Leitsätzliches
1) Es fehlt an einer Verwechslungsgefahr zwischen der Verfügungsmarke "Berliner Luft" und den angegriffenen Zeichen der Antragsgegnerin „BLN Luftkuss" und „BLN Bio Luftkuss", wenn diese wie im Antrag abgebildet von der Antragsgegnerin benutzt werden.2) Der Verkehr erkennt in den Zeichen „BLN Luftkuss" bzw. „BLN Bio Luftkuss" die Verfügungsmarke "Berliner Luft" nicht wieder, weil ein erheblicher Abstand zwischen den Zeichen vorliegt.
Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss
I-20 W 9/23
28. Februar 2023
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
der [...]
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: [...]
gegen
die Gourmetspirits GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer [...], 12526 Berlin,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Terhaag & Partner Rechtsanwälte, Grabenstraße 5, 40213 Düsseldorf,
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht [...] und die Richterinnen am Oberlandesgericht [...] und [...] am 28. Februar 2023 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 7. Februar 2023 gegen den Beschluss der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2023 - Az.2a 0 5/23 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthatte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg
I.
Das Landgericht Düsseldorf hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat einen Unterlassungsanspruch - den sie nunmehr nur noch auf ihre Wortmarke „Berliner Luft", DE 302012060588, (nachfolgend „Verfügungsmarke") stützt - weder unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, 5 MarkenG noch wegen Bekanntheitsschutzes gem. § 14 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3, 5 MarkenG glaubhaft gemacht.
1. Es fehlt jedenfalls an einer Verwechslungsgefahr zwischen der Verfügungsmarke und den angegriffenen Zeichen der Antragsgegnerin „BLN Luftkuss" und „BLN Bio Luftkuss", wenn diese wie nachfolgend abgebildet von der Antragsgegnerin benutzt werden:
Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich ist, für welche die Marke Schutz genießt, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, welche die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2008, 503 - adidas/Marca Mode; EuGH GRUR 1998, 922-Canon).
a) Es kann offen bleiben, ob - wie das Landgericht angenommen hat - der Verfügungsmarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt oder die Verfügungsmarke - wie von der Antragstellerin u.a. unter Bezugnahme auf das Verkehrsgutachten (Anlage AST 13) zur Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der Bezeichnung „Berliner Luft", die Absatzzahlen des Pfefferminzlikörs unter der Bezeichnung „Berliner Luft" in den Jahren 2013-2016 und die weiteren Verweise auf Auszeichnungen als „Topdrink" und „Getränk des Jahres 2019" sowie als Einstufung auf Platz 77 international der „Word's Fastest Growing Spirit Brands" geltend gemacht - gesteigerte Kennzeichnungskraft aufweist. Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung, ob die vom Landgericht an den vorgelegten Gutachten geäußerten Zweifel an deren Aussagekraft durchgreifen. Denn selbst bei Annahme einer erhöhten bzw. überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke liegt keine Verwechslungsgefahr mit dem angegriffenen Zeichen der Antragsgegnerin vor.
b) Denn zwischen der Verfügungsmarke und den von der Antragsgegnerin genutzten Zeichen „BLN Luftkuss" und „BLN Bio Luftkuss" besteht aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung vom 21. Februar 2023, die sich der Senat zu eigen macht, nur eine unterdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erkennt der Verkehr in den Zeichen „BLN Luftkuss" bzw. „BLN Bio Luftkuss" die Verfügungsmarke nicht wieder, weil ein erheblicher Abstand zwischen den Zeichen vorliegt.
aa) Dem Begriff „Luft" kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin innerhalb des zusammengesetzten Wortes „Luftkuss" keine prägende Bedeutung zu. Der im angegriffenen Zeichen verwendete Begriff „Luftkuss" stellt einen feststehenden Begriff dar, der einen zum Gruß gehauchten, d.h. ohne physische Berührung der Lippen oder der Wangen der anderen Person, über die Luft gewissermaßen „transportierten" KUSS bezeichnet. Diesen den angesprochenen Verkehrskreisen geläufigen Begriff, der auch als zusammengesetztes Wort auf dem Etikett der Antragsgegnerin verwendet wird, wird der Verkehr nicht in seine einzelnen Bestandteile aufspalten und dem Wort „Luft" eine stärkere Gewichtung beimessen als dem Wort „KUSS". Selbst wenn der angesprochene Verbraucher gedanklich eine Aufspaltung vornehmen sollte, würde eher dem Wortbestandteil „KUSS" eine prägende Bedeutung zukommen, weil der Begriff „Luftkuss" eben eine besondere Art des Kusses, also quasi eine „Unterform" der Kussarten bezeichnet.
bb) Ob das innerhalb der angegriffenen Bezeichnung verwendete Zeichen „BLN" vom Verkehr als Abkürzung für die Stadt Berlin verstanden wird und der Begriff zudem das Zeichen „BLN (Bio) Luftkuss" in besonderer Weise - insbesondere aufgrund seiner graphischen Gestaltung - prägt, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung.
Denn selbst wenn die von der Antragsgegnerin verwendeten drei Großbuchstaben „BLN" vom Verkehr nicht - wie vom Landgericht angenommen - als „BE-EL-EN" ausgesprochen, sondern als Abkürzung für die Stadt „Berlin" erkannt und als „Berlin" ausgesprochen werden, besteht zwischen der Verfügungsmarke „Berliner Luft" und dem gemeinfreien Begriff „Berlin" in bildlicher und klanglicher Hinsicht ein vom Verkehr zu erkennender Unterschied und infolgedessen keine Verwechslungsgefahr. Zum einen verwendet die Verfügungsmarke gerade nicht das Wort „Berlin", sondern die Bezeichnung „Berliner", um die „Luft" näher zu bezeichnen. Zudem besitzt der Begriff „Berliner Luft" eine eigenständige Bedeutung, weil sie bei den Verkehrskreisen Assoziationen an die bekannte, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts besungene besondere Atmosphäre der Stadt Berlin, die durch ein freies Lebensgefühl geprägt wird, weckt. Die beiden - zwar nicht zusammengesetzten aber aufgrund der Endung „Berlinef" aufeinander bezogenen Begriffe - werden deshalb mit der von der Antragsgegnerin verwendeten Kurzbezeichnung für Berlin „BLN" auch dann nicht vom Verkehr verwechselt, wenn er die Buchstaben „BLN" als Abkürzung für Berlin versteht.
Offen bleiben kann auch, ob das angegriffene Zeichen wesentlich nur durch die graphisch prominent hervorgehobenen Großbuchstaben „BLN" geprägt wird, oder gleichermaßen durch das in kleinerer Schrifttype auf das Etikett gedruckte, darunter befindliche Wort „Luftkuss". Denn selbst für den Fall, dass das Zeichen „BLN" vom Verkehr als Abkürzung für Berlin erkannt und als das Zeichen „BLN Luftkuss" dominierend angesehen werden sollte, ergibt sich aus dem erforderlichen Zeichenvergleich zwischen dem gemeinfreien „Berlin" und dem Zeichen „Berliner Luft", wie dargelegt, dass gerade keine Verwechslungsgefahr besteht.
cc) Schließlich führt die Übernahme der Farbe „türkis" bei der Werbegestaltung und im Zeichen selbst auch vor dem Hintergrund der Entscheidung „Specsavers" (EuGH C-252/12 vom 18. Juli 2013) nicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr. Bei dem angegriffenen Zeichen wird die Farbe „türkis" auf dem Etikett wesentlich zurückhaltender verwendet als bei dem Likör der Antragstellerin. Zudem wird der Verkehr erkennen, dass der Farbe türkis eine gewissermaßen beschreibende Wirkung zukommt, weil für Produkte mit Minze / Pfefferminze die Benutzung der Farbe türkis („mintgrün") üblich ist und kein besonders prägendes Elemente einer bestimmten Marke darstellt.
2. Aufgrund der fehlenden Zeichenähnlichkeit hat die Antragstellerin auch einen Unterlassungsanspruch wegen eines Bekanntheitsschutzes nach § 14 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1, 3,5 MarkenG nicht glaubhaft gemacht. Der Verkehr wird, wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, keine gedankliche Verknüpfung zwischen der Verfügungsmarke und den Zeichen „BLN Luftkuss" bzw. „BLN Bio Luftkuss" vornehmen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
(Unterschriften)