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VG Minden, Beschluss vom 12. November 2004, AZ: 3 L 804/04 - Vermittlung von Sportwetten nach Österreich nicht unzulässig

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Die staatlichen Lotteriegesellschaften betreiben im gesamten Bundesgebiet in Sportstätten und Medien eine breit angelegte Werbung zur Teilnahme an Oddset- Sportwetten, um mit den Einnahmen kostenintensive öffentliche Vorhaben und Veranstaltungen, u.a. die Fußballweltmeisterschaft 2006, zu finanzieren oder zu unterstützen und Haushaltsdefizite auszugleichen. Angesichts dieser klaren Zielsetzung ist nicht erkennbar, dass durch das staatliche Vorgehen der Spieltrieb kanalisiert und eingedämmt wird. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Staat im Wesentlichen aus finanziellen Gründen sein Glücksspielangebot kontinuierlich mit Hilfe offensiver Werbekampagnen, die darauf abzielen, jede Altersklasse als Zielgruppe zu erreichen, ausdehnt. Die endgültige Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die danach vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Der Betrieb eines Sportwettunternehmens fällt in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG Weil also staatliche Institutionen aus fiskalischen Gründen derzeit das Glücksspiel mit aggressiven Werbekampagnen fördern, können sie privaten Anbietern von Sportwetten das Gewerbe nicht verbieten.

 

VERWALTUNGSGERICHTS MINDEN

BESCHLUSS

 

Aktenzeichen: 3 L 804/04

Entscheidung vom 12. November 2004


In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
 
wegen  Untersagung der Vermittlung von Sportwetten;

hat der 3. Kammer durch den Vorsitzenden Richter...

beschlossen:

 

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung vom 23.09.2004 wird hinsichtlich der Nr. 1 wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 2 angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe:

Der Antrag ist zulässig und begründet. Rechtsschutz gegen die Anordnung des Sofortvollzugs der Ordnungsverfügung ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren. Die erstrebte Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage liegt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (wie dem in der Bestimmung enthaltenen "kann" zu entnehmen ist) im Ermessen des Gerichts. Dieses hat dabei nach herrschender Meinung eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung der Verfügung vorl äufig verschont zu werden, und dem öffentlichen Interesse daran, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Diese Abwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsgegnerin aus.

Die angefochtene Ordnungsverfügung erweist sich bei summarischer Prüfung - eine solche reicht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO aus - weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen.

Ebenso: OVG NW, Beschluss vom 14.05.2004 - 4 B 2096/03 - und Beschluss vom 22.10.2004 - 4 B 1340/04 -. Es ist bereits fraglich, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 14 OBG i.V.m. § 284 StGB vorliegen. Zwar sind Sportwetten nach der herrschenden Meinung als Glücksspiel i.S.v. § 284 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB anzusehen.

Vgl. BGH vom 28.11.2002 - 4 StR 260/02 -, GewArch 2003, Seite 332; BVerwG, Urteil vom 28.03.2001 - 6 C 2/01 -, GewArch 2001, 334 f.

Ob aber die bloße Vermittlung von Sportwetten als Veranstalten, Halten oder Bereitstellen für ohne Erlaubnis durchgeführte Glücksspiele angesehen werden kann, ist nach der Rechtsprechung vieler Strafgerichte (z.B. LG Berlin, AG Karlsruhe- Durlach, AG Essen, AG Baden-Baden) streitig. Der BGH macht in seiner oben angegebenen Entscheidung zwar grundsätzlich deutlich, dass der Sportwettenvermittler als Veranstalter in Betracht kommt, und sieht auch grundsätzlich die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nach § 284 Abs. 1 3. Alternative bzw. § 284 Abs. 4 StGB als gegeben an, in tatsächlicher Hinsicht hält der BGH aber die konkreten Umstände der Wettvermittlung für weiter aufklärungsbedürftig. Dies lässt allein den Schluss zu, dass derzeit die Tatbestandsverwirklichung von den konkreten Einzelheiten der Wettvermittlung abhängt, es aber auch grundsätzlich möglich ist, Wetten zu vermitteln, ohne sich strafbar zu machen.

Ebenso: VG Schleswig, Beschluss vom 24.09.2004 - 12 B 60/04 - .

Die Antragsgegnerin verhält sich nicht zu den Umständen und Einzelheiten der Tätigkeit der Antragstellerin. Daher muss es derzeit im Rahmen dieses summarischen Verfahrens als offen bezeichnet werden, ob tatsächlich eine Strafbarkeit der Antragsstellerin gegeben ist.

Es ist ferner offen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 GewO erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann die Fortsetzung eines Gewerbes, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn das Gewerbe ohne diese Zulassung betrieben wird. Nach dem Sportwettengesetz NRW bzw. nach dem Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (Lotteriestaatsvertrag vom 22.06.2004) ist die Veranstaltung von Sportwetten erlaubnispflichtig. Eine Erlaubnis kann nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des privaten Rechts, deren Anteile überwiegend juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören, erhalten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Sportwettengesetz NRW, § 5 Abs. 2 Lotteriestaatsvertrag). Damit wird für die Durchführung von Sportwetten ein staatliches Monopol verankert. Es ist umstritten, ob ein solches staatliches Monopol noch EG- rechtskonform ist und ob es mit Art. 12 GG vereinbar ist. Der EuGH hat grundsätzlich das Bedürfnis der Mitgliedstaaten anerkannt, die Veranstaltung von Wetten und Glücksspielen aus Gründen des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spiel zu begrenzen.

Vgl. EuGH vom 06.11.2003 - C 243/01 - (Gambelli), GewArch 2004, 30, Rdnr. 63 und 67; vgl. ferner Urteile vom 24.03.1994 - C 275/92 - (Schindler), EuZW 1994, 311, vom 21.10.1999 - C 67/98 - (Zenatti), GewArch 2000, 19 f. und vom 21.09.1999 - C 124/97 - (Läära), GewArch 1999, 476.

Maßnahmen, die auf derartige Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, müssen jedoch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie (kohärent und systematisch) zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Diese Voraussetzung ist nach der Auffassung des EuGH nicht erfüllt, wenn die Behörden eines Mitgliedsstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen. Insbesondere können sich strafrechtliche Vorschriften als unverhältnismäßig darstellen, wenn zur Teilnahme an Wetten ermuntert wird, sofern sie im Zusammenhang mit Spielen stattfinden, die von zugelassenen nationalen Einrichtungen organisiert werden. Dies gilt namentlich auch für die Strafbarkeit der Vermittlung von Wetten aus einem anderen Mitgliedsstaat. Dabei ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob die jeweilige nationale Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG die Monopolstellung der staatlichen Lotteriegesellschaften unter strafbewehrter Fernhaltung privater Anbieter in der Vergangenheit als zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend für geboten erachtet und damit die mit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen einhergehenden Beschränkungen der Berufszulassung gebilligt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1994 - 1 C 18.91 -, BVerwGE 96, 293 und Urteil vom 28.03.2001 - 6 C 2.01 - BVerwGE 114,92.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 28.03.2001 aber auch einschränkend Folgendes ausgeführt: "Allerdings wird der Gesetzgeber nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne, in der weitere Erfahrungen mit Oddset-Wetten, auch hinsichtlich ihrer privaten Veranstaltung im Ausland, gewonnen werden können und müssen, zu überprüfen haben, ob seine Einschätzung über das Erfordernis der Fernhaltung privater Veranstalter und Vermittler von derartigen Glücksspielen noch durch sachgerechte Erwägungen, die namentlich auch die Grundrechtsposition potentieller privater Interessenten einbeziehen, gerechtfertigt werden kann. Zudem wird es der kritischen Überprüfung durch den Gesetzgeber bedürfen, ob die Veranstaltung von Sportwetten in staatlicher Monopolregie wirklich geeignet ist, die mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbundenen Gefahren einzudämmen. Davon wird bei mit aggressiver Werbung einhergehender extremer Ausweitung des Spielangebots keine Rede mehr sein können. Namentlich wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die in § 284 StGB vorausgesetzte Unerwünschtheit des Glücksspiels nicht in unauflösbaren Widerspruch gerät zum staatlichen Veranstalterverhalten."

Ob diese vom EuGH und vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Grenzen noch eingehalten werden, ist angesichts der von der Antragstellerin geltend gemachten und von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen offensiven Werbung für die in Nordrhein-Westfalen erlaubtermaßen angebotenen Oddset-Wetten mehr als fraglich.

Die Kammer verweist insoweit beispielhaft auf die Ausführungen von Lesch, Die Sportwette als Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB, GewArch 2003, Seite 323:

"Dieses Gesamtkonzept soll hier nur beispielhaft anhand der Selbstdarstellung von WestLotto erläutert werden, wie sie derzeit über das Internet Verbreitung findet 23). Danach sieht WestLotto sich als ein "innovatives und zukunftsorientiertes Unternehmen", das nicht nur auf seine "allseits bekannten Erfolgsgaranten wie z.B. Lotto, Oddset und RubbelZauber" setzt, sondern auch verstärkt auf "neuen Schwung und kreative Ideen". "In diesem Zuge arbeiten wir" - so heißt es - "konsequent an zukunftsfähigen Konzepten und Strategien mit dem Ziel, bestehende Kunden zu binden und neue Kunden zu gewinnen" 24). Zu diesen "zukunftsfähigen Konzepten und Strategien" gehört auch die am 19.02.1997 eingeführte "Online-Technologie", die wie folgt kommentiert wird: "Die neue Online-Verarbeitung begeistert sowohl Lotto-Kunden als auch Lotto-Verkäufer. Die Umsatzzahlen seit 1998 bestätigen diese Entwicklung voll und ganz: WestLotto erlebte die umsatzstärksten Jahre seiner Geschichte. Im Jahr 2001 setzte das Unternehmen umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro um" 25). Dabei werden auf der Homepage von WestLotto über den Link "CyberLotto.de" auch typische Casinospiele wie "Black Jack", "Las Vegas" und "Monopoly" angeboten. "Der geschäftliche Zweck dieses Internet-Angebotes" - so heißt es wörtlich - "besteht in der behördlich genehmigten kommerziellen Veranstaltung von Lotterien (Eröffnung von Gewinnchancen gegen Zahlung eines Spieleinsatzes und Gebühren)". Und in der Tat unterscheidet sich das Online-Glücksspiel-Angebot von WestLotto in seiner rein kommerziellen, auf die Erzielung größtmöglicher Umsätze gerichteten Ausrichtung nicht im geringsten von demjenigen der zahllosen privaten Internet- Anbieter im In- und Ausland." (Die Fußnoten beziehen sich auf Belege aus dem Internet - Internetseiten von WestLotto - .)

In dieses Geschäftskonzept fügt sich die Äußerung der Medienmanagerin von WestLotto nahtlos ein, die in einer Informationsbroschüre des WDR erklärt, auf Grund der Vielzahl der unterschiedlichen von WestLotto vertriebenen Produkte und der Zielgruppen, die WestLotto ansprechen wolle, heiße ihre Devise, junge Kunden gewinnen, die mittlere Altersgruppe zu aktivieren und die ältere Bevölkerung von WestLotto an seine Produkte, wie z.B. die Sportwette Oddset, zu binden.

Vgl. WDR, Informationsbroschüre Spot, 09.05.2003, zitiert in: Höller/Bodemann, "Das "Gambelli"-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf Deutschland", NJW 2004, 122 (124).

Die staatlichen Lotteriegesellschaften betreiben im gesamten Bundesgebiet in Sportstätten und Medien eine breit angelegte Werbung zur Teilnahme an Oddset- Sportwetten, um mit den Einnahmen kostenintensive öffentliche Vorhaben und Veranstaltungen, u.a. die Fußballweltmeisterschaft 2006, zu finanzieren oder zu unterstützen und Haushaltsdefizite auszugleichen. Vgl. dazu Hessischer VGH, Beschluss vom 09.02.2004 - 2 G 2399/03 -, vgl. auch zu den Werbekampagnen in Baden- W ürttemberg: VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.05.2004 - 11 K 160/04 -.

Der Vertrieb von Oddset-Wetten durch die Landesglücksspielunternehmen erfolgte zunächst in Bayern und kurz darauf über die über 50.000 Lottoannahmestellen in ganz Deutschland, die nach Angaben seitens des Lottoblocks u.a. durch ihre Lage sicherstellen sollen, dass das staatliche Glücksspiel jedermann unschwer zugänglich ist. Der Vertrieb erfolgte nach Schaffung der Voraussetzungen auch über Internet, wobei jedermann, der eine existierende Anschrift, eine Mail- Adresse und insbesondere eine existierende Kontoverbindung angeben kann, die Möglichkeit hat, sich bei jedem Lottounternehmen anzumelden und von jedem Ort innerhalb und außerhalb Deutschlands am staatlichen Glücksspiel teilzunehmen. Ferner bietet eine Kooperation des Lottoblocks, zurückgehend auf eine Vereinbarung des Freistaats Bayern, Bayerische Staatliche Lotterieverwaltung, mit dem Sender Premiere seit Mitte 2003 die Möglichkeit der Teilnahme an staatlichen Oddset-Wetten per Mobiltelefon durch SMS und den insoweit räumlich unbeschränkten Zugang zum staatlichen Angebot. In Oddset-Newsletter, Ausgabe 1/2004 heißt es:

"Oddset startet durch. Neue Wettangebote zum neuen Jahr. Toller Service von Oddset für alle Wettfreunde: Im neuen Jahr wird das Wetten beim staatlichen Anbieter billiger und einfacher." In "Oddset - Die Sportwette" der Lotto-Toto-Lotterie heißt es:

"Warum wird Oddset ein Volltreffer? Marktforschungsuntersuchungen haben ergeben: Oddset erobert die Herzen der Sportfans und erschließt ein riesiges Marktpotential! ? Oddset schafft höchste Spielakzeptanz und Teilnahmebereitschaft: Bisher spielen 0,9 % der bayerischen Bevölkerung ab 18 Jahren Sportwetten. Laut einer Repräsentativstudie sind in Bayern 4,1 % der Bevölkerung bereit, Oddset regelmäßig zu spielen - und 16 % sind stark am neuen Produkt interessiert! ? Oddset tritt den Nerv einer jungen Zielgruppe: Der erwartete Teilnehmerkreis besteht zu 71 % aus sportbegeisterten Männern im Alter von 18 - 40 Jahren. Sie schätzen an Oddset vor allem die Spannung, den Nervenkitzel und die Möglichkeit, das eigene Sportwissen zu Bargeld zu machen." Die Zeitschrift der Bayerischen Staatlichen Lotterieverwaltung "Spiel mit", Ausgabe Nr. 28 vom 06.07.2004, zeigt Stadionwerbung für "Oddset von Lotto" sowie einen Oddset-Fußball. In einer offenbar mit Opel durchgeführten Werbekooperation bietet Opel denjenigen, die "sportliche Herausforderungen" mögen, einen Opel zum Test an, die Landesglücksspielveranstalter einen "Gutschein" über 10,00 EUR, einzulösen bei: "Oddset die Sportwette von Lotto", also ein Wettguthaben.

Auch in den gesetzgeberischen Motiven finden sich klare Äußerungen, die die bei Einführung der staatlichen Oddset- Wetten tatsächlich im Vordergrund stehenden fiskalischen Interessen bestätigen:

So führte der Finanzminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser für die bayerische Regierung Folgendes aus (Plenarprotokoll vom 20.04.1999, Seite 858 f., Anlage Gesetzesmaterialien):

"Beim Nachfrageverhalten hat sich eine Menge geändert. Das hat dazu geführt, dass Lotterien heutzutage ein für den Haushaltsausschuss, den Landtag und den Finanzminister durchaus nennenswerter Faktor sind. Die Glücksspiele haben im Jahr 1998 in Bayern immerhin den beträchtlichen Umsatz von 2,2 Milliarden DM erbracht. Daraus resultieren Staatseinnahmen von 850 Millionen DM. Vor Antritt des Amtes des Finanzministers hätte ich mir nicht vorgestellt, dass die genaue Befassung mit diesem Thema so interessant und relevant ist. Weil der Betrag so namhaft ist, sollten wir die Angelegenheit genauer betrachten und eine angemessen sichere Rechtsgrundlage schaffen ... Sie wissen, dass wir sogenannte Oddset-Wetten eingeführt haben. ... Die Oddset-Wetten sind vom Charakter her keine Lotterien mehr, wie die Juristen sagen, sondern eher eine Art öffentliche Wette ... Im Übrigen weise ich darauf hin, dass wir durch die Oddset-Wetten, die es noch nicht lange gibt, mittlerweile Umsätze von 4 Millionen DM pro Woche haben. Das heißt, unsere Erwartung, dass wir mindestens 100 Millionen DM einnehmen, wird mit großer Sicherheit erreicht, wenn nicht gar deutlich übertroffen. Das heißt wiederum, der Finanzminister ist mit knapp der Hälfte dabei. Von daher betrachte ich die Entwicklung mit einem gewissen Wohlwollen. Es ist besser, das Geld geht in die bayerischen Staatskassen, als dass es über die Grenzen nach Österreich geht. Das war nämlich üblich. Es gab einen sehr starken Grenzverkehr zum Zweck des Wettens.

Das Geld holen wir jetzt selbst herein. Ich glaube, das ist vernünftig."

Zur Nachfrage, ob durch die staatlichen Wetten die Spielsucht gefördert werde, führt Prof. Faltlhauser aus:

"Ich glaube nicht, dass Familienväter bei der Lotterie ihr Einkommen verspielen. Wer das tatsächlich tut, ist offenbar der Spielsucht verfallen oder ein Spielertyp. Wenn solche Leute hier nicht zum Zuge kommen, spielen sie woanders. Im Übrigen gibt es Lotterien bundesweit auch in sozialdemokratisch regierten Ländern und in Ländern, die von den Grünen mitregiert werden. Dort sind die Finanzminister ebenso froh wie der Finanzminister hier, dass sich die Angelegenheit in staatlicher Hand abspielt. Ich bin in dieser Sache nicht zurückhaltend. Ich sage: Erstens ist es gut, dass wir die Glücksspiele in staatlicher Hand halten und dadurch Kontrolle ausüben. Zweitens ist es gut, dass wir dadurch Einnahmen haben. So einfach ist das."

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen Dr. Behrens führte anlässlich der Änderung des Sportwettengesetzes im Jahre 1999 (Plenarprotokoll 12/123) aus:

"Oddset-Wetten werden in Deutschland bislang praktisch - sieht man von Bayern einmal ab - nur illegal im Besonderen vom Ausland her angeboten, zunehmend auch im Internet. Diese illegalen Veranstaltungen sind naturgemäß einer Kontrolle durch die für das Glücksspielwesen zuständigen Landesbehörden entzogen. Eine strafrechtliche Verfolgung ist regelmäßig zum Scheitern verurteilt; das ist im Wesentlichen und im Kurzen der ordnungspolitische Aspekt. Nicht weniger bedeutsam ist die finanzielle Seite des Ganzen. Das offenkundige Interesse deutscher Teilnehmer am Angebot ausländischer Wettanbieter führt dazu, dass erhebliche Geldbeträge außer Landes gehen. Das auf diese Weise ins Ausland abwandernde Umsatzvolumen wird jährlich auf 300 Millionen bis über 1 Milliarde DM geschätzt. Ein jährlicher Umsatzverlust in der Größenordnung von 500 Millionen DM dürfte keinesfalls als zu hoch angesehen werden. Sie werden mir, meine Damen und Herren, sicher darin zustimmen, dass dieses Geld - wenn es denn heute illegal ins Ausland fließt - besser legal im Lande bliebe. Mit anderen Worten: Die Landesregierung verbindet mit der vorgeschlagenen Einführung von Oddset-Wetten in Nordrhein- Westfalen auch finanzielle Erwartungen."

Angesprochen auf die Frage der Suchtgefährdung führte der SPD-Abgeordnete Jürgen Jentsch weiter aus:

"Nach einer Erhebung des deutschen Lotto- und Totoblocks fließen allein im Sportwettenbereich - der Minister hat darauf hingewiesen - nach vorsichtigen Schätzungen rund 500 Millionen DM - es können mehr, es können weniger sein - jährlich ins Ausland. Das bedeutet, Nordrhein- Westfalen, aber auch die anderen deutschen Länder haben hier einen Nachholbedarf. Wir stehen vor der Aufgabe, diesen massiven Abfluss von Wettgeldern ins Ausland zu stoppen. Lassen sie mich an dieser Stelle betonen, dass Veränderungen hin zu einem Weniger für die Sportverbände, die Wohlfahrtsverbände und die Kultur nicht zu erwarten ist, möglicherweise sogar ein Mehr. Diese Erwartungen hege ich, weil es uns durch die Einführung der Oddset-Wette gelingen muss, einen Großteil der abfließenden Wettgelder im Lande zu halten. ... Auf die Suchtgefahren hat der Minister hingewiesen. Darauf will ich nicht besonders eingehen. ... Ich denke, wir können nicht alles regeln. Gerade auf diesem Feld muss der Mensch sich auch selbst regeln können. In manchen Bereichen können wir nicht Vormund sein."

Im Jahr 2003 sind dem Landeshaushalt NRW 27,7 Millionen Euro an Zweckertrag aus der Oddset-Sportwette zugeflossen,

www.landtag,nrw.de, Drucksache 13/5871.

Angesichts dieser klaren Zielsetzung ist nicht erkennbar, dass durch das staatliche Vorgehen der Spieltrieb kanalisiert und eingedämmt wird. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Staat im Wesentlichen aus finanziellen Gründen sein Glücksspielangebot kontinuierlich mit Hilfe offensiver Werbekampagnen, die darauf abzielen, jede Altersklasse als Zielgruppe zu erreichen, ausdehnt. Die endgültige Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die danach vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Der Betrieb eines Sportwettunternehmens fällt in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG,

vgl. nur Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand Februar 2004, § 33 h, Rdnr. 12 m.w.N.

Ebenso genießt daher die Tätigkeit der bloßen Vermittlung von Sportwetten den grundgesetzlichen Schutz. Die Berufsausübungsfreiheit ist nur unter bestimmten Voraussetzungen einschränkbar. Da gerade die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der Einschränkungen von Sportwettenvermittlungen offen ist, überwiegt jedenfalls derzeit das private Interesse an der Ausübung des Berufes das behördliche Interesse an der Unterbindung dieser Tätigkeit. Die für die Untersagung streitenden öffentlichen Interessen, wie sie durch die Strafbestimmungen und die Regelungen des Sportwettengesetzes NRW und des Staatsvertrages zum Ausdruck gebracht werden, sind vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht derart gewichtig, dass sie die Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin rechtfertigen könnten. Angesichts des dargestellten tatsächlichen Verhaltens der staatlich monopolisierten Wettspielveranstalter haben derzeitig die mit dem Sportwettengesetz und dem Staatsvertrag verfolgten öffentlichen Interessen zurückzustehen, ihnen ist jedenfalls kein höheres Gewicht als dem grundrechtlich geschützten privaten Interesse beizumessen.

Sofern der Bevölkerung durch das öffentliche Glücksspiel Gefahr drohen sollte - wie die zitierten Äußerungen verschiedener Politiker zeigen, gehen diese selbst nicht davon aus -, ist nicht erkennbar, weshalb von einer privaten Oddset-Wette eine größere Gefährdung als von einer staatlich veranstalteten Wette ausgehen sollte. Die Gefährdung hängt nicht davon ab, wem die Spielgewinne zufließen, sondern welche Vorkehrungen getroffen werden, übermäßig hohe Verluste zu vermeiden.

Vgl. dazu: Odenthal, Zur Reform des gewerblichen Spielrechts, GewArch 2001, 276 (280). Insofern ist auch zu Lasten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass es bei der staatlich angebotenen Oddset- Wette - im Gegensatz zu manchen Privatanbietern - keine Verlusthöhenbegrenzung und Drosselung der Gewinnquoten gibt, um einer etwaigen Vermögensgefährdung der Spieler aktiv entgegenzuwirken. Eine solche ergibt sich jedenfalls aus den Wettangeboten, wie sie jederzeit aus dem Internet abrufbar sind, nicht. Vgl. dazu auch: VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.05.2004 - 11 K 160/04 -.

Ferner ist nicht erkennbar, dass und wie bei der staatlich angebotenen Oddset- Wette effektive Maßnahmen zum Jugendschutz getroffen werden. Wie der in § 4 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrags grundsätzlich normierte Jugendschutz ("Die Teilnahme von Minderjährigen ist unzul ässig.") insbesondere bei Wetten im Internet und per SMS gesichert werden soll, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2004.

(Unterschriften)