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Keine Erstattung der Lagerkosten bei Grenzbeschlagnahme - OLG Köln, Urteil vom 18.08.2005, Az.: 6 U 48/05

Leitsätzliches

Dem Markeninhaber, der die Lagerkosten einer Grenzbeschlagnahme auf den Bescheid des Zollamtes bereits beglichen hat, kann diese nicht vom Lagerunternehmen zurückerstattet verlangen.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 48/05

Entscheidung vom 18. August 2005

In dem Rechtsstreit des

...

gegen

...

hat der 6. Senat des Oberlandesgerichts Köln durch ... für Recht erkannt:

 

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.02.2005 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 391/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Begründung

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, ein Logistik- und Einlagerungsunternehmen, auf Erstattung der während einer Grenzbeschlagnahme i.S. der §§ 146 ff MarkenG entstandenen Lagerkosten in Anspruch.

Im Jahr 2002 lagerte die Beklagte im Auftrag später insolventer Unternehmen, der V. GmbH bzw. der W. C. GmbH, Container ein, welche Markenrechte der Klägerin verletzende Wodkaflaschen enthielten.

Auf Antrag der Klägerin beschlagnahmte das zuständige Hauptzollamt am 14. bzw. 19.05.2003 die Waren bei der Beklagten, welche hierdurch erstmals von dem Inhalt der Container und der Verletzung der klägerischen Kennzeichenrechte erfuhr, und verfügte die weitere Einlagerung der beschlagnahmten Container bei der Beklagten. Am 07.07.2003 ordnete die Zollbehörde die Vernichtung der Waren an, welche erst am 09. und 10.12.2003 durchgeführt wurde. Mit Gebührenbescheid vom 22.12.2003 (Anlage K 10, GA 31) erhob das Hauptzollamt sodann bei der Klägerin die von der Beklagten für die während der Grenzbeschlagnahme von Mai 2003 bis zur Vernichtung im Dezember 2003 in Rechnung gestellten Lagerkosten in Höhe von insgesamt 26.518,80 EUR. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin ihrerseits von der Beklagten Erstattung dieser von ihr gegenüber der Zollbehörde ausgeglichenen Kosten.

Mit Urteil vom 17.02.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Kammer die Beklagte (rechtskräftig) zur Zahlung eines Teilbetrages von 2.560,80 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte wegen der schon vor der Beschlagnahme erfolgten Lagerhaltung als Markenverletzerin zu behandeln sei, und der Klägerin deshalb grundsätzlich ein aus § 18 MarkenG abzuleitender Anspruch auch auf Erstattung der während der Grenzbeschlagnahme entstandenen Lagerkosten zustehe. Dieser sei aber zur Höhe auf die Kostenerstattung für die Dauer der unbedingt erforderlichen Einlagerung (hier: 28 Tage) zu begrenzen, weil Zeitverzögerungen während der siebenmonatigen Beschlagnahmezeit bis zur Vernichtung nicht zu Lasten der nicht selbst schuldhaft handelnden Beklagten gehen könnten.

Hiergegen wendet sich das unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres Sachvortrages und Rechtsstandpunktes begründete Rechtsmittel der Klägerin, mit welchem sie Zahlung auch der restlichen Lagerkosten von 23.958 EUR erstrebt. Die Beklagte wiederholt und vertieft demgegenüber ihre Auffassung, dass es an einer Haftungsgrundlage fehle.

II.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache führt sie jedoch nicht zum Erfolg. Der Klägerin steht schon dem Grunde nach unter keinem rechtlichen Aspekt ein Anspruch auf Erstattung der während der Grenzbeschlagnahme entstandenen Lagerkosten gegen die Beklagte als ursprünglich im Auftrag von Kennzeichenrechte verletzenden Unternehmen tätige, aber nicht selbst schuldhaft handelnde Lagerhalterin zu. Auf die Frage nach der Höhe eines derartigen Anspruchs kommt es deshalb nicht mehr an.

1.

Entgegen der von dem Landgericht vertretenen Auffassung lässt sich ein Anspruch nicht aus § 18 MarkenG herleiten. Die Vorschrift erfasst nämlich allenfalls diejenigen Einlagerungskosten, welche im Zuge der (zivilrechtlichen) Durchsetzung des aus Absatz 1 resultierenden markenrechtlichen Vernichtungsanspruchs entstanden sind, nicht aber Kosten der Verwahrung, welche im Grenzbeschlagnahmeverfahren auf zollbehördlicher Anordnung zum Zweck der Einziehung bzw. Vernichtung i.S. des § 147 MarkenG beruhen.

Der Vernichtungsanspruch des § 18 MarkenG ist zivilrechtlicher Natur und deshalb von dem Verletzten vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen. Die Verurteilung kann Herausgabe- und/oder Verwahrungsanordnungen zum Zweck der Ersatzvornahme durch den Verletzten umfassen, wobei im Zuge der sodann erfolgenden Zwangsvollstreckung anfallende Kosten gemäß § 788 ZPO von dem in Anspruch genommenen Markenverletzer zu tragen sind (vgl. die Übersicht bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 18 Rn. 32 ff). § 18 Abs. 1 MarkenG ist indes Rechtsgrundlage nicht nur für den unmittelbar auf Vernichtung bzw. Duldung der Vernichtung gerichteten Anspruch, sondern über seinen Wortlaut hinaus grundsätzlich auch für einen solchen auf Erstattung der Vernichtungskosten (BGH NJW 1997, 3443 - "Vernichtungsanspruch"; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 18 Rn. 33), wobei offen bleiben kann, ob zu Vernichtungskosten in diesem Sinne auch die nach Maßgabe der Vorschrift bis zu einer Beseitigung der Waren entstehenden Einlagerungskosten zählen bzw. ob diese, sofern sie auf der Verwahrungsanordnung eines Gerichtsvollziehers beruhen, über § 788 ZPO festsetzbar sind.

Die in §§ 146 ff MarkenG geregelten Vorschriften über die Grenzbeschlagnahme begründen demgegenüber ein selbständig neben die dargestellten zivilrechtlichen Ansprüche tretendes Antragsrecht des in seinen Rechten verletzten Markeninhabers. Soweit § 147 MarkenG die Möglichkeit der Zollbehörde zur Einziehung und Vernichtung der beschlagnahmten Ware eröffnet, handelt es sich um durch Verwaltungsakt anzuordnende, mithin öffentlich-rechtliche Maßnahmen. Erlässt die Zollbehörde im Zuge des Grenzbeschlagnahmeverfahrens Einziehungsbescheid und Vernichtungsanordnung, so ist Schuldner der anfallenden Kosten der Antragsteller des Verfahrens nach §§ 146 ff MarkenG. Gegen diesen kann nach näherer Maßgabe der Zollkostenverordnung Gebührenbescheid ergehen, wobei zu den an die Zollbehörde zu erstattenden Kosten auch die wegen und während der Grenzbeschlagnahme entstandenen Einlagerungskosten zählen (vgl. Fezer a.a.O. § 148 Rn. 7).

Die Vorschriften über die Grenzbeschlagnahme regeln naturgemäß nicht die weitere Frage eines möglichen Anspruchs des Verletzten gegen den Markenverletzer auf Erstattung der erhobenen Gebühren. Dieser ist vielmehr auf der Grundlage allgemeiner zivilrechtlicher Rechtsgrundlagen (vgl. hierzu Ziffer II. 2) zu realisieren. Wegen der grundlegenden Verschiedenheiten der dem verletzten Kennzeicheninhaber eröffneten einerseits zivilrechtlichen, andererseits öffentlichen-rechtlichen Möglichkeiten, die seine Rechte verletzenden Waren beseitigen zu lassen, kommt indes eine Erstattung der im Grenzbeschlagnahmeverfahren erhobenen Gebühren/Kosten durch unmittelbaren Rückgriff auf die von § 18 MarkenG umfassten Rechtsfolgen nicht in Betracht.

Soweit das Hauptzollamt Hamburg-Hafen als zuständige Zollbehörde die in der Zeit ab der Grenzbeschlagnahme am 14.05.2003 bis zur abschließenden Vernichtung am 10.12.2003 bei der Beklagten entstandenen Lagerkosten mit Gebührenbescheid vom 22.12.2003 gegenüber der Klägerin erhoben hat, steht dieser folglich unabhängig von der Frage, ob die Beklagte überhaupt klägerische Kennzeichenrechte verletzt hat, kein Erstattungsanspruch aus § 18 MarkenG zu. Dieser wäre allenfalls gegen die ursprünglichen Auftraggeber der Beklagten, insbesondere die W. C. GmbH, dann in Betracht gekommen, wenn die Klägerin, nachdem sie gegen diese als Markenverletzerin i.S. des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausweislich der Anlage K 17 (GA 73 ff) bereits einen (Unterlassungs- und) Herausgabetitel erwirkt hatte, auch den zivilrechtlichen Vernichtungsanspruch weiterverfolgt hätte und die Wodkaflaschen sodann im Zuge der Durchsetzung dieses Anspruchs vernichtet worden wären.

2.

Ein Anspruch auf Erstattung der während der Grenzbeschlagnahme entstandenen Lagerkosten rechtfertigt sich auch nicht unter sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten.

a)

Schadensersatzansprüche i.S. des § 14 Abs. 6 MarkenG bzw. nach § 823 Abs. 1 BGB scheitern daran, dass der Beklagten, welche unstreitig erst anlässlich der auf ihrem Firmengelände veranlassten Beschlagnahme im Mai 2003 von einer Verletzung klägerischer Markenrechte durch die bei ihr eingelagerten Waren erfahren hat, kein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

b)

Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich überdies auf bereicherungsrechtliche Ansprüche i.S. des § 812 Abs. 1 BGB. Dadurch, dass die Klägerin in Erfüllung der ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung die ihr von der Zollbehörde in Rechnung gestellten Gebühren ausgeglichen hat, ist die Beklagte unter keinem Aspekt bereichert worden. Insbesondere ist sie entgegen der von der Klägerin namentlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht von einer ihr obliegenden eigenen Verbindlichkeit in Form einer sie treffenden Verpflichtung zur Vernichtung der eingelagerten Waren befreit worden.

Der Klägerin ist zwar darin zu folgen, dass die Beklagte bis zum Zeitpunkt der von der Zollbehörde durchgeführten Beschlagnahme als Schuldnerin eines Vernichtungsanspruchs aus § 18 Abs. 1 MarkenG in Betracht gekommen ist, aufgrund dessen auch eine Kostentragungspflicht denkbar gewesen wäre.

Im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG relevante Verletzungshandlungen durch die V.E.D.A. GmbH und die W. C. GmbH unterstellt, war die Beklagte aufgrund der ab 2002 und bis zur Beschlagnahme im Auftrag dieser Unternehmen erfolgten Lagerhaltung Verletzerin im Sinne des § 14 Abs. 3 Nr. 2, 3. Alt. MarkenG. Besitzer in diesem Sinne sind nämlich auch diejenigen Personen, die als Teilnehmer am Warenumsatz beteiligt sind, wozu etwa Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter, Frachtführer und sonstige mit der Beförderung von Gütern Beschäftigte gehören (Ingerl/Rohnke a.a.O. § 14 Rn. 194; Fezer a.a.O. § 14 Rn. 475), ohne dass es auf deren Bösgläubigkeit ankäme (Ingerl/Rohnke a.a.O.). Der Vernichtungsanspruch des § 18 MarkenG kann sich sodann auch gegen den solcherart beteiligten gutgläubigen Besitzer i.S. des § 14 Abs. 3 Nr. 2, 3. Alt. MarkenG richten (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O. § 18 Rn. 8).

Die Klägerin verkennt indes, dass die Eigenschaft der Beklagten als markenrechtliche Verletzerin jedenfalls mit der Anordnung der Zollbehörde, die fraglichen Waren zu beschlagnahmen und zur weiteren Verwahrung bei ihr zu belassen, endete. Ab diesem Zeitpunkt übte sie den Besitz nämlich nicht mehr für ihre bisherigen, die Kennzeichenrechte der Klägerin (schuldhaft) verletzenden Auftraggeber aus, sondern genügte ausschließlich einer durch Behördenakt entstandenen Verwahrungsverpflichtung. Indem die Klägerin mithin die Grenzbeschlagnahme wählte, um eine zollbehördliche Beseitigung des ihre Rechte verletzenden Wodkas zu erreichen, entfielen ab der Beschlagnahmeanordnung die in die Zukunft gerichteten Ansprüche gegen die Beklagte. Oblag der Beklagten aber ab dem Zeitpunkt der behördlichen Verwahrungsanordnung keine eigene Vernichtungsverpflichtung, ist sie auch nicht von der Pflicht zur Erstattung diesbezüglicher Kosten befreit worden, die erst nach (und infolge) der Verwaltungsakte entstanden sind.

c)

Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen deshalb nicht, weil die Klägerin mit Ausgleich der ihr von der Zollbehörde in Rechnung gestellten fraglichen Lagerkosten aus den vorstehend erörterten Gründen jedenfalls nicht auch ein Geschäft der Beklagten geführt hat.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich lediglich um die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 23.958 EUR festgesetzt.

Unterschriften