturnier.

Die angemeldeten Spieler, u.a. die Zeugen C., T., K., B., C., S. und R. waren verpflichtet, an den Angeschuldigten eine Teilnahmegebühr in Höhe von 15,- € zu zahlen. Wie der Angeschuldigte wusste, bot er den jeweiligen Spielern auf Wunsch durch Zahlung eines Betrages von 40,- € eine dreimalige Teilnahmemöglichkeit am selben Turnier an. Diese konnten dahingehend genutzt werden, dass einerseits der Spieler, der eine Vorrunde verloren hatte und sich somit für die Finalrunde nicht qualifizieren konnte, im selben Turnier nach maximal zweimal an der Vorrunde teilnehmen konnte. Andererseits gewährte der Angeschuldigte den Spielern auch die Möglichkeit, nach Gewinn einer Vorrunde durch Einsatz der zweiten und sogar dritten Spielmöglichkeit erneut an einer Vorrunde teilzunehmen und im Falle des Gewinn die bisher gewonnenen 3.000 Punkte maximal zu verdreifachen. Hierdurch erhielt der jeweilige Spieler für die Finalrunde eine höhere Gewinnchance.

Der Angeschuldigte wusste ebenfalls, dass er für die Veranstaltung des Pokerturniers keine behördliche Erlaubnis besaß.“
 
III.

Zu Recht hat das Amtsgericht Maulbronn den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil nur wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. §§ 33d, 144 Abs. 1 Nr. 1d GewO verurteilt.

Nach der Beweisaufnahme steht folgender Sachverhalt fest:

Im Jahr 2007 beschäftigte sich der Angeklagte neben seiner eigentlichen Arbeit als selbständiger Automatenaufsteller (Spielautomaten, Billardtische, Tischfußball etc.) auch mit der Veranstaltung von Pokerturnieren. Zu diesem Zweck hatte er sich zusammen mit einem Partner als „L & Y Event GbR“ vertraglich mit der Fa. „ML Event & Trading Ltd.” verbunden. Diese betrieb damals die Internetseite „www.pokerwelle.de“. Dort wurde für Pokerturniere geworben, Interessenten konnten sich „online“ dort für Veranstaltungen anmelden, und für die jeweils zustande kommenden Veranstaltungen stellte „ML Event & Trading Ltd.” von Sponsoren (gegen werbewirksame Erwähnung auf der Internetseite) zur Verfügung gestellte Sachpreise. Die Organisatoren vor Ort, wie die „L & Y Event GbR“, hatten hierfür pro Veranstaltung 150,- € „Lizenzgebühr“ an die „ML Event & Trading Ltd.” zu bezahlen. Am 15. September 2007 organisierte der Angeklagte mit seinem Partner in den Räumen der Gaststätte Z. in der F.-Str. 24, Maulbronn, ein derartiges Pokerturnier, wobei die derzeit allgemein gängigste Variante dieses Kartenspiels, das sog. „Texas Hold’em“, gespielt wurde.

Hierbei gelten im Wesentlichen folgende Regeln: Bei dieser Pokervariante erhält jeder Spieler aus einem 52-Kartenblatt je zwei verdeckte Karten, die nur er kennt. Zusätzlich werden fünf Gemeinschaftskarten aufgedeckt, von denen jeder Spieler die drei am besten passenden zu seinen zwei verdeckten Karten hinzuzählt. Es gewinnt der Spieler mit dem besten Blatt. Im Einzelnen: Nach dem Austeilen der beiden verdeckten Karten erfolgt eine Setzrunde, ein sog. „Blind“. Hierfür hat jeder Spieler folgende Möglichkeiten: Er wirft seine beiden Karten einfach weg und beteiligt sich nicht weiter am Pot. Er zahlt den Mindesteinsatz. Er erhöht. Es  beginnt ein Spieler, wofür die Sitzordnung maßgebend ist. Wenn in der Runde nicht erhöht wurde, hat der erste Spieler die Option, keinen weiteren Einsatz in den Pot zahlen oder aber zu erhöhen. Eine Runde ist beendet, wenn alle Spieler den selben Betrag in den Pot gezahlt haben. Nach der ersten Setzrunde werden drei offene Karten vom „Dealer“ in die Mitte gelegt. Es beginnt jetzt der neben dem in der ersten Setzrunde anfangenden Spieler Sitzende. Er hat folgende Optionen: Er "schiebt" (wenn alle Spieler schieben, ist die Runde beendet). Er setzt einen Betrag. Er steigt aus. Diese Runde ist beendet, wenn alle Spieler den selben Betrag in den Pot gezahlt haben oder reihum geschoben wurde. Nach dieser Runde legt der „Dealer“ eine weitere offene Karte in die Mitte und die dritte Setzrunde beginnt. Im Anschluss folgt das Aufdecken der letzten offenen Karte und die letzte Setzrunde beginnt. Unmittelbar nach dem Ende der Setzrunde kommt es zum „Showdown“, d.h. die Karten der Spieler, die noch beteiligt sind, werden aufgedeckt und der Pot geht an den Spieler mit dem besten Blatt.

In der Gaststätte wurden bei der vom Angeklagten und seinem Partner organisierten Pokerveranstaltung drei Spieltische für jeweils zehn Spieler aufgebaut. An jedem Tisch war ein „Dealer“ eingeteilt, der für die Ausgabe der Karten und die sonstige Organisation des Spielverlaufs zuständig war. Es wurden in einer Vorrunde insgesamt zehn „Tische“ ausgespielt, d. h. an einem Tisch wurden nacheinander mehrere Spielrunden abgewickelt. Somit standen maximal 100 Spielerplätze zur Verfügung.

Jeder Teilnehmer erhielt für die Setzrunden „Chips“ mit insgesamt 1500 Punkten. An einem Tisch wurde bei dieser Veranstaltung so lange gespielt, bis alle Spieler bis auf zwei mangels übrig gebliebener „Chips“ aus dem Spiel ausgeschieden waren. Die jeweils zwei Gewinner eines „Tisches“ erhielten die Berechtigung zur Teilnahme an der Finalrunde, die mit insgesamt 20 Spielern an zwei Tischen ausgetragen wurde, und für diese Endrunde „Chips“ mit insgesamt 3000 Punkten.

Am Ende konnten die sechs besten Spieler folgende Sachpreise gewinnen:

1. Preis: ein 32" LCD Fernseher
2. Preis: Eintrittskarte für ein CL Spiel VFB-Barcelona
3. Preis: Eintrittskarte für ein CL Spiel VFB-Glasgow Rangers
4. Preis: 3 Freistarts für ein weiteres Pokerturnier
5. Preis: 2 Freistarts für ein weiteres Pokerturnier
6. Preis: 1 Freistart für ein weiteres Pokerturnier.

Der Angeklagte und sein Partner hatten neben der „Lizenzgebühr“ an die „ML Event & Trading Ltd.” und einem Entgelt für die „Dealer“ von 10,- € pro Mann und Stunde vor allem erhebliche Ausgaben für regionale Plakatwerbung. Dem Wirt hatten sie im Hinblick auf den erwarteten Getränkeumsatz nichts zu bezahlen.

Die Teilnehmer an diesem Pokerturnier konnten sich entweder vorab über die von der „ML Event & Trading Ltd.“ betriebene Internetseite für das vorliegende Turnier anmelden oder direkt vorort. Für die Teilnahme war eine Teilnahmegebühr in Höhe von 15,- € an die Organisatoren, also den Angeklagten und seinen Partner, zu zahlen. Es bestand aber auch die Möglichkeit, gegen Zahlung von 40,- € drei Spielberechtigungen zu erwerben. Mit diesen konnte man entweder bei diesem Turnier nacheinander an drei „Tischen“ oder bei bis zu drei verschiedenen, über „www.pokerwelle.de“ promoteten Turnieren teilzunehmen. Auch war es möglich, dass drei Spieler sich zusammen taten, einer die drei Spielberechtigungen erwarb und sie dann verteilte, so dass sie insgesamt 5,- € sparten. Erwarb ein einzelner Spieler eine Dreifachberechtigung, konnte er theoretisch auch bei dieser Veranstaltung an drei „Tischen“ spielen, dreimal gewinnen, und sich so mit „Chips“ mit maximal 9000 Punkten in der Finalrunde einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffen. Eine Zweifachspielberechtigung wurde nicht angeboten. Auch mussten die Spieler sich vor Turnierbeginn für eine Variante entscheiden. Eine Möglichkeit des nachträglichen Erwerbs der Spielberechtigung für weitere „Tische“ (sog. „Rebuy“) gab es nicht.

Die „ML Event & Trading Ltd.“ hatte mit Fax vom 28. August 2007 beim Ordnungsamt der Stadt Maulbronn das Pokerturnier vom 15. September 2007 mit detaillierte Darlegung der Modalitäten angezeigt.

Der Angeschuldigte wusste, dass er für die Veranstaltung des Pokerturniers keine behördliche Erlaubnis besaß. Er war aber der Meinung, es handele sich nicht um die Veranstaltung eines Glücksspiels, und er bedürfe keiner Genehmigung.

IV.

Diese Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den entsprechenden Einlassungen des Angeklagten, deren Richtigkeit keinen Zweifeln unterliegt. Dies gilt insbesondere für die Frage der Finanzierung der Gewinne. Dass es sich hierbei um von Sponsoren zur Verfügung gestellte Sachpreise handelt, wird durch eine Bestätigung der „ML Event & Trading Ltd.“ belegt. Die Höhe des Eintrittsgeldes lässt es überdies plausibel erscheinen, dass das Eintrittsgeld lediglich für die Veranstaltungskosten unter Ausschluss der Finanzierung der Sachpreise verwendet wurde. Der Sachverhalt war bereits im Ermittlungsverfahren „unstreitig“; im vorliegenden Fall geht es der Staatsanwaltschaft um die rechtliche Bewertung.

V.

Bei diesem Sachverhalt hat der Angeklagte sich nicht strafbar gemacht:

Eine Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB ist nicht gegeben:

Nach § 3 Abs. 1 GlüStV liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Den strafrechtlichen Begriff des "Glücksspiels" hat der Gesetzgeber nicht definiert.

Er ist also auszulegen. Im Hinblick auf die Funktion des Strafrechts und wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes kommt aber lediglich eine restriktive Auslegung in Betracht. Hierbei ist der Schutzzweck des § 284 StGB zu beachten. Überwiegend wird der Schutz der Spieler vor der Ausbeutung durch andere, die ihre eigene Leidenschaft ausnutzen (BGHSt 11, 209; BayObLGSt 1993, 11), sowie der Schutz der Allgemeinheit vor Störungen des Wirtschaftslebens und vor der mit organisiertem Glücksspiel unter Umständen einhergehenden Beschaffungs , Begleit- und Folgekriminalität als Zweck der Regelung angesehen. Die schlichte Verwaltungsrechtswidrigkeit eines Spielbetriebs ohne staatliche Konzession dürfte eine strafrechtliche Sanktion kaum rechtfertigen; dies ist typischerweise dem Ordnungswidrigkeitenrecht vorbehalten. Auch der fiskalische Nutzen ist verfassungsrechtlich sicherlich nicht als Rechtfertigung für eine Strafrechtsnorm geeignet (BVerfGE 28,119). § 284 Abs. 1 StGB stellt von daher ein abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt dar (SK-Samson, § 284 Rn 3-4; LK-von Bubnoff, vor § 284 Rn 5).

Die Rechtsprechung hat das Glücksspiel insoweit zunächst einmal gegenüber einem Geschicklichkeitsspiel dahin abgegrenzt, dass darunter ein Spiel zu verstehen sei, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler, sondern allein oder jedenfalls hauptsächlich vom Zufall abhängt (BGHSt 2, 274, 276; 11, 209; 34, 171). Ob ein Spiel wie Poker, das sowohl Geschicklichkeitselemente wie auch Zufallselemente in sich vereint, ein Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB darstellt, ist letztendlich eine Abwägungsfrage. So wird Skat i.d.R. als Geschicklichkeitsspiel angesehen (LK-von Bubnoff, § 284 Rn 8). Zwar gibt es ein Urteil des Reichsgerichts zur Glücksspielqualität von Poker (RG JW 1906, 798 – oft falsch zitiert als NW 1906, 798). Jedoch bezog sich die Entscheidung aus dem Jahre 1906 ausschließlich auf die Spielform „Draw Poker“. Außerdem lässt auch das genannte Urteil eine eingehende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten des Spiels vermissen. Die Schlussfolgerungen des Reichsgerichts können daher nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Beim Turnierpoker, welches – wie im vorliegenden Fall - über viele Runden („Hände“) und „Tische“ ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt wird, überwiegt jedenfalls die Geschicklichkeitskomponente. Das Zufallselement ist umso weniger bedeutsam, je mehr „Hände“ gespielt werden müssen. Mit steigender Rundenanzahl kommt es mehr und mehr auf die Fähigkeiten der Spieler an. Ziel des Spiels ist es nämlich nicht, möglichst viele einzelne Runden zu gewinnen, sondern am Ende am meisten bzw. alles gewonnen zu haben. Dazu müssen die Spieler in der Lage sein, bei schlechten „Händen“ möglichst wenig zu verlieren und bei guten „Händen“ möglichst viel zu gewinnen. Dies erfordert taktisches Geschick, Strategie und mathematisches sowie psychologisches Einfühlungsvermögen - alles Eigenschaften, die als Geschicklichkeitselemente einzuordnen sind (Holznagel: Poker – „Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel?“ MMR 2008, 439; Kretschmer, ZfWG 2007, 93). Wenn Poker in einigen landesrechtlichen Spielbankgesetzen zu den „Glücksspielen, die in Spielbanken gespielt werden dürfen“, gezählt wird, folgt hieraus keineswegs, dass Poker ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinn ist. Denn beim Strafgesetzbuch handelt es sich um ein Bundesgesetz. Die Bundesländer haben jedoch nicht die Kompetenz, die Auslegung eines solchen Bundesgesetzes zu beeinflussen. Die genannten landesrechtlichen Normen helfen bei der Einordnung als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel also auch nicht weiter. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass das vom Angeklagten mitorganisierte Pokerturnier nicht den Glücksspielen im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB zuzurechnen ist.

Dies gilt noch aus einem weiteren Grund:

Die Definition des Glücksspielbegriffs im strafrechtlichen Sinn verlangt als weiteres, zusätzliches Element, dass durch die Leistung eines „Einsatzes“ die Aussicht auf einen von einem Zufall abhängigen Vorteil erlangt wird (BGHSt 34, 171). So hat das Reichsgericht bereits erkannt, dass zu jedem Glücksspiel in dem in § 284 StGB vorausgesetzten Sinn ein „Einsatz“ gehört (RGSt 55, 270). Es ist auch nicht vorstellbar, wie ein Glücksspiel, so wie dieser Begriff allgemein verstanden wird, durchgeführt werden sollte, wenn die Mitspieler keine „Einsätze“ tätigen. Bei einem Glücksspiel im strafrechtlichen Sinne geht es nämlich um die Erzielung eines Gewinns oder um den Verlust des „Einsatzes“. Was im einzelnen unter einem "Einsatz" zu verstehen ist, ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz. Darunter wird nach wohl h. M. jede Leistung verstanden, die erbracht wird in der Hoffnung, im Falle des "Gewinnens" eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des "Verlierens" dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheimfällt (BGHSt 34, 171). Dabei muss es sich wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel um einen "Einsatz" handeln, der nicht ganz unbeträchtlich ist. Das erforderliche Entgelt, das als Spieleinsatz für die Teilhabe an der Gewinnchance erbracht wird, kann auch in versteckter Form, wie z.B. durch Eintritts- oder Verzehrkarten, geleistet werden. Wesentlich ist für das Vorliegen eines „Einsatzes“ von daher aber, dass der Verlust des in dem Einsatz verkörperten Vermögensteils von einem ungewissen Ereignis abhängt. Schon begrifflich kann als Einsatz in einem Glücksspiel nicht ein Vermögensaufwand angesehen werden, der vor der Teilnahme als Unkostenbeitrag zu erbringen und in jedem Fall verloren ist; eine weitergehende Auslegung widerspräche dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG. In diesem Fall wird - dies ist im Hinblick auf den Schutzzweck von Relevanz - auch abstrakt kein Vermögen „gefährdet“. Das hier verlangte Eintrittsgeld in Höhe von 15,- Euro bzw. 40,- € (ohne "Rebuy"-Möglichkeit) diente lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten einschl. eines Überschusses für den Angeklagten und seinen Partner, nicht hingegen der Finanzierung der Spielgewinne, da diese von Sponsoren zur Verfügung gestellt wurden. Das Eintrittsgeld ermöglichte lediglich die Teilnahme am Spiel und war - anders als ein Spieleinsatz - stets verloren. Es stellte somit keinen „Einsatz“ dar.

Vorliegend ist aber nicht nur der Tatbestand der Strafnorm nicht erfüllt, es fehlt auch am erforderlichen Vorsatz. § 284 Abs. 1 StGB kann nur vorsätzlich begangen werden. Erforderlich ist zumindest bedingter Vorsatz bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestands. Der Täter muss die Umstände kennen, die das Spiel zu einem Glücksspiel machen, also die Charakteristika des Spiels, die Öffentlichkeit und die fehlende Erlaubnis. Stellt sich der Täter einen Sachverhalt vor, der – wenn er tatsächlich gegeben wäre – zur Bewertung als Geschicklichkeitsspiel oder zur Annahme eines strafrechtlich irrelevanten Teilnahmeentgelts führen würde, so liegt ein Tatbestandsirrtum vor. So ist es hier, selbst wenn man der oben dargelegten rechtlichen Bewertung des Pokerturniers nicht folgen will. Aus Sicht des Angeklagten beinhaltete das von ihm mitorganisierte Pokerturnier kein Glücks-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel, und es wurde nicht mit und um Einsätze(n) gespielt, sondern lediglich ein Eintrittsgeld verlangt. Folgt man der angeführten rechtlichen Bewertung nicht, kann sich als Folge allerdings auch ergeben, dass aufgrund abweichender Definitionen, etwa des Begriffs „Einsatz“, andere tatsächliche Elemente in den Vordergrund rücken, woraus wiederum die Vorstellung des Angeklagten eine andere rechtliche Einordnung erfahren kann. Wenn der Täter nämlich alle tatsächlichen Umstände kennte, die die Bewertung als Glücksspiel oder als strafrechtlich relevanter Einsatz tragen, und er lediglich aufgrund einer abweichenden Bewertung beispielsweise der an das Zufallsmoment oder an das Vorliegen eines Einsatzes zu stellenden Anforderungen zu einer abweichenden Einschätzung käme, läge ein bloßer Subsumtionsirrtum vor (BeckOK-Beckemper StGB § 284, Rn 31; MK-Groeschke/Hohmann § 284 Rn 24; SK-Hoyer § 284 Rn 23; Lackner/Kühl StGB § 284 Rn 13). Aber selbst dann, wenn man vorliegend dem Angeklagten insoweit lediglich einen Rechtsirrtum im Sinne des § 17 StGB zubilligen wollte, käme man konsequenterweise nicht umhin, diesen als unvermeidbar anzusehen. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum liegt nämlich auch vor, wenn die gebotene Erkundigung bei einer sachkundigen Stelle zu einer Falschauskunft geführt hätte (BGHSt 37, 67; BGH WTRP 1996, 1606; BayObLG NJW 1989, 1744). So liegt - aufgrund vorstehender Ausführungen - der Fall hier.

Auch die Tatbestandsmerkmale einer Straftat nach § 148 Abs. 1 Nr. 1 GewO liegen nicht vor:
Der Begriff einer "beharrlichen" Wiederholung von Verstößen, hier kommt ein solcher gegen § 33d Abs. 1 GewO in Betracht, setzt ein besonders hartnäckiges Verhalten voraus, durch das die rechtsfeindliche Einstellung des Täters gegenüber den in Frage kommenden gesetzlichen Normen deutlich wird, obwohl er schon wegen der Folgen vorangegangener Zuwiderhandlungen Erfahrungen gesammelt haben müsste (BGH NStZ 1992, 594). Davon kann hier keine Rede sein.

Es bleibt allerdings eine Ordnungswidrigkeit gem. §§ 144 Abs. 1 Nr. 1d, 33d Abs.1 GewO, denn der Angeklagte hat, wie er wusste, ohne Erlaubnis ein „anderes Spiel mit Gewinnmöglichkeit“ gewerbsmäßig veranstaltet. In Verbotsirrtum in dieser Beziehung wäre vermeidbar gewesen und ist daher irrelevant, § 11 Abs. 2 OWiG.

VI.

Die Geldbuße bemisst sich nach §§ 17 Abs. 1 OwiG, 144 Abs. 4 GewO, und reicht von 5,- bis 50000,- €. Angesichts des reinen Formalverstoßes, der bisherigen Unbescholtenheit und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, der nach Abzug seiner Vorsorgeaufwendungen und der Steuer aus der Tätigkeit als selbständiger Automatenaufsteller monatlich ca. 2000,- € netto erwirtschaftet und hiervon scheidungsbedingt an zwei Kinder monatlich 750,- € Unterhalt bezahlen muss, ist eine Geldbuße von 100,- €, wie erstinstanzlich verhängt, angemessen.

VII.

Ein Teilfreispruch ist nicht veranlasst (OLG Karlsruhe NJW 1973, 1989).

VIII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

(Unterschriften)