Leitsätzliches
1) Bei zusammengesetzten Lebensmitteln, die aus mehreren Bestandteilen bestehen, erwarten Verbraucher nicht, dass alle Bestandteile oder die Gesamtproduktion ausschließlich aus dem geografischen Gebiet stammen, das durch die Herkunftsangabe bezeichnet wird. Vielmehr kann die Verwendung einer geografischen Angabe als Hinweis auf Rezeptur oder Zubereitungsart verstanden werden (§ 127 Abs. 1 MarkenG). 2) Wenn ein Begriff durch intensiven Gebrauch im allgemeinen Sprachgebrauch zu einem Synonym für eine bestimmte Produktkategorie oder Zubereitungsart wird, liegt keine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft mehr vor. Dies gilt insbesondere, wenn der Begriff in verschiedenen Kontexten verwendet wird, ohne dass ein geografischer Bezug erwartet wird. 3) Die Bezeichnung eines Produkts als "Dubai Schokolade" allein führt nicht zwangsläufig zu einer Irreführung über die geografische Herkunft. Fehlen zusätzliche gestalterische Elemente wie mehrsprachige Verpackungsangaben, Hinweise auf Import oder fremdsprachige Bezeichnungen, ist die Gefahr einer falschen Verkehrsauffassung erheblich reduziert (§ 5 Abs. 1 UWG, § 127 Abs. 1 MarkenG).
LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
Az. 2 -06 O 18/25
21. Januar 2025
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
[...] Antragstellerin,
gegen
[...] Antragsgegnerin,
am 21.01.2025 beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 14. 01.2025 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 33. 333, - EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der darauf gerichtet ist, es dem Antragsgegner bei Meldung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland mit der Angabe "Dubai-Schokolade" ein Schokoladenprodukt zu vertreiben und/oder zu bewerben und/oder vertreiben und bewerben zu lassen, sofern das Schokoladenprodukt nicht in Dubai hergestellt wurde und/oder keinen sonstigen geographischen Bezug zu Dubai hat,
wenn dies erfolgt wie in Anlage ASt 01 geschehen,
ist unbegründet.
Es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Ein solcher ergibt sich weder aus §§ 128 Abs. 1 S. 1, § 126 Abs. 1, § 127 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG noch aus §5 Abs. 1, §8UWG.
Nach den genannten Vorschriften des Markengesetzes kann derjenige, der eine geografische Herkunftsangabe im Sinne von § 126 MarkenG im geschäftlichen Verkehr für Waren benutzt, die nicht aus dem Gebiet stammen, das durch die geografische Herkunftsangabe bezeichnet wird, von den nach § 8 Abs. 3 UWG zur Geltendmachung von Ansprüchen Berechtigten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn bei der Benutzung eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht. Gemäß § 127 Abs. 1 MarkenG dürfen geografische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geografische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht. Insoweit ist die Bestimmung des § 127 Abs. 1 MarkenG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft des Produkts besteht, bei Agrarerzeugnissen und Lebensrnitteln mitdergeografischen Herkunft etwa verbundene besondere Qualitäts- oder Eigenschaftsvorstellungen unberücksichtigt bleiben (BGH, GRUR 2016, 741 - Himalaya-Salz).
Ob eine Irreführung vorliegt, ist am Maßstab der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Von der Gefahr einer Irreführung ist auszugeben, wenn die angegriffene Bezeichnung bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verkehrskreise eine unrichtige Vorstellung über die geographische Herkunft der Produkte hervorruft (Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl. 2023, § 127 Rn. 3 m.w. N.).
Insoweit ist zunächst zu beachten, dass es sich bei dem angegriffenen Produkt nicht um einen Rohstoff oder ein einheitliches Produkt handelt, sondern - wie dem angesprochenen Verkehrskreis bekannt ist und es sich auch aus der bildlichen Anpreisung ergibt - um ein aus mehreren Bestandteilen bestehendes Lebensrnittel handelt. Dem angesprochenen Verkehr ist angesichts des häufig weltweiten Ursprungs von Bestandteilen solcher Lebensrnittel darüber hinaus bekannt, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn einzelne Bestandteile aus verschiedenen h4erkunftsländern stammen. Dementsprechend wird der angesprochene Verkehr auch den typischerweise auf der Rückseite angebrachten Pflichtangaben (wie Herkunftskennzeichnungen von Lebensrnitteln) bei einem solchen Produkt mehr Aufmerksamkeit schenken als er dies bei Produkten bestehend aus im Wesentlichen einem Bestandteil (z. B. Kaffee oder Schaumwein) tun würde. Daher wird der angesprochene Verkehrskreis gerade bei nur aus einem Bestandteil bestehenden Produkten im Zusammenhang mit einer geographischen Angabe auch eher davon ausgehen, dass diese die Herkunft (zumindest) des Hauptbestandteils angibt, beispielsweise "Kaffee Costa Rica", "Kaffee Peru" oder ähnliches. Bei einem zusammengesetzten Produkt - wie hier - wird der Verkehr hingegen eher erwarten, dass die Bestandteile nicht aus einem Land stammen und deshalb die Verwendung einer Herkunftsangabe in geringerem Umfang als Hinweis darauf auffassen, woher die Bestandteile oder Teile hiervon stammen oder wo das Produkt insgesamt hergestellt wurde.
Angesichts dieser Umstände und unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei der angegriffenen "Dubai-Schokolade" um ein aus mehreren Bestandteilen nach einem bestimmten Rezept hergestelltes Lebensrnittel handelt, wird der Verkehr daher bereits im Ausgangspunkt einerseits der Herkunftskennzeichnung (hier: "MIT SCHOKOLADE; PISTAZIEN UND KADAYIF AUS EU/-NICHT-EÜ") eher Beachtung schenken und andererseits davon ausgehen, dass es sich bei der Verwendung des Wortbestandteils "Dubai" um eine Art der Zubereitung oder ein Rezept handelt, das aus Dubai stammt, ohne dass er zwingend davon ausgeht, dass die Einzelbestandteile aus Dubai stammen oder das Gesamtprodukt in Dubai zusammen- bzw. hergestellt worden ist.
Dies zugrunde gelegt geht die Kammer in Anwendung der oben dargestellten Grundsätze für den vorliegenden Streitfall nicht davon aus, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Verkehrskreise hinsichtlich des hier angegriffenen Angebots der Antragsgegnerin einer unrichtigen Vorstellung über die geographische Herkunft der Produkte erliegt. Insoweit schließt die Kammer nicht aus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit die angesprochenen Verkehrskreise Jedenfalls zu einem nicht unwesentlichen Teil davon ausgegangen sind, dass Produkte, die mit "Dubai" gekennzeichnet sind, tatsächlich aus Dubai stammen. Selbst wenn eine solche Vorstellung jedoch bei nicht unwesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise bestanden haben sollte, ist dies zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht mehr der Fall.
Wie der Kammer aus eigener Anschauung bekannt ist, ist um die "Dubai-Schokolade" im Allgemeinen in Deutschland in den letzten Monaten ein regelrechter "Hype" entstanden, der dazu geführt hat, dass eine Vielzahl von Produkten mittlerweile mit dem Zusatz "Dubai" gekennzeichnet werden, wenn sie mit Pistazien und ggf. anderen Produkten hergestellt werden, ohne dass die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgingen, dass die Produkte aus Dubai stammen. Der Kammer bekannt sind insoweit "Dubai"-Eis, -Kaffeegetränke, gebrannte Mandeln (auf dem Weihnachtsmarkt) und viele mehr. Ferner ist der Kammer - auch schon vor der Beantragung der hiesigen einstweiligen Verfügung - bekannt, dass - wie es auch die Antragsgegnerin vorgetragen hat - Rezepte für die Herstellung von "Dubai-Schokolade" kursieren und vielfach umgesetzt werden. Jedenfalls durch diesen Gebrauch des Zusatzes "Dubai" hat sich dieser - auch mit Wirkung für den Begriff "Dubai-Schokolade" - eher zu einem Gattungsbegriff gewandelt, der insbesondere die Verwendung von Pistazien und Engelshaar oder ähnlichen süßen Produkten erfasst.
Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin konkret angegriffenen Aufmachung. Das Produkt der Beklagten ist als "DUBAI SCHOKOLADE Zartbitter" bezeichnet und trägt eine durchgehend in deutscher Sprache gefasste Aufschrift. Gestaltungsmerkmale, die weiter auf eine Herkunft aus Dubai hinweisen. fehlen - anders als Z.B. im Verfahren vor dem Landgericht Köln, Besohl, v. 20. 12.2024 - 33 0 513/24, Anlage ASt11) vollständig.
Das Landgericht Köln hat in dieser Entscheidung bereits die Bezeichnung "Dubai Chocolate" ausreichen lassen. Dem folgt die Kammer wie oben dargestellt nicht in dieser Allgemeinheit.
Das Landgericht Köln hat jedoch darüber hinaus maßgeblich darauf abgestellt, dass die dort jeweils angegriffenen Verpackungen weitere Hinweise auf eine Herkunft des Produkts aus Dubai enthielten, nämlich einerseits die Verwendung der englischen Sprache ("Dubai Chocolate") und einer weiteren Sprache, die der Verbraucher nicht kenne, ferner ein Aufkleber, der darauf hinweise, dass das Produkt importiert sei. Die Kammer folgt insoweit dem Landgericht Köln dahingehend, dass zusätzliche Gestaltungsmerkmale - auch in der Werbung - bei nicht unwesentlichen Teilen des Verkehrs trotz der obigen Grundannahmen den Eindruck hervorrufen könnten, dass das Produkt aus Dubai stamme. An solchen Merkmalen fehlt es jedoch im Streitfall.
Ganz im Gegenteil weist die Werbung ausdrücklich auf eine "Qualitäts-Eigenmarke" der Beklagten hin, was einem Eindruck, das Produkt stamme aus Dubai, seinerseits entgegenwirkt.
Aus den oben genannten Gründen scheidet nach Auffassung der Kammer auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus den §§ 3 ZPO, 53 Abs. 1 GKG.
Die Kammer hat den Streitwert - ausgehend von der eher zu niedrig angesetzten Angabe in dervorgerichtlichen Abmahnung -geschätzt, wobei die Kammer von einem auptsachestreitwert von 50. 000,- ausgeht, von dem für das Eilverfahren ein Abschlag von 1/3 vorzunehmen war.
Rechtsbehelfsbelehrung
Der Beschluss, durch den die einstweilige Verfügung abgelehnt wurde, kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Landgericht Frankfurt am Main, 60313 Frankfurt am Main, Gerichtsstraße 2 oder dem Oberlandesgericht Frankfurt, 60313 Frankfurt am Main, Zeil 42. […]
(Unterschriften)