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Provider-Haftung für unberechtigte KK-Anträge - OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27. Mai 2010, Az.: 6 U 65/09

Leitsätzliches

Ein Provider haftet als Täter, nicht nur als Störer, auf Schadensersatz, für die Stellung unberechtigter KK-Anträge seiner Kunden. Ein Provider muss seine betrieblichen Vorgänge im Rahmen des Zumutbaren so organisieren, dass Verletzungen von Rechten Dritter beim Weiterleiten von KK-Anträgen unterbleiben.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen:  6 U 65/09

Entscheidung vom 27. Mai 2010

In dem Rechtsstreit

der Firma ….,

Beklagten und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: ….

gegen

Herrn …,
Kläger und Berufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann c/o Rechtsanwalte Terhaag & Partner, Stresemannstraße 26, 40210 Düsseldorf,

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …., Richterin am Oberlandesgericht … und Richter am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2010

für Recht erkannt:


Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01.04.2009 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.419,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Dem Grunde nach besteht der eingeklagte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten als Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts des Klägers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dieses Recht hat die Beklagte verletzt, indem sie für von dem Kläger und dessen Geschäftspartner gehaltene Domains sogenannte KK-Anträge an die DENIC mit dem Ziel gerichtet hat, Änderungen im WHOIS-Register der DENIC vornehmen zu lassen. Da die Beklagte Täterin dieser Verletzungshandlung ist, nicht Störerin, haftet sie auf Schadensersatz.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe lediglich den Auftrag eines namentlich nicht genannten Kunden ausgeführt und sei daher nicht dafür verantwortlich, dass die Domains des Klägers ohne dessen Kenntnis und Einwilligung seiner Verfügungsmacht entzogen wurden und vorübergehend die Beklagte als Provider dieser Domains fungierte. Der Einwand, sie, die Beklagte, habe darauf vertrauen dürfen, dass ihr Kunde gegenüber dem Kläger berechtigt war, die Inhaberschaft an den Domains zu ändern, kannte das Verschulden der Beklagten ausschließen, wenn es sich um einen „normalen" Auftrag gehandelt hätte. Der Kläger hat jedoch unwidersprochen dargelegt, dass die Beklagte versucht hat, das WHOIS-Register bezüglich einer Vielzahl von Domains des Klägers mit jeweils einer Vielzahl von sogenannten KK-Anträgen zu verändern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift Bezug genommen. Wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass ihr Vortrag zutrifft, ein Kunde habe all diese Anzeigen veranlasst, so hatte die Beklagte jedenfalls diese besonderen Umstände zum Anlass nehmen müssen, zu überprüfen, ob die von ihr an die DENIC weitergeleiteten Anträge in Kenntnis des Klägers und seines Geschäftspartners erfolgten.

Die Beklagte kann ihre fehlende Verantwortlichkeit auch nicht damit begründen, das Verfahren der Weiterleitung von KK-Anträgen laufe bei ihr automatisiert ab. Sie muss durch eine entsprechende Organisation ihres Betriebs im Rahmen des Zumutbaren dafür sorgen, dass jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art die Verletzung von Rechten Dritter unterbleibt.

Die haftungsbegründende Kausalität des Verhaftens der Beklagten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es zu einer Veränderung der Verfügungsgewalt über die Domains nur dann kommt, wenn der bisherige Provider der Domain der Rechtsübertragung zustimmt. Ein in den Kausalverlauf eingreifendes Fehlverhalten Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung und dem Schadenseintritt regelmäßig nicht; anders liegt es nur dann, wenn der weitere Schaden durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten des Dritten ausgelöst worden ist (BGH NJW 2000, 947). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vielmehr hat die Beklagte das Fehlverhalten des Providers des Klägers dadurch provoziert, dass sie immer wieder KK-Anträge gestellt hat.

Die Klage ist der Höhe nach teilweise begründet. Dabei ist davon auszugehen, dass eine 1,3-Geschäftsgebühr angemessen ist. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers für zwei Mandanten tätig geworden ist, hat er zwei Unterlassungsansprüche geltend gemacht (in entsprechender Anwendung von § 1011 BGB, vgl. für das Patentrecht: Benkard, Patentgesetz 10. Auflage, § 139 Rdn. 16), die in dem anzusetzenden Gegenstandswert addiert aber gesondert enthalten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 16.12.2009, Az. 6 W 199/09).

Ausweislich ihrer Abmahnung vom 08.08.2008 haben der Kläger und sein Mitgesellschafter die Beklagte wegen zweier Domains „….de" und „…de" abgemahnt. Der Senat erachtet pro Gläubiger und pro Domain einen Gegenstandswert von 10.000,-- €, mithin einen Gesamtgegenstandswert von 40.000,-- € für angemessen. Dieser Gegenstandswert hat sich nicht nachträglich dadurch erhöht, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schreiben vom 14.08.2008 (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 40 f d. A.) eine Reihe weiterer Domains aufgeführt hat, um der Erwiderung der Beklagten auf die Abmahnung entgegenzutreten, es handele sich um einen Zufall bzw. einen Betrugsversuch von dritter Seite. Denn diese Domains sind nicht Gegenstand der Abmahnung geworden, sondern lediglich zur Begründung für deren Berechtigung herangezogen worden.

Damit ist eine 1,3- Geschäftsgebühr in Höhe von 1.172,60 € fällig geworden, woraus sich zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer der zugesprochene Betrag von 1.419,19 € ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs ZPO.

Unterschriften