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Unzulässige Veröffentlichung von privaten E-Mail im Internet - AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 27. Dezember 2000, Az.: 10 C 1011/00

Leitsätzliches

Die - auch auszugsweise - Veröffentlichung von privaten E-Mails ist wegen Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht unzulässig.

AMTSGERICHT BERLIN-CHARLOTTENBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 10 C 1011/00

Entscheidung vom 27. Dezember 2000

 

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Abteilung 10, auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2000 durch ...

für Recht erkannt:

1. Der Verfügungsbeklagten wird unter Androhung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsstrafe bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, E-Mails, welche die Verfügungsklägerin privat an sie geschickt hat, im Internet zum Abruf durch jedermann bereitzustellen und zwar insbesondere E-Mails mit dem im folgenden wiedergegebenen Text:

a) ...
b) ...
c) ...

2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Veröffentlichung von E-Mails auf der Homepage der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsbeklagte befasst sich mit der Veröffentlichung von Informationen über die Scientology-Kirche. Sie unterhält unter der Adresse "www. ... .de" eine Homepage, auf der sie seit Ende September 2000 die im Tenor genannten E-Mails, die ihr von der Verfügungsklägerin übersandt worden sind, zum öffentlichen Abruf einstellt.

Die Verfügungsklägerin war mit einem Mitglied der Scientology-Kirche verheiratet und nahm nach der Trennung von ihrem Ehemann Kontakt zu der Verfügungsbeklagten auf, um sich mit ihr über ihre Erfahrungen mit der Scientology-Kirche auszutauschen und diese bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Scientology zu unterstützen. Die Parteien führten eine rege E-Mail-Korrespondenz, im Zuge derer die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten Privates mitteilte, sowie Informationen über Mitglieder der Scientology-Kirche und einige Fotografien darunter ein Foto von ihrer Hochzeit übersandte. Auf Wunsch der Verfügungsklägerin richtete ihr die Verfügungsbeklagte eigenen Bereich auf ihrer Homepage ein, auf dem die Verfügungsklägerin ihre Erfahrungsberichte und Bilder zum Abruf im Internet bereitstellen konnte. Zwischenzeitlich hat die Verfügungsklägerin ein Buch mit dem Titel "Meine Ehe mit einem Scientologen" veröffentlicht.

Kurz vor Erscheinen des Buches stellte die Verfügungsklägerin fest, dass ihr Hochzeitsfoto im Internet zum Abruf bereit gestellt worden war. In Reaktion hierauf veröffentlichte die Verfügungsklägerin einen Beitrag in einer Newsgroup zum Thema Scientology, in dem sie der Verfügungsbeklagten vorwarf, dieses Foto ohne ihre Einwilligung weitergegeben zu haben. Die ungenehmigte Veröffentlichung des Fotos komme den Methoden des Geheimdienstes der Scientology Kirche "OSA" gleich. Diesen Beitrag nahm die Verfügungsbeklagte zum Anlass, die im Tenor genannten E-Mails in ihre Homepage einzustellen.

Die Verfügungsklägerin behauptet, die Veröffentlichung der von ihr an die Verfügungsbeklagte gesandten E-Mails diene allein dazu, sie in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Sie ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte habe mit der Veröffentlichung der privaten Korrespondenz auf ihrer homepage gegen ihren Willen in ihre Privatsphäre eingegriffen.

Die Verfügungsklägerin beantragt sinngemäß,

es der Verfügungsbeklagten unter Androhung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsstrafe bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die auch im Wiederholungsfalle 2 Jahre nicht überschreiten darf, zu untersagen, E-Mails, welche sie privat an die Verfügungsbeklagte geschickt hat, im Internet zum Abruf durch jedermann bereitzustellen und zwar insbesondere E-Mails mit dem im Folgenden wiedergegebenen Text:

a) ...
b) ...
c) ...

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie behauptet, die Verfügungsklägerin habe ihr eine Fülle von E-Mails und Fotografien gesandt, die sämtlich dazu bestimmt gewesen seien, von ihr auf der für sie eingerichteten Web-Site veröffentlicht zu werden. Die Verfügungsklägerin sei daher mit der Veröffentlichung sämtlicher E-Mails einverstanden gewesen. Im Übrigen habe sie sich nur gegen die Vorwürfe der Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Hochzeitsfotos zur Wehr gesetzt.

Sie meint ferner, dass ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung der E-Mail-Korrespondenz bestehe, weil die Verfügungsklägerin mit ihrem Buch in die Öffentlichkeit getreten sei. Schließlich verbreite die Verfügungsklägerin laufend selbst Informationen privater Natur über andere, so dass sie sich nicht auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes berufen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Antrag ist zulässig. Das Amtsgericht Charlottenburg ist gemäß § 32 ZPO für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig. Die Verfügungsklägerin macht die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes geltend. Tatort der von der Verfügungsklägerin gerügten Persönlichkeitsrechtsverletzung ist jeder Ort, an dem die Informationen, die die Verfügungsbeklagte auf ihrer Web-Site veröffentlicht, abgerufen werden können, mithin auch der Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 936, 938 Abs. 2, 922 Abs. 1 ZPO ist begründet. Der Verfügungsklägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihrer privaten Korrespondenz gegen die Verfügungsbeklagte aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB zu.

1 . Die Veröffentlichung privater Korrespondenz und von Aufzeichnungen, die nur für den Adressaten bestimmt sind und auch bei verständiger Würdigung ihres Inhaltes aus Sicht der Öffentlichkeit keinem größeren Kreis von Lesern zur Verfügung gestellt werden sollten, verletzt das Recht am eigenen Wort und stellt damit einen Eingriff in das von §823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (Soergel-Zeuner, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 76 zu § 823 Abs. 1 BGB). Mit der Veröffentlichung der an sie gerichteten E-Mails hat die Verfügungsbeklagte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin eingegriffen. Der Eingriff ist weder von einer Einwilligung der Verfügungsklägerin gedeckt, noch kann sich die Verfügungsbeklagte darauf berufen, die Veröffentlichung erfolge in Wahrnehmung berechtigter Interessen.

a) Die E-Mails, die die Verfügungsbeklagte auf ihrer Homepage eingestellt hat, enthalten auch soweit sie die geplante Veröffentlichung von Fotografien auf einer eigenen Web-Site der Verfügungsklägerin betreffen, ausschließlich Äußerungen, die ersichtlich nur für die Verfügungsbeklagte bestimmt waren. Sie sind der Privat- bzw. Geheimsphäre der Verfügungsklägerin zuzuordnen und durften der Öffentlichkeit daher grundsätzlich nur mit Einwilligung der Verfügungsklägerin zur Verfügung gestellt werden.

Die Verfügungsbeklagte hat nicht dargetan, dass die Verfügungsklägerin damit einverstanden war, dass sie alle ihre E-Mails auf ihrer Web-Site veröffentlicht. Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte gebeten hat, eine Web-Site für sie zu erstellen, auf der ihre Erfahrungsberichte zum Thema Scientology und auch Fotografien dem interessierten Leser zugänglich gemacht werden sollten, lässt nicht darauf schließen, dass zwischen den Parteien Einvernehmen darüber bestand, dass auch Mitteilungen, die ihrem Wortlaut nach ausschließlich an die Verfügungsbeklagte gerichtet sind, im Internet zum Abruf für jedermann bereitgestellt werden. Auch den von den Parteien zu den Akten gereichten E-Mails lässt sich nicht entnehmen, dass diese selbst in die Homepage der Verfügungsbeklagten eingestellt werden sollten. Schließlich oblag es der Verfügungsbeklagten nach ihrem eigenen Vortrag, die Web-Site der Verfügungsklägerin zu gestalten. Dass dieser Auftrag auch die Veröffentlichung privater Mitteilungen erfasste, die geeignet sind, die Verfügungsklägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, ist nicht anzunehmen.

b) Die Veröffentlichung der privaten E-Mail-Korrespondenz ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Verfügungsklägerin durch ihre Beteiligung an den Diskussionen in den Newsgroups zum Thema Scientology und im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihres Buches selbst einen Teil ihres Privatlebens an die Öffentlichkeit getragen hat. Denn auch derjenige, der für einen gewissen Zeitraum im öffentlichen Leben in Erscheinung tritt, begibt sich nicht jeglichen Schutzes der Privatsphäre. Eine Einschränkung des allgemeinen. Persönlichkeitsrechtes zugunsten der Veröffentlichung privater Vorgänge und Informationen kommt auch in diesem Fall nur in Betracht, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Interesse des Betroffenen an der Wahrung des vertraulichen Charakters seiner Mitteilungen überwiegt. Dass der Inhalt der von der Verfügungsbeklagten ins Internet gestellten E-Mails in irgendeiner Weise für die (an Informationen über Scientology) interessierte Öffentlichkeit von Bedeutung sein könnte, ist nicht ersichtlich.

c) Schließlich kann sich die Verfügungsbeklagte auch nicht auf ein "Recht zum Gegenschlag" berufen. Zwar muss derjenige, der sich in der Öffentlichkeit negativ über andere äußert, seinerseits eine angemessene Erwiderung hinnehmen. Die Verfügungsklägerin musste daher damit rechnen, dass die Verfügungsbeklagte auf ihren Beitrag in der Newsgroup, in dem sie über die Weiterleitung des Hochzeitsfotos berichtet hat, mit einer Gegendarstellung regiert. Der "Gegenschlag" muss indes noch als adäquate Reaktion auf die vorausgegangene Äußerung angesehen werden können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Dabei kann dahin stehen, ob die Verfügungsklägerin in die Veröffentlichung des Hochzeitsfotos eingewilligt hat. Dem Text der von der Verfügungsbeklagten ins Internet eingestellten E-Mails lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Verfügungsklägerin mit der Weiterleitung des Fotos an Dritte einverstanden war. Es sollte vielmehr "vorerst' nur der Verfügungsbeklagten zur Verfügung stehen. Die Veröffentlichung der E-Mails konnte daher auch nicht dazu dienen, eine von der Verfügungsklägerin möglicherweise zu Unrecht aufgestellte Behauptung richtig zu stellen. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten, die Verfügungsklägerin durch Veröffentlichung vertraulicher Mitteilungen in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen, ist nicht ersichtlich.

2. Da die E-Mails der Verfügungsklägerin nach dem Vortrag der Parteien nach wie vor über die Homepage der Verfügungsbeklagten abgerufen werden können und der Verfügungsbeklagten nach ihrem eigenen Vortrag weitere vier Aktenordner privater Korrespondenz zur Verfügung stehen, besteht Wiederholungsgefahr im Sinne von § 1004 BGB.

3. Der Verfügungsklägerin steht schließlich ein Verfügungsgrund zur Seite, da die Verfügungsbeklagte bereits widerrechtlich in ihren von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtskreis eingegriffen hat, zukünftige Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Verfügungsklägerin zu besorgen sind und das Recht der Verfügungsklägerin, keine widerrechtlichen Eingriffe in ihre Privatsphäre dulden zu müssen, nur durch ein einstweiliges Verbot, die E-Mails zum Abruf durch jedermann ins Internet einzustellen, begegnet werden kann.

Die dem Anspruch auf Untersagung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung innewohnende Dringlichkeit ist vorliegend auch nicht dadurch entfallen, dass die Verfügungsklägerin ihren Antrag erst etwa einen Monat, nachdem sie von dem Eingriff erfahren hat, bei Gericht einreichte. Denn dieser Zeitraum war der Verfügungsklägerin für die Prüfung der Rechtslage und zur Vorbereitung der Klage nebst vorprozessualem Abmahnschreiben zuzubilligen. Die durch die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Charlottenburg verursachten Verzögerungen fallen nicht der Verfügungsklägerin zur Last.

4. Die Androhung der Festsetzung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 Abs. 1 ZPO, die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Unterschriften