×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Markenrecht
/
Urteile 2006
/
irrlicht.de - Keine Markenverletzung durch bloße Domainregistrierung - LG Braunschweig, Urteil vom 29.09.2006, Az.: 9 O 503/06

Leitsätzliches

Da die Domain "www.irrlicht.de" nicht im geschäftlichen Gebrauch ist, und keinerlei inhaltlichen Hinweise auf den gleichnamigen Betrieb aufweist, verletzt sie keine Zeichenrechte. Es fehlt an der hierfür vorausgesetzten Zuordnungsverwirrung, da die betreffende Internet-Domain keinen Hinweis auf den Namen des Betreibers enthält, sondern vom Internet-Nutzer lediglich als allgemeiner Bergriff verstanden wird.

OBERLANDGESERICHT BRAUNSCHWEIG

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Aktenzeichen: 9 O 503/06

Entscheidung vom 29. September 2006

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

wegen Domainstreitgkeit

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 09.08.2006 durch ...

für R e c h t erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 10.000,00 Euro

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer Domain in Anspruch.

Die Klägerin ist seit dem 03.02.1999 unter der Firma „Irrlicht GmbH“ im Handelsregister des Amtsgerichts Bad Homburg vor der Höhe eingetragen (Anlage K 1). Sie ist Inhaberin und Betreiberin der Domain www.irrlicht.com. Die Klägerin hat ein Unternehmen für Veranstaltungstechnik und Bühnenaufbau.

Der Beklagte hat die Domain www.irrlicht.de für sich registrieren lassen. Diese Domain wurde und wird bisher nicht genutzt. Inhalte sind dort nicht eingestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte durch die Registrierung ihre Zeichenrechte verletze. Er sei auch unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung sowie des Eingriffs in den Gewerbebetrieb und nach dem Wettbewerbsrecht verpflichtet, die Nutzung der Domain zu unterlassen und diese freizugeben.

Die Klägerin beantragt –

    nach Berichtigung und Erweiterung des Antrages aus dem Klageschriftsatz jetzt:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, durch schriftliche Erklärung gegenüber der zuständigen Vergabestelle, der Denic eG, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, die Internetdomain „www.irrlicht.de“ freizugeben sowie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 144,59 Euro zu zahlen.

    2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das Zeichen „irrlicht.de“ im Internet als Domainname zu verwenden.

    3. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu Höhe von 250.000,00 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.


Der Beklagte beantragt:

    die Klage abzuweisen.



Der Beklagte bestreitet eine Verletzung. Es handele sich um einen allgemein gebrauchten Begriff mit vielfältigem Bedeutungsinhalt. Rechte daran stünden der Klägerin nicht zu.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2006 Bezug genommen.




Entscheidungsgründe


Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1)
Ansprüche aus § 14 Abs. 2, Abs. 5 Markengesetz stehen der Klägerin nicht zu.

Sie verfügt über kein registriertes Zeichen.

2)
Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus § 15 Abs. 2, Abs. 4 Markengesetz zu.

a)
Bei der Bezeichnung „irrlicht“ handelt es sich um eine geschäftliche Bezeichnung im Sinne des § 5 Markengesetz. Es ist ein Unternehmenskennzeichen, dass für ein Unternehmen der Veranstaltungstechnik und des Bühnenaufbaus auch Unterscheidungskraft aufweist.

b)
Ansprüche nach § 15 Markengesetz verlangen aber ein Handeln des Zeichennutzers im geschäftlichen Verkehr. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die Registrierung allein stellt noch kein Handeln im geschäftlichen Verkehr dar. Bisher liegt nur eine Registrierung vor, die Seite weist keinerlei Inhalt auf. Schon aufgrund der Wortbedeutung von „irrlicht“ kann auch eine Erstbegehungsgefahr im Sinne einer zu erwartenden geschäftlichen Nutzung (BGH GRUR 2005, 687 (688) – weltonline.de; OLG Hamburg NJOZ 2005, 4080 (4082) – metrosex.de; Ingerl/Rohnke Markengesetz 2. A nach § 15 RdNr. 88) nicht bejaht werden.

Anders als bei der Registrierung einer geschäftlichen Bezeichnung, die sich allein in der Bedeutung der Kennzeichnung des Unternehmens erschöpft (vgl. dazu OLG Hamburg a.a.O. – metrosex.de; OLG Stuttgart MMR 1998, 543 – steiff.com), handelt es sich hier um ein Begriff, der eine bestimmte Bedeutung aufweist. Es handelt sich bei Irrlichtern zunächst um bestimmte Leuchterscheinungen. Es wäre daher ohne weiteres denkbar, unter einer solchen Domain eine Internetseite zu betreiben, die sich mit diesem Phänomen auseinander setzt. Wegen der Verbindung von Irrlichtern mit dem Aberglauben sowie zahlreichen Sagen und Geschichten ist es auch nicht fernliegend, sich eine nichtkommerzielle Nutzung für diesen Bereich vorzustellen.

Im Schriftsatz vom 30.08.06 behauptet die Klägerin, es gebe einen Buchverlag des Beklagten Irrlicht und deshalb liege ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor.

Dabei handelt es sich bereits um völlig neuen Tatsachenvortrag, der sich außerhalb des Schriftsatznachlasses bewegt und nicht mehr zuzulassen wäre, da die fehlende Nutzung im geschäftlichen Verkehr spätestens seit der Klagerwiderung aus dem Januar Thema ist.

Der Vortrag ist auch völlig unsubstantiiert und nicht durch Unterlagen oder Beweisantritte unterlegt. Er beschränkt sich auf die Behauptung der Beklagte sei Inhaber des Buchverlages Irrlicht. Wäre dieser Vortrag rechtzeitig erfolgt, hätte er mindestens umfassen müssen: Um was für eine Unternehmens-/Gesellschaftsform handelt es sich ? Wer ist Gesellschafter / Inhaber ? Was ist der Geschäftsgegenstand / tatsächliche geschäftliche Tätigkeit ? Unter welcher Firma / geschäftlichen Bezeichnung tritt das Unternehmen auf? Welche Priorität kann es in Anspruch nehmen?

Schließlich sei angemerkt, das die Liste der Verlage im deutschen Sprachraum (www.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Verlagen_in_Deutschland,_Österreich_und_Schweiz) keinen Eintrag zu Irrlicht enthält. Ebenso enthält die Verlagsliste des Hochschulbibliothekzentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (www.hbz-nrw.de) mit einer 5090 deutsche Verlage umfassenden Liste keinen Eintrag. Die Kammer geht daher von einem mit der prozessualen Wahrheitspflicht nicht mehr zu vereinbarendem Vortrag aus.

3)
Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus § 12 BGB zu.

Diese Vorschrift ist hier grundsätzlich anwendbar, da die Bezeichnung für die Klägerin Namensfunktion hat und das Markenrecht, hier § 12 BGB, zumindest hinsichtlich unbenutzter Domains, bei denen es keine weiteren Hinweise für die Aufnahme von geschäftlicher Tätigkeit unter der Domain gibt, nicht verdrängt (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O. RdNr. 53).

Es dürfte bei der bloßen Registrierung eines Wortes mit einem allgemeinen Bedeutungsinhalt bereits an einem Gebrauch fehlen. „Irrlicht“ ist als Wort verständlich und damit beschreibend (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O. RdNr. 57).

Es fehlt an einer Namensleugnung. Das heißt, der Beklagte bestreitet nicht das Recht der Klägerin ihren Namen zu führen (vgl. Ingerl/Rohnke a.a.O. RdNr. 58; Wüstenberg GRUR 2003, 109 (111)).

Es fehlt aber auch an einer Namensanmaßung des Beklagten. Es wird hier nicht durch einen unbefugten Gebrauch das schutzwürdige Interesse der Klägerin als Namensträgerin verletzt (vgl. BGH GRUR 2005, 687 (689) – weltonline.de).

Auch unter dem Gesichtspunkt der Zuordnungsverwirrung ist der Anspruch zu verneinen. Voraussetzung für einen namensrechtlichen Schutz ist nach der Rechtsprechung des BGH, dass eine Zuordnungsverwirrung eintritt (BGH GRUR 2002, 622 – shell. de). Eine solche Zuordnungsverwirrung tritt nicht ein, wenn das Zeichen der Internet-Domain keinen Hinweis auf den Namen des Betreibers gibt (BGH NJW 2003, 2979 – maxem.de). Ein Anspruch aus dem Namensrecht kommt nur in Betracht, wenn mit der Registrierung des Domain-Namens eine erhebliche Beeinträchtigung der aus dem Kennzeichenrecht fließenden namensrechtlichen Befugnisse verbunden ist (BGH GRUR 2005, 687, 689 – Welt online). Beides ist hier nicht der Fall.

Die Internet-Domain www.irrlicht.de enthält gerade keinen Hinweis auf den Namen, sondern wird vom Internet-Nutzer als allgemeiner Bergriff verstanden.

Die Kläger wird in ihrer geschäftlichen Tätigkeit durch die Internet-Domain „irrlicht.de“ nicht nennenswert behindert. Das folgt aus dem Umstand, dass der Internet-Benutzer die Domain-Bezeichnung nicht notwendig als Hinweis auf das klägerische Unternehmen versteht (vgl. OLG Stuttgart GRUR-RR 2002, 192 (193) – netz.de; wtrp). Es handelt sich nicht um ein Unternehmen, welches unter dieser Bezeichnung im Geschäftsverkehr allgemein bekannt ist, so dass mit der Bezeichnung das klägerische Unternehmen auch nicht assoziiert wird.

Auch eine Verwechslungsgefahr ist bei einer nicht genutzten Seite nicht erkennbar.

4)
Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus § 826 BGB zu. In der bloßen Registrierung eines Gattungsbegriffs liegt in der Regel keine Verletzung des § 826 BGB (BGH GRUR 2005, 687 (688) –weltonline.de; OLG Köln GRUR-RR 2006, 67 (68) Mahngericht; OLG Braunschweig vom 20.07.00, 2 U 2467/99 – stahlguss.de).

Es handelt sich bei „irrlicht“ um einen Begriff mit einer bekannten Bedeutung. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das keinen besonderen Bekanntheitsgrad aufweist. Der normale Internetnutzer wird daher von dem bekannten Wort „irrlicht“ keine automatische Verbindung zu der Klägerin herstellen. Hinzu kommt, dass die Beeinträchtigung der Klägerin gering ist. Sie verfügt bereits über eine prägnante Domain mit „www.irrlicht.com“. Sie hätte weiter die Möglichkeit der Registrierung anderer Domains wie zum Beispiel „www.irrlicht.eu“ gehabt. Sie kann durch das Schalten von sogenannten „Ad-Word-Anzeigen“ etwa bei Google dafür sorgen, dass ihre Domain bei Eingabe des Begriffs „irrlicht“ sofort gefunden wird. Bereits jetzt ist es möglich über die Eingabe von „irrlicht“ und einem auf das Tätigkeitsfeld der Klägerin zugeschnittenen Begriff diese leicht über Internetsuchmaschinen zu finden.

Vor diesem Gesamthintergrund ist daher eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin nicht erkennbar.

Eine Verletzung des Namensrechts des Klägerin. lässt sich auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund, sei es als Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, oder als sittenwidrige Schädigung unter dem Stichwort „domain-grabbing“, ableiten (vgl. OLG Stuttgart GRUR –RR 2002, 192 (193) – netz.de; OLG Köln GRUR-RR 2006, 67 (68) – mahngericht.de; LG Frankenthal MMR 2006, 116 (117) – guenstig.de; LG Leipzig, MMR 2006, 113 (114) – kettenzüge.de; Viefhues NJW 2000, 3239). Substantiierter Vortrag dazu, dass es sich bei dem Beklagten um einen sogenannten „Domaingrabber“ handelt, fehlt. Der Beklagte hat die Domain nicht gewählt, um die Klägerin zu behindern oder unter wirtschaftlichen Druck zu setzen und sie so zu veranlassen, ihm die Domain abzukaufen. Vielmehr hat der Beklagte auch auf Anfragen der Klägerin dieser kein Angebot zur Übertragung der Domain unterbreitet.

Im Übrigen weist der Name des Kl. keinerlei Bekanntheitsgrad auf. Die Registrierung von Gattungsbegriffen ist dem Gerechtigkeitsprinzip der Priorität unterworfen (BGH GRUR 2005, 687, (688) –weltonline.de).

Es liegt auch kein Fall vor, in dem durch die Registrierung eines Gattungsbegriffs – unter Ausschluss der Mitbewerber eine „Kanalisierung“ von Kundenströmen erreicht werden soll (vgl. BGH GRUR 2001, 10621 – Mitwohnzentrale.de; OLG Braunschweig vom 20.07.00, 2 U 2467/99 – stahlguss.de).

Dies scheitert schon daran, dass der Beklagte die Domain nicht benutzt. Es fehlt auch an der entsprechenden Bedeutung von „Irrlicht“. Im übrigen gilt insoweit grundsätzlich das Prioritätsprinzip.

5)
Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus dem UWG zu.

Es fehlt am Handeln im geschäftlichen Verkehr und damit an einer Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

6)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

7)
Der Streitwert war auf 10.000,00 Euro festzusetzen.

Die Klägerin hat ihr Interesse mit 5.001,00 Euro beziffert. Das Landgericht Hannover hatte den Streitwert zunächst auf 3.000,00 Euro festgesetzt (Bl. 6 d.A.). Die Kammer hält hier im konkreten Fall den für eine markenrechtliche Streitigkeit vergleichsweise niedrigen Streitwert von 10.000,00 Euro für angemessen. Die Ausführung des Beklagten zu einem Streitwert von mindestens 120.000,00 Euro haben mit dem konkreten Fall nichts zu tun und liegen neben der Sache.

Maßgebend für die Streitwertfestsetzung ist – neben der immer indiziellen Streitwertangabe der Klägerin – vor allem der Umstand, dass hier nicht um die Nutzung eines Zeichens als solchen gestritten wird. Die Klägerin kann ihren Firmennamen nutzen und diese Nutzung wird auch von dem Beklagten nicht oder nur in geringfügiger Weise beeinträchtigt. Es wird der Klägerin auch nicht der effektive Zugang zum Internet abgeschnitten, da sie bereits über die Internetdomain „www.irrlicht.com“ verfügt. Zudem scheint der Internetauftritt für die Klägerin insgesamt von untergeordneter Bedeutung und ist nicht mit dem Interesse zu vergleichen, dass etwa ein Betreiber eines Online-Versandhandels hätte. Die Klägerin hat ihre jetzt bestehende Internetrepräsentanz seit mehreren Jahren nicht aktualisiert. Sie hat von der Möglichkeit weiterer Registrierungen insbesondere hinsichtlich der jetzt aktuell werdenden „Top-Level-Domain.eu“ kein Gebrauch gemacht.

Diese Umstände rechtfertigen es, das Interesse der Klägerin mit lediglich 10.000,00 Euro zu bewerten.

(Unterschriften)