Leitsätzliches
Eine für ein urheberrechtliches Auskunftsverlangen erforderliche offensichtliche Rechtsverletzung liegt beim Streaming einer Video-Datei in der Regel nicht vor, wenn es sich um eine nur vorübergehende Speicherung aufgrund einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten Vorlage handelt.LANDGERICHT Köln
Beschluss
Entscheidung vom 24. Januar 2014
Az.: 209 O 188/13
In dem Beschwerdeverfahren betreffend ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG ...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln am 24. Januar 2014
durch...
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 12.12.2013 wird festgestellt, dass der Beschluss der Kammer vom 19.09.2013 den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten gestattet worden ist, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am xx.xx.xxxx um xx:xx:xx Uhr MEZ die IP-Adresse xxx.xxx.xx.xxx zugewiesen war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
Die Beschwerde hat Erfolg, denn sie ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 101 Abs. 9 S. 6 UrhG, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Hauptsache durch Erteilung der Auskunft erledigt hat. Denn nach§ 62 Abs. 1 FamFG kann das Beschwerdegericht auf Antrag aussprechen, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Eine solche Entscheidung ist auch der Kammer möglich, die im Verfahren über die Entscheidung über eine Abhilfe ebenfalls überprüfen muss, ob sich unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und ggf. neuer Tatsachen die Rechtswidrigkeit der gestatteten Auskunftserteilung herausstellt. Nachdem der Beschwerdeführer sich in der Sache gegen den Erlass des Beschlusses wendet und dies nur mit der Beschwerde nach § 62 FamFGerreichen kann, ist sein Begehren so auszulegen, dass er eine entsprechende Feststellung begehrt. Es ist für die Zulässigkeit unschädlich, dass § 62 Abs. 1 FamFG davon spricht, dass sich die angefochtene Entscheidung erledigt hat und damit davon auszugehen scheint, dass die Beschwerde bereits vor der Erledigung eingelegt worden sein muss, während im vorliegenden Fall die Beschwerde erst nach Erledigung in Form der Auskunftsgestattung eingelegt wurde. Zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes ist § 62 Abs. 1 FamFG auch anwendbar, wenn sich die angegriffene Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde erledigt hat (vgl. BGH GRUR 2013, 536 Rn. 13 – Die Heiligtümer des Todes). Dem Beschwerdeführer als Anschlussinhaber steht auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite. Denn der Anschlussinhaber wird auch durch die erledigte richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, weil sich der Gläubiger nach erteilter Auskunft zunächst an ihn wendet und ihn gegebenenfalls zwingt, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung verteidigen zu müssen, wie hier mit der Abmahnung geschehen. Die Verteidigung des Anschlussinhabers wäre wesentlich erschwert, wenn er aus seiner Sicht fehlerhafte Feststellungen des anordnenden Gerichts erst im Rahmen eines späteren Klageverfahrens zur Überprüfung stellen könnte. Unter anderem für die Frage, ob die im Anordnungsverfahren erlangten Erkenntnisse in einem etwaigen Folgeprozess einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, ob der Anschlussinhaber auf eine noch im Anordnungsverfahren getroffene Beschwerdeentscheidung verweisen kann (OLG Köln, GRUR-RR 2011, 88, 89 f. - Gestattungsanordnung II). Die Beschwerde ist nicht fristgebunden, wenn – wie hier – der Anschlussinhaber gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach§ 101 Abs. 9 UrhG vorgeht (BGH, a.a.O., Rn. 17 ff.).
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Der Beschwerdeführer ist durch die gestattete Auskunftserteilung in seinen Rechten aus Art. 10 GG verletzt worden, weil die Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage und unter Berücksichtigung der nach Erlass der Entscheidung bekanntgewordenen Umstände nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sind. Denn § 101 Abs. 9 UrhG setzt unter anderem voraus, dass die Rechtsverletzung offensichtlich ist. Dies folgt daraus, dass ein Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG nur dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG gegeben sind (BGH NJW 2012, 2958 Rn. 10 – Alles kann besser werden; OLG Düsseldorf, BeckRS 2012, 22058). An einer solchen offensichtlichen Rechtsverletzung fehlt es. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung dann, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen erscheint, wobei Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen würden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 16/5048, S. 39). Solche Zweifel bestehen hier. Der Antrag bezieht sich – anders als in vorangegangenen Verfahren, die das öffentliche Zugänglichmachen nach § 19a UrhG zum Gegenstand hatten – auf einen „Download“ des geschützten Werks und damit auf einen Verstoß gegen das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG. Hierzu wird im Antrag ausgeführt, durch die eingesetzte Software sei ermittelt worden, dass „die verfahrensgegenständlichen Werke über die [...] Downloadlinks heruntergeladen wurden“ (S. 5 der Antragsschrift). Diesen Sachvortrag hat die Kammer ursprünglich in der Weise verstanden, dass ein Download in Form der dauerhaften Speicherung und damit ein Verstoß gegen das allein dem Inhaber des Urheberrechts zustehende Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG vorlag und durch die Software erfasst worden ist. Hierin hätte grundsätzlich eine den Auskunftsanspruch rechtfertigende Urheberrechtsverletzung liegen können. Wie nunmehr u.a. durch die eingereichten Abmahnschreiben bekannt geworden ist, handelte es sich jedoch tatsächlich um Verletzungshandlungen, die durch das Ansehen eines so genannten „Streams“ auf der Plattform redtube.com begangen worden sein sollen, womit das Abspielen einer Video-Datei im Webbrowser des Nutzers im Raume steht. Die Kammer neigt insoweit der Auffassung zu, dass ein bloßes „Streaming“ einer Video-Datei grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine unerlaubte Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG darstellt, wobei diese Frage bislang noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist. Eine solche Handlung dürfte vielmehr bei nur vorübergehender Speicherung aufgrund einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten Vorlage regelmäßig durch die Vorschrift des § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt sein (vgl. Busch, GRUR 2011, 496; Stolz, MMR 2013, 353). Vor diesem Hintergrund vermag auch die eidesstattliche Versicherung des Herrn xxx nicht die erforderliche Gewissheit zu begründen, dass eine ordnungsgemäße Ermittlung der vorgelegten IP-Adressen erfolgt ist. Zwar soll danach der mit der Funktionsweise der Software vertraute Herr xxx festgestellt haben, dass mithilfe der Software die Teilnahme von Nutzern so genannter Download-Portale für Filme im Internet erfasst werden kann. Auch im vorgelegten Gutachten wird der Software die Eigenschaft zugeschrieben, dass durch sie die „IP-Adresse des den Download durchführenden Computers korrekt erfasst wird“. Insoweit ist der Kammer allerdings nicht erkennbar, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage sein soll, die IP-Adresse desjenigen zu erfassen, der einen Stream von dem Server des Anbieters redtube.com abruft. Auch nach dem Hinweis der Kammer ist die Frage unbeantwortet geblieben, wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen kann. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Dies entspricht billigem Ermessen. Hierfür ist insbesondere maßgeblich, dass der Antrag der Antragstellerin – wenn sich das Verfahren nicht bereits erledigt hätte – nach Maßgabe der obigen Ausführungen der Zurückweisung unterlegen hätte und die Beschwerde insofern vollen Erfolg hat (vgl. zu dieser Fallgruppe Schindler, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013, § 81 Rn. 12).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Die Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Landgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden. Statt der Beschwerde ist gegen den Beschluss auch das Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde eröffnet. Die Sprungrechtsbeschwerde findet auf Antrag unter Übergehung der Beschwerdeinstanz statt, wenn die Beteiligten hierin einwilligen und das Rechtsbeschwerdegericht die Sprungrechtsbeschwerde zulässt. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt innerhalb einer Frist von einem Monat bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe zu beantragen. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach dessen Erlass. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde gilt als Verzicht auf das Rechtsmittel der Beschwerde.
[Unterschriften]