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OLG Köln: Sexgespräche über Btx

Leitsätzliches

Aus dem Gesichtspunkt der Anscheinsvollmacht haftet derjenige für entstandene Nutzungsgebühren, der von seinem Btx-Anschluß kostenpflichtige Programme abruft, wenn der Anbieter dem Teilnehmer die Möglichkeit verschafft hat, durch ein persönliches Kennwort den unbefugten Zugriff Dritter auszuschließen.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 19 U 134/92

Entscheidung vom 30. April 1993

 

 

 

In dem Rechtsstreit (...)

 

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (...) für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landesgerichts Köln vom 26. November 1991 - 27 O 105/91 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

 

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 6.579,10 DM nebst 5 % Zinsen aus 5.921,70 DM seit dem 23.1.l991 zu zahlen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagen auferlegt.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

 

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg.

 

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist ausweislich des Handelsregisterauszugs Rechtsnachfolgerin der Firma A., die ihrerseits Bildschirmtext-Anbieterin des Programms S. war; des weiteren hat die Klägerin durch Vorlage der Abtretungserklärungen vom 1.10.1990 und 4.12.1990 nachgewiesen, daß ihr auch die Ansprüche der Firma EUROTEL abgetreten sind, die über BTX Anbieterin des Programms A. war; beide Programme sollen vom Btx-Anschluß der Beklagten zu den in Rechnung gestellten Zeiten abgerufen worden sein.

 

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 5.921,70 DM Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme dieser beiden Programme in den Monaten September/Oktober 1990 ist gerechtfertigt. Denn es steht aufgrund der Erklärungen des Zeugen (...) für den Senat zweifelsfrei fest, daß unter der Anschlußkennung der Beklagten und mit deren Teilnehmernummer sowie dem richtigen persönlichen Kennwort diese Programme über den Btx-Anschluß der Beklagten abgerufen worden sind. Nach der von den Beklagten nicht in Zweifel gestellten Aussage des Zeugen war der Zugang zum Btx-Netz zweifach gesichert: Erstens über die Anschlußkennung, die hardwaremäßig in der Anschlußbox der Beklagten gespeichert war und bei Inbetriebnahme des Anschlusses automatisch an die Vermittlungsstelle gesendet wurde; zweitens durch das persönliche Kennwort des Teilnehmers, das manuell eingegeben werden mußte und vom Teilnehmer jederzeit geändert werden konnte. Zusätzlich mußte der Teilnehmer seine Teilnehmernummer, die mit der Telefonnummer identisch war, angeben. Zudem bestand die Möglichkeit der "Freizügigschaltung", die es dem Teilnehmer ermöglichte, von jedem ebenfalls freizügig geschalteten Terminal unter eigener Kennung - unter Angabe der Teilnehmernummer und des persönlichen Kennwortes - in das System zu gelangen. Die Freizügigschaltung kann der Teilnehmer auf einzelne Tage beschränken, er muß sie auf alle Fälle selbst vornehmen.

 

Die Beklagten haben selbst behauptet, ihr Anschluß sei nicht freizügig geschaltet gewesen, so daß die Möglichkeit der Inanspruchnahme ihres Anschlusses von außerhalb schon nach eigenem Vorbringen ausscheidet; denn ohne Freizügigschaltung hätte einem Dritten, der ihren Anschluß unberechtigt von außerhalb benutzen wollte, auch die Kenntnis der persönlichen Kennwortes nicht geholfen, wie der Zeuge (...) glaubhaft bekundet hat.

 

Damit kann ausgeschlossen werden, daß unbefugte Dritte die Dienste der Klägerin von anderen Terminals zu Lasten des Anschlusses der Beklagten in Anspruch genommen haben (vgl. hierzu Auerbach, Bestellvorgänge mittels Bildschirmtext, CR 1988, 18 [20]). Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, daß sie nur vom Anschluß der Beklagten abgerufen worden sein können, und zwar entweder von einem der Beklagten oder der Ehefrau des Beklagten; denn die Beklagten haben auch ausgeschlossen, daß ein Dritter Zugang zu dem in ihrem Haushalt gelegenen Anschluß hatte. Das deckt sich mit dem Schreiben der TELEKOM an den Beklagten vom 10.10.1990, wonach keine Hinweise auf eine Fremdnutzung vorlägen. Dieses Schreiben beruht auf einer Untersuchung, bei der in der Leitzentrale der TELEKOM in Ulm mittels eines Großrechners überprüft worden ist, unter welcher Anschlußkennung die den Beklagten in Rechnung gestellten Dienste in Anspruch genommen worden sind. Dabei hat sich herausgestellt, daß dies die in der Hardwarebox der Beklagten gespeicherte Anschlußkennung war, wie der Zeuge weiter bekundet hat.

 

Diese Überzeugung können die Beklagten auch nicht durch das Zeugnis der Ehefrau des Beklagten oder Einholung eines Sachverständigengutachtens widerlegen. Die beklagte Tochter und die Ehefrau des Beklagten sollen beide nicht wissen, wie man sich Zugang zum BTX verschafft, was wiederum die Ehefrau soll bezeugen können. Hinsichtlich der Tochter erscheint das schon deshalb nicht glaubhaft, weil sie sich als Anschlußinhaberin hat registrieren lassen, und welchen Grund sollte dies haben, wenn nicht den, den Anschluß auch zu benutzen. Auch ist nicht ersichtlich, wie die Mutter sicher wissen kann, über welche tatsächlichen Kenntnisse die Tochter in diesem Bereich nicht verfügt. Darüber hinaus sprechen die oben geschilderten Zugangsvoraussetzungen im Zusammenhang mit der von der TELEKOM vorgenommenen Überprüfungen der Anschlußkennung in einem solchen Maße für die Inanspruchnahme der Dienste durch die Beklagten oder die im Haushalt lebende Ehefrau, daß die Zeugin schon darlegen können müßte, daß eine andere Möglichkeit zumindest ebenso wahrscheinlich ist. Diesbezügliche Tatsachen haben die Beklagten weder durch die Zeugin unter Beweis gestellt noch können sie es durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens beweisen. Denn der Sachverständige könnte nur generell untersuchen, ob Manipulationen möglich sind, ohne damit eine Benutzung durch die Beklagen ausschließen zu können; das gilt um so mehr, als die Beklagten ihr Gerät, wie sie behaupten, nicht freizügig geschaltet hatten und außerdem kein Dritter ohne ihr Wissen Zugang zu dem im Haushalt befindlichen Anschluß hatte.

 

Die Beklagten haften daher als Teilnehmer des Bildschirmtextes unmittelbar, aus dem Gesichtspunkt der Anscheinsvollmacht aber auch dann, wenn die Ehefrau des Beklagten ohne deren Kenntnis die Leistungen in Anspruch genommen hätte. Die Klägerin durfte dann darauf vertrauen, die Beklagten billigten ihr Handeln, während die Beklagten bei pflichtgemäßer Sorgfalt die Fremdnutzung hätten erkennen können, da beispielsweise zu Beginn jeden Dialogs die Uhrzeit des zuletzt geführten Dialogs von der Btx-Zentrale angegeben wird (so Auerbach, a.a.O.); auch wurden schon in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Teilnehmer von der TELEKOM angeschrieben, wenn sie an einem Tag Gebühren von mehr als 100,--DM oder innerhalb eines Abrechnungszeitraums von mehr als 400,-- DM in Anspruch genommen hatten, wie der Zeuge weiter bekundet hat. Die Beklagten hätten die Fremdnutzung z.B. durch Kennwortänderung oder Geheimhaltung desselben auch jederzeit verhindern können (vgl. hierzu Redeker, NJW 1984, 2390 [2393]).

 

Der Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Stornolisten, in denen Datum, Uhrzeit und Dauer der Inanspruchnahme aufgeschlüsselt sind. Einer näheren Beschreibung der Leistungen seitens der Klägerin bedurfte es zur Konkretisierung entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht. Beschreiben könnte die Klägerin, was sie auch getan hat, wie auch sonst bei Inanspruchnahme von Rechnerleistung nur generell, was das Programm bietet, nicht aber, was der Benutzer tatsächlich damit gemacht hat, zumal es sich um ein interaktives Programm handelt.

 

Die Dienstleistungen der Klägerin können auch nicht als sittenwidrig angesehen werden. Das Landgericht hat diese Möglichkeit in den Raum gestellt, sich jedoch mangels Kenntnis des Programms zu keiner abschließenden Beurteilung in der Lage gesehen. Dieser Kenntnis bedarf es auch nicht. Denn die Klägerin stellt offensichtlich nur eine elektronische Plattform zur Verfügung, auf der der Benutzer mit Dritten - auch erotisch - "kommunizieren" kann. Das ist etwas anderes als der Telefonsex, den die Beklagten unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Hamm (NJW 1989, 2551) als Beispiel für Sittenwidrigkeit ins Feld führen. Im übrigen dürfte auch die Bezahlung der Telefonrechnung beim Telefonsex schwerlich mit der Begründung verweigert werden können, das Telefon diene als Medium des sittenwidrigen Verhaltens.

 

Die Bezahlung der Inkassokosten von 558,60 DM schulden die Beklagen, weil sie sich bei Einschaltung desselben bereits in Verzug befanden (§§ 284, 286 BGB) und mangels anders lautenden Sachvortrags die Klägerin davon ausgehen konnte, daß die Beklagten ohne gerichtliche Hilfe leisten würden.

 

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284, 288 BGB.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

Berufungsstreitwert und Beschwer für die Beklagten: 6.579,10 DM.