Leitsätzliches
Die Vorlage der Stellungnahme ohne Anknüpfungstatsachen in Kombination mit der geschwärzten Abschlussbescheinigung, die von jedem Patienten mit abgeschlossener Behandlung oder nach Vortrag des Klägervertreters im Termin auch von einem ehemaligen Mitarbeiter stammen kann, ist angesichts einer behaupteten vierjährigen Behandlung als einziges objektivierbares Dokument unzulänglich.LANDESGERICHT FRANKENTHAL
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Entscheidung vom 18. September 2018
Aktenzeichen: 6 O 39/18
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die am 26.8.2016 verfasste und unter Beklagte.de/a-stadt/zahnaerzte/kieferorthopaeden/dr.-…-Kläger/bewertung/... abrufbare Bewertung samt Bewertung mit Schulnoten zu veröffentlichen.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verurteilung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.242,84 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2018 freizustellen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Unterlassung einer negativen Bewertung auf dem Ärzteportal Beklagte.
Der Kläger ist Gesellschafter in einer Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis), unter anderem in A-Stadt und ist dort als Kieferorthopäde tätig. Die Beklagte betreibt als Hostprovider unter der Internetadresse www.Beklagte.de ein Bewertungsportal. Das Portal ist so gestaltet, dass sich ein Nutzer allein mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort registrieren und Bewertungen einstellen kann. Die Angabe eines Klarnamens muss nicht erfolgen. Die von den Nutzern auf dem Portal einstellbaren Bewertungen sind so aufgebaut, dass Pflicht und freiwillige Angaben zu machen sind. Als Pflichtangabe muss eine Überschrift vergeben werden. Sodann wird ein Bewertungstext in einem Freifeld verfasst. Danach sind nach dem Schulnotenprinzip einzelne Punkte zu bewerten. Sodann schließen sich freiwillige Bewertungskategorien zur Vergabe von Schulnoten an. Abschließend können weitere freiwillige Angaben unter anderem zur Person des Bewertenden und zum Grund der Behandlung gemacht werden.
Am 26.8.2016 wurde auf dem Portal eine anonyme Bewertung über den Kläger veröffentlicht. Diese trägt die Überschrift: „überaus unhöflich und unprofessionell“. Daneben erscheint die sich aus den Einzelschulnoten errechnete Gesamtnote von 5,2.
Unterhalb der Überschrift erschien am 26.8.2016 der folgende Freitext:
„Ich fühlte mich während der Behandlungszeit immer sehr unwohl, wenn ich einen Termin dort wahrzunehmen hatte. Ich halte Kläger für einen extrem schlechten Arzt, weil ich fand den Umgang mit mir als Patient eine Katastrophe! Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch.“
Folgende Einzelnoten wurden in nachfolgend benannten Einzelkategorien vergeben:
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 7.9.2016 wurde der Beklagten die Bewertung gemeldet und die Beklagte zur Löschung aufgefordert. Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein und bat den Patienten um Behandlungsbelege. Am 21.9.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie das Prüfverfahren eingeleitet habe und der Verfasser Stellung nehme. Die Beklagte nahm die Bewertung zunächst vollständig von der Plattform. Der Verfasser gab unter dem 08.10.2016 eine Stellungnahme ab und benannte gegenüber der Beklagten als Behandlungszeitraum 6/12-6/16. Die Beklagte übersendete dem Kläger eine fast vollständig geschwärzte Abschlussbescheinigung über eine kieferorthopädische Behandlung sowie die Stellungnahme vom 8.10.2016 mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25.12.2016. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 20.12.2016. Auf die Anlage B 2 wird Bezug genommen.
Die Beklagte entfernte in der Folge den letzten Satz der Bewertung: „Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch “ und stellte die übrige Bewertung wieder online.
Mit Schreiben vom 5.10.2017 verlangte der Klägervertreter nochmals Löschung mit der Begründung, ein Arzt Patienten Kontakt sei nicht nachgewiesen und die Bewertung ziele darauf ab, die persönliche und berufliche Integrität mit größtmöglichen Schaden anzugreifen.
Der Kläger trägt vor, er habe einen Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG auf Unterlassung der Wertung. Diese sei von einer verrohenden Sprache geprägt, stelle eine Schmähkritik dar und entfalte Prangerwirkung. Zudem stelle dies auch einen Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Es werde ausdrücklich bestritten, dass dieser Bewertung überhaupt ein Arzt – Patienten Kontakt zu Grunde läge. Der angegebene Behandlungszeitraum von vier Jahren sei nicht erwiderungsfähig. Die Formulierung:" Ich halte Kläger für einen extrem schlechten Arzt...“ sei beleidigend. Es fehle der Doktortitel oder eine übliche Höflichkeitsanrede „Herr“. Die Note 6,0 bei Behandlung stehen im krassen Widerspruch zum ärztlich bescheinigtem Erfolg der Behandlungsmaßnahme. Diese Note lasse darauf schließen, dass der Patient sogar Schaden genommen habe, da die schlechteste Behandlung gewählt worden sei. Die Bewertung der Kategorie Aufklärung mit der Note 5,0 lasse darauf schließen, dass der Kläger keine oder eine fehlerhafte Aufklärung vorgenommen habe, obwohl dies eine gesetzliche Pflicht sei und in seiner Praxis sehr ernst genommen werde. Die Bewertung in der Kategorie Vertrauensverhältnis mit 5,0 ziele darauf ab, der Kläger habe seine berufsrechtliche Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt und eine Straftat im Sinne des § 203 StGB begangen. Die Bewertung bei der Kategorie Angst- Patient mit 5,0 könne ebenfalls nicht stehen bleiben, da überhaupt nicht dargetan sei, dass die bewertende Person tatsächlich Angst-Patient sei. Die Bewertung in der Kategorie Kinderfreundlichkeit sei nicht möglich, da die bewertende Person behaupte, selbst beim Kläger in Behandlung zu sein. Auch die Bewertung der Praxisausstattung sei unzutreffend, die Behandlungseinheiten seien nur wenige Jahre alt. Alles sei eine bewusste Diskreditierung des Klägers. Insgesamt handele es sich um Schmähkritik und unsubstantiierte und falsche Tatsachenbehauptungen, die nicht von der freien Meinungsäußerung geschützt sein. Dies werde ganz deutlich unter Berücksichtigung des mittlerweile entfernten Satzes: „Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch.“
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die am 26.8.2016 verfasste unter Beklagte.de/a-stadt/zahnaerzte/kieferorthopaeden/dr.-...-Kläger/bewertung/... abrufbare Bewertung samt Bewertung mit Schulnoten zu veröffentlichen,
2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die am 26.8.2016 verfasste unter Beklagte.de/a-stadt/zahnaerzte/kieferorthopaeden/dr.-...-Kläger/bewertung/... abrufbare Bewertung zu veröffentlichen, Soweit darin hinsichtlich der Person des Klägers folgende Äußerungen ganz oder auszugsweise enthalten sind:
b) „ich halte Kläger für einen extrem schlechten Arzt,“
c) „weil ich fand den Umgang mit mir als Patient eine Katastrophe!“,
und/oder folgende Noten-Bewertungen enthalten sind:
3. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verurteilung ein Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.242,84 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
sie habe ordnungsgemäß ein Prüfverfahren eingeleitet und um Behandlungsbelege gebeten. Der Patient habe geantwortet und eine Abschlussbescheinigung übersendet. Der Behandlungszeitraum habe von 6/12-6/16 gedauert. Die Beklagte müssen die Anonymität des Patienten wahren und daher die Bescheinigung schwärzen. Dies ergebe sich aus dem Telemediengesetz. Der Behandler habe zunächst den Kontakt nicht mehr bestritten, so dass das Prüfverfahren abgeschlossen sei. Sie treffe lediglich eine Plausibilitätsprüfung. Erkennbar sei ein Behandlungszeitraum mit einem Gesamteindruck beschrieben worden. Es handele sich um reine Meinungsäußerungen. Das Prüfverfahren sei abgeschlossen gewesen und könne auch nicht dazu dienen, die Identität des Patienten aufzudecken. Die potentiellen Unterlagen sollen den Arzt gerade nicht in die Lage versetzen, den Patienten zu identifizieren. Der Patient sei der Notenvergabe vollkommen frei.
die Beklagte habe sich die streitgegenständliche Bewertung zu eigen gemacht, da diese den letzten Satz nach Abschluss des Beanstandungsverfahrens und der Wiedereinstellung der Bewertung entfernt habe. Hierdurch habe sie die Rolle des neutralen Vermittlers verlassen. Die Nachweise der Beklagten seien nicht erwiderungsfähig. Die Beklagte müsse weitere Auskünfte einholen oder zusätzliche Nachweise verlangen, die eine Prüfung und Erwiderung zulassen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger rügt die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes und einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und somit eine unerlaubte Handlung durch eine Bewertung in einem Internetportal, § 32 ZPO. Der hinreichende Bezug zum Gerichtsbezirk ist gegeben, da die Praxis im Landgerichtsbezirk Frankenthal Pfalz liegt (Zöller/Schultzky, ZPO Kommentar, 32. Aufl., § 32, Rn. 20 Stichwort Internetdelikt).
II.
Die Klage ist begründet gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1, Art. 2, Art. 12 GG. Die Beklagte haftet als mittelbare Störerin.
Der Kläger wird durch die am 26.8.2016 verfasste Bewertung mit Text und Schulnoten, Gesamtnote 5,2 in seinem Persönlichkeitsrecht sowie in seiner beruflichen Integrität beeinträchtigt. Mangels Darlegung eines belastbaren Tatsachenkerns, hier einer tatsächlich stattgehabten Behandlung des Bewertenden, hat die Beklagte kein schützenswertes Interesse an der Veröffentlichung der als Meinung einzustufenden Bewertung belegen können.
1. Eine Haftung als unmittelbare Störerin scheidet nach Auffassung der Kammer aus. Ein Portalbetreiber, der die in das Portal eingestellten Äußerungen eines Dritten auf die Rüge des von der Kritik Betroffenen inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss nimmt, indem er selbstständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Dritten – entscheidet, welche Äußerungen er abändert oder entfernt und welche er beibehält, macht sich diese Äußerungen zu eigen. Nach außen erkennbar ist die Übernahme der inhaltlichen Verantwortung jedenfalls dann, wenn er dem von der Kritik Betroffenen seinen Umgang mit der Bewertung kundgetan hat (BGH, GRUR 2017, 844). Die Beklagte hat sich durch das Entfernen des letzten Satzes der ursprünglichen Bewertung: „Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch“ nicht die Bewertung derart zu eigen gemacht, dass sie eigenverantwortliche Änderungen vorgenommen hat. Sie hat lediglich den letzten Satz entfernt, jedoch keine inhaltliche Änderung vorgenommen.
2. Die Beklagte als Hostprovider haftet im vorliegenden Fall aber als mittelbare Störerin.
Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGHZ 209, 139 Rn. 22 – www.Beklagte.de; GRUR 2016, 104 Rn. 34 „recht§billig“; BGHZ 191, 219 Rn. 21 Blog-Eintrag, mwN). Die Haftung als mittelbarer Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGHZ 209, 139 Rn. 22 – www.Beklagte.de; BGHZ 191, 219 Rn. 22 – Blog-Eintrag; BGH, GRUR 2018, 642).
Die Beklagte hat grundsätzlich Äußerungen zu unterlassen, die nicht von Art. 5 GG gedeckt sind:
- Äußerungen, die einen Straftatbestand verwirklichen
- unwahre Tatsachenbehauptungen
- Werturteile ohne Tatsachenkern.
Im vorliegenden Fall ist bei der beanstandeten Bewertung von Meinungen und Werturteilen auszugehen. Diese sind zu unterlassen, weil kein belastbarer Tatsachenkern nachgewiesen ist.
a) Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 185 StGB ist abzulehnen. Ein Straftatbestand der Beleidigung aufgrund der Bewertung ohne das Hinzufügen des Doktortitels oder des Zusatzes „Herr “ liegt nicht vor. § 185 StGB erfordert eine Äußerung von Missachtung oder Nichtachtung. Nicht ausreichend sind bloße Unhöflichkeiten und Taktlosigkeiten, sofern sie nicht wegen der besonders groben Form als Ausdruck der Missachtung erscheinen (vgl. RG LZ 15, 445 [Weglassen des „Herr“]).
b) Ebenso liegt keine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Bei den beanstandeten Äußerungen und Notenbewertungen handelt es sich nach einer Gesamtbewertung um Meinungen und Werturteile. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass in jedem Satz der Einzelbewertung ein Element des Meinens und Dafürhaltens verwendet wird. Der aus drei Sätzen bestehende Text beginnt mit dem Satz: "Ich fühlte...". Der nächste Satz beginnt mit: “Ich halte …, weil ich fand...". Der dritte Satz beginnt mit den Worten:“ Meiner Meinung nach...“
Tatsachen werden in den Fließtext nicht geschildert. Es handelt sich ausschließlich um die Schilderung subjektiver Wahrnehmungen.
Die Noten sind ebenfalls ohne weiteren Kommentar vergeben und enthalten entgegen der Auffassung des Klägers keinen Tatsachengehalt. Insbesondere kann aus der Note 6,0 für die Kategorie Behandlung sowie aus den Noten 5,0 für die Kategorien Aufklärung und Vertrauensverhältnis nicht geschlossen werden, dass die Behandlung oder die Aufklärung fehlerhaft waren oder etwa nicht gesetzlichen Richtlinien entsprochen haben. Hierzu fehlt jeglicher Tatsachenvortrag. Es ist daher ersichtlich, dass es sich bei der Notenvergabe um eine Bewertung handelt. Ein etwaiger Aussagegehalt einer schlechten Note dahingehend, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler oder ein Aufklärungsfehler vorliegt, kann in der reinen Notenvergabe daher nicht gesehen werden (BGH GRUR 2016,855 ff).
Meinungen und Bewertungen sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Diese kann auch die Beklagte als Provider für sich in Anspruch nehmen, da ihre Aufgabe darin besteht, Meinungen und Werturteile zu bündeln und zu verbreiten.
In der geäußerten Meinung muss jedoch zumindest ein Tatsachenkern enthalten sein. Dies ist bei der Bewertung einer ärztlichen Leistung die (Minimal-)Tatsache, dass überhaupt ein Arzt-Patienten Kontakt im Sinne einer Behandlung stattgefunden hat. An der Bewertung nicht stattgefundener Behandlungen besteht kein rechtliches Interesse. Dies ist auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Liegt der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zu Grunde, überwiegt das von Art. 1, 2 Abs.1 GG (auch iVm Art. 12 GG) und Art. 8 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre die von Art. 5 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewertenden an der Äußerung der dargestellten Meinung im Portal der Beklagten und der Beklagten an der Kommunikation dieser Meinung. Denn bei Äußerungen die insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (BGH, GRUR 2015, 289 – Hochleistungsmagnet; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rdnr. 34). Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, ist nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren (BGH, GRUR 2016, 855).
c) Nachdem hier streitig ist, ob überhaupt eine Behandlung stattgefunden hat, muss grundsätzlich der Kläger beweisen, dass kein Behandlungskontakt vorlag (OLG Dresden, NJW-RR 2018, 675). Da der Beweis negativer Tatsachen besonderen Schwierigkeiten unterliegt, muss die Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast Tatsachen vortragen, die der Kläger möglicherweise entkräften kann (Zöller/ Greger, ZPO, 32. Aufl., vor § 284 ZPO, Rnr. 24). Hierbei hat die Beklagte gemäß § 13 Abs.6 TMG die Anonymität der Nutzer zu gewährleisten.
Zunächst trifft nach ganz herrschender Meinung den Betreiber eines Bewertungsportals keine Pflicht, Beiträge schon vorab auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen. Der Hostprovider wäre hiermit auch wirtschaftlich und personell überfordert. Der Hostprovider wird erst dann verantwortlich, wenn ein Betroffener ihn auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Angebotes hinweist (BGHZ 191, 219). Der Betroffene muss den Eintrag beanstanden und die Beanstandung so konkret fassen, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.
Dies hat der Kläger getan. Der Kläger hat mit Schreiben vom 7.9.2016 aufgelistet, warum die Bewertung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht sowie seiner beruflichen Integrität trifft. Dies ist für die Kammer auch völlig plausibel, da die Bewertung eine Gesamtnote von 5,2 enthält und die Textbewertung inhaltlich ebenfalls nur negative Meinungen enthält. Die Bewertung ist auch objektiv geeignet, sich auf den Kläger im Wettbewerb gegenüber anderen Ärzten beruflich nachteilig auszuwirken, insbesondere, da er als extrem schlechter Arzt bezeichnet wird. Die Bewertung ist dazu geeignet, dass potentielle Patienten, die sich über Beklagte informieren, anstelle des Klägers einen anderen Kieferorthopäden aufsuchen.
d) Die Beklagte hat nach Beanstandung das sogenannte Prüfverfahren durchzuführen.
Hierbei hat der Plattformbetreiber den Bewertenden auffordern, den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Indizien zu übermitteln, z.B. Terminkarten, Zetteleintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. Die Beklagte hat dem Kläger sodann diejenigen Informationen und Unterlagen, eventuell geschwärzt weiterleiten, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG die in der Lage ist (BGH, GRUR 2016, 855).
Dem ist nach Auffassung der Kammer durch die Beklagte nicht Genüge getan. Die Stellungnahme ihres Users zur Beanstandung enthält bis auf die geschwärzte Abschlussbescheinigung keinerlei belastbaren Tatsachenkern.
Die Beklagte hat den Bewertenden angeschrieben und zu den Einwänden des Klägers gehört. Der Bewertende hat unter dem 8. Oktober 2016 geantwortet: " … Im Einwand von Herrn Kläger werde ich dazu aufgefordert, Anknüpfungstatsachen zu nennen. Dies habe ich bewusst nicht gemacht, da Tatsachen im Zweifel für einen Patient nicht beweisbar sind. Sehr wohl darf ich jedoch meine Meinung äußern … Alles was ich hier erlebt habe, möchte ich nicht im Detail schildern, es war eine Katastrophe.... Beweisdokumente sind beigefügt."
Die Beklagte übersandte die geschwärzte Abschlussbezeichnung, Anlage K4. Diese ist sowohl hinsichtlich des Patientennamens als auch des Datums geschwärzt. Als Behandlungszeitraum nannte die Beklagte 6/2012-06/2016.
Hiermit genügt die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht. Der Bewertende hat weder in der angegriffenen Bewertung, noch in seiner Stellungnahme im Prüfverfahren irgendeine Anknüpfungstatsache geschildert. Er hat im Gegenteil ausdrücklich darauf verwiesen, dass er dies nicht tun werde. Der Kläger hat somit weder aus dem Wortlaut der Bewertung, noch aus der Stellungnahme im Prüfverfahren einen Anhaltspunkt dafür, dass überhaupt ein Behandlungskontakt stattgefunden hat. Der User verweigert ausdrücklich die Schilderung irgendeiner Anknüpfungstatsache.
Auch mit dem angegebenen Behandlungszeitraum und der als Behandlungsunterlage überreichten Behandlungsbescheinigung ist ein tatsächlich stattgefundener Behandlungskontakt nicht ausreichend dargelegt.
Ein Behandlungszeitraum von vier Jahren ist zunächst plausibel, da sich kieferorthopädische Behandlungen häufig über einen sehr langen Zeitraum erstrecken. Es wäre aber gerade angesichts dieser langen Zeitdauer von dem Bewertenden zu fordern gewesen, dass er nicht nur eine geschwärzte Abschlussbescheinigung vorlegt, sondern auch andere Unterlagen, z.B. (geschwärzte) Terminzettel, Rezepte, Rechnungen oder Ähnliches.
Da zudem von Klägerseite auch ausdrücklich gerügt ist, dass die Behandlung eines Kindes streitig ist und der Bewertende die Kinderfreundlichkeit mit der Note 6,0 bewertet hat, wäre zumindest als belastbare Tatsachenbehauptung im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu erwarten gewesen, dass der User erklärt, dass überhaupt ein Kind behandelt wurde.
Gleiches gilt für die Kategorie „Angst - Patient“, die mit 5,0 bewertet worden ist. Auch hier wird noch nicht einmal die Minimaltatsache vorgetragen, dass es sich bei dem Bewertenden überhaupt um einen Angst- Patienten handelt.
Die Beklagte hat hier ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die Vorlage der Stellungnahme ohne Anknüpfungstatsachen in Kombination mit der geschwärzten Abschlussbescheinigung, die von jedem Patienten mit abgeschlossener Behandlung oder nach Vortrag des Klägervertreters im Termin auch von einem ehemaligen Mitarbeiter stammen kann, ist angesichts einer behaupteten vierjährigen Behandlung als einziges objektivierbares Dokument unzulänglich.
Die Beklagte ist daher zu verurteilen, die Veröffentlichung der Bewertung zu unterlassen.
3. Die Beklagte ist gemäß §§ 823 Abs. 2, 249ff, 257 BGB zur Freistellung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet. Diese errechnen sich aus dem Streitwert von 25.000,00 € nebst Auslagenpauschale und MwSt. zutreffend mit 1.242,84 €. Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der Zinsen ab Rechtshängigkeit erfolgt aus §§ 288, 291 BGB
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Der Streitwert wird entsprechend dem bereits mit Beschluss vom 05.02.2018 vorläufig festgesetzten Streitwert gemäß § 3 ZPO auf 25.000,00 € festgesetzt, da durch die angegriffene Bewertung nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, sondern auch dessen berufliche Integrität verletzt worden ist.