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Accessprovider muss Verkehrsdaten "auf Zuruf" bereithalten - LG Hamburg, Urteil vom 11.03.2009, Az.: 308 O 75/09

Leitsätzliches

Ein Accessprovider muss die noch vorhandenen VerkehrsdatenVerkehrdaten, die er nomalerweise nach dem Verbindungsende löscht, „auf Zuruf“ bis zur Beendigung das Auskunftsverfahren mit dem vorgeschalteten Zulässigkeitsverfahren vorhalten. Den Accessprovidern ist es in diesem Zusammenhang zumutbar, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um auf Zuruf zeitnah reagieren zu können. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen hierbei keine.

LANDGERICHT HAMBURG

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 308 O 75/09

Entscheidung vom 11. März 2009


In der Sache

...

gegen

...

beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer ..., durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht …
die Richterin am Landgericht …
den Richter …

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 16. Februar 2009 wird bestätigt.

II. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist ein Softwareunternehmen, die Antragsgegnerin ein Accessprovider, der seinen Kunden u.a. den Zugang zum Internet vermittelt. Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin die Speicherung von IP-Adressen zum Zwecke der Durchführung eines Anordnungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG und zur Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 2 UrhG.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „…“, das sie am 06. Februar 2009 in den Handel gebracht hat. Bereits vor der Veröffentlichung dieses Computerspiels sind in Peer-to-Peer- Netzwerken Raubkopien des Spiels aufgetaucht, die zum Filesharing bereitgehalten wurden und werden. Die Antragstellerin hat eine Vielzahl dynamischer IP-Adressen ermittelt, unter denen ihr Computerspiel zu bestimmten Zeitpunkten in solchen Netzwerken online zum Download angeboten wurde. Darunter befinden sich auch IP-Adressen, welche die Antragsgegnerin ihren Kunden zugeteilt hatte.

Die Antragstellerin möchte zur Ermittlung der jeweiligen Verletzer von der Antragsgegnerin in dem nach § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG vorgesehenem Verfahren Auskunft darüber haben, welchen Anschlussinhabern die IP-Adressen jeweils während der zeitlich erfassten Verletzungshandlungen zugeordnet waren.

Die Antragsgegnerin hält die für die Erteilung solcher Bestandsdaten der Verbindungen erforderlichen Verkehrsdaten jedoch nicht vor, sondern löscht diese unmittelbar bei Beendigung einer Verbindung. Ihr ist es bei dieser Verfahrensweise nicht möglich, die von der Antragstellerin begehrte Auskunft zu erteilen.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10. Februar 2009 dazu auf, mit sofortiger Wirkung die für die Auskünfte erforderlichen Verkehrsdaten zu speichern und vorzuhalten, damit sie in der Lage ist, künftige Auskunftsersuchen der Antragstellerin zu erfüllen. Die Antragsgegnerin lehnte eine solche Speicherung mit Schreiben vom 11. Februar 2009 unter Hinweis darauf ab, dass sie zur Speicherung von Verkehrsdaten weder berechtigt noch verpflichtet sei.

Die Antragstellerin wendete sich hieraufhin erneut mit Schreiben vom 12. Februar 2009 an die Antragsgegnerin und beschränkte die Aufforderung zur weiteren Vorhaltung von Verkehrsdaten bis zum Abschluss eines Auskunftsverfahrens nunmehr auf solche Verbindungen, bezüglich derer die IP-Adressen während der Antragsgegnerin während einer laufenden Verletzungssession mit dem Spiels „…“ von der Antragstellerin mitgeteilt werden. Die Antragsgegnerin erklärte auf dieses Schreiben zwar nicht die grundsätzliche Bereitschaft zur Speicherung der betroffenen Daten, gab jedoch eine Faxnummer an, an die etwaige Meldungen von IP-Adressen geschickt werden müssten, damit diese „allenfalls zeitnah“ bearbeitet werden könnten. Auf Antrag der Antragstellerin vom 16. Februar 2009 erließ die Kammer durch Beschluss vom selben Tag eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin zur Meidung der Ordnungsmittel des § 890 ZPO untersagt wurde, zwei Tage ab Zustellung des Beschlusses die zur Feststellung von Bestandsdaten bestimmter Kunden mitgeteilter Verkehrsdaten (IP-Adresse und Verbindungszeitpunkte) dann bis zum Abschluss eines Auskunftsverfahrens gemäß § 101 Abs. 2 UrhG, längstens bis zum 30. April 2009, zu löschen, wenn die Antragsgegnerin von der Antragstellerin während einer über die mitgeteilte IP-Adresse laufenden Session, im Rahmen derer eine Datei des Produkts „…“ öffentlich zugänglich gemacht wird, vor Löschung der betreffenden Verkehrsdaten während der üblichen Geschäftszeiten werktags von 9.00 bis 16.00 Uhr per E-Mail an die Adresse info@….de – oder einer anderen von der Antragsgegnerin der Antragstellerin verbindlich zu benennenden E-Mail- oder Faxadresse – unter Mitteilung der IP-Adresse davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Antragstellerin bezüglich dieser Verkehrsdaten zur Vorbereitung eines Auskunftsanspruchs gemäß § 101 Abs. 2 UrhG einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Auskunftsanordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG stellt.

Gegen diese Verfügung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu der begehrten Datenspeicherung zwecks Erfüllung von Auskunftsansprüchen verpflichtet zu sein.

Eine Pflicht zur Speicherung von Verkehrsdaten „auf Zuruf“, die die Antragsgegnerin weder für eigene Zwecke erhebe noch speichere, ergebe sich vor allem nicht aus § 101 Abs. 2 UrhG. Vielmehr bestehe im Anwendungsbereich dieses zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs eine Auskunftspflicht nur unter Verwendung solcher Verkehrsdaten, die der Auskunftsverpflichtete für eigene Zwecke erhoben und (noch) gespeichert hat. Dies folge aus einem Vergleich mit § 111 und § 113a TKG. Dem Wortlaut dieser beiden Vorschriften sei zu entnehmen, dass Diensteanbieter zur Speicherung von Verkehrsdaten zwecks Erfüllung gesetzlich normierter Auskunftsansprüche Dritter nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung verpflichtet seien. Eine solche Verpflichtung zur Speicherung zwecks Auskunftserteilung gegenüber privaten Dritten normiere jedoch weder das TKG noch das UrhG.

Die Normierung einer Auskunftspflicht begründe auch nicht zugleich – praktisch als „Minus“ – eine Pflicht des Diensteanbieters, die für eine Auskunft benötigte Daten überhaupt zu erheben und zu speichern ( BVerwG MMR 2004, 114 ff, zu § 90 TKG aF). Vielmehr bestehe eine Speicherpflicht nur in dem Rahmen, in dem die Daten beim Diensteanbieter zur Erfüllung seiner Geschäftszwecke vorhanden seien.

Das Absehen von einer Speicherpflicht entspreche darüber hinaus auch dem Willen des Gesetzgebers, der in Kenntnis der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (BT-Drucks. 16/5846) eine solche Speicherpflicht bewusst nicht gesetzlich verankert habe. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme (BT-Drucks. 16/5846, S. 86 f.) darauf hingewiesen, dass ohne eine gesetzlich angeordnete Speicherpflicht Daten für Auskünfte nach § 101 UrhG faktisch eventuell nicht zur Verfügung stünden.

Der Gesetzgeber habe trotz dieser Stellungnahme gezielt und bewusst auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Erstreckung der Speicherpflicht gemäß § 113a TKG verzichtet. Damit habe sich der Gesetzgeber – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 113a TKG – explizit gegen eine Speicherpflicht der Access-Provider zur Ermöglichung von Auskünften gegenüber privaten Dritten (etwa nach § 101 UrhG)entschieden und diese vielmehr auf die Möglichkeit verwiesen, im Rahmen eines Strafverfahrens Auskunft aus der Strafverfahrensakte nach Maßgabe der § 406e stopp i.V.m. §§ 161, 163 StPO i.V.m. § 113 TKG zu erlangen.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte habe im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Enforcement-Richtlinie (2004/48/EG) dafür eingesetzt, dass nur ein Anspruch auf Auskunft hinsichtlich solcher Verkehrsdaten bestehen könne, die die verpflichteten Diensteanbieter bereits für eigene Zwecke gespeichert hätten.

Die Antragsgegnerin beruft sich ferner darauf, dass selbst bei Bestehen einer grundsätzlichen Speicherpflicht die Voraussetzungen für den hier geltend gemachten Anspruch auf Datenspeicherung in Ermangelung einer richterlichen Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG gar nicht vorliegen würden. Aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 101 Abs. 9 UrhG sei zu entnehmen, dass nicht erst für die Weiterleitung der Daten an den Verletzten, sondern bereits für die Speicherung eine entsprechende richterliche Anordnung erforderlich sei. So falle unter den in § 101 Abs. 9 UrhG enthaltenen Begriff der „Verwendung der Verkehrsdaten“ auch die Speicherung der Daten. Die von der Antragstellerin begehrte Aufbewahrung der Daten setze daher eine vorherige richterliche Anordnung voraus, an der es hier bislang fehle. Das Erfordernis einer solchen richterlichen Anordnung bereits für die Speicherung der Daten entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Diensteanbieter durch den Richtervorbehalt von der Prüfung entlasten wollte, ob eine offensichtliche Rechtsverletzung vorliege. Eine solche Prüfung wäre aber ohne Vorliegen einer richterlichen Anordnung vor der Speicherung der Daten erforderlich. Die begehrte Speicherung der Verkehrsdaten wäre schließlich auch mit datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren, da es an einer entsprechenden datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage fehle. Insbesondere sei § 96 Abs. 2 TKG nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift nur auf bereits gespeicherte Daten beziehe.

Selbst wenn aber datenschutzrechtliche Belange einer Speicherpflicht nicht entgegenstünden, so wäre eine Verpflichtung zur Speicherung der Verkehrsdaten der Antragsgegnerin auch nicht zumutbar. Die Speicherung der Daten „auf Zuruf“ sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. So habe die Antragsgegnerin nach Erlass der Verfügung allein im Zeitraum vom 03. März 2009 bis zum 09. März 2009 über 750 Telefaxschreiben mit Speicherungsverlangen von der durch die Antragstellerin beauftragten L. AG erhalten. Die von der Antragstellerin verlangte Datenspeicherung sei nur aufgrund folgender Arbeitsschritte zur realisieren: Zunächst werde das jeweilige Fax vom zuständigen Sachbearbeiter in der Rechtsabteilung inhaltlich und rechtlich geprüft. Dabei müsse insbesondere untersucht werden, ob die jeweils behauptete Urheberrechtsverletzung tatsächlich erfolgt sei. Anschließend werde die Anfrage dann ggf. an die Abteilung IOT Ordermanagement weitergeleitet, die für die Speicherung der Daten zuständig sei. Die sich daran anschließende rein technische Realisierung des Speicherverlangens würde für jede einzelne IP-Adresse mindestens 3 Minuten Arbeitszeit betragen. Bei 750 Speicheranfragen innerhalb von 4 Arbeitstagen würde die dafür von der Antragsgegnerin aufzuwendende Arbeitszeit 37,5 Stunden betragen. Bei einer üblichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden pro Tag müsste die Antragsgegnerin somit mindestens einen Mitarbeiter in Vollzeit allein für die Umsetzung des Speicherungsverlangens abbestellen, wobei der für die rechtliche Prüfung erforderliche Aufwand noch gar nicht berücksichtigt sei. Die damit verbundenen Personalkosten seien jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die angenommene Pflicht zur Speicherung der Daten jedenfalls nicht eindeutig in § 101 UrhG geregelt sei, unverhältnismäßig.

Schließlich bestünden gegen die Speicherung von Verkehrsdaten „auf Zuruf“ auch Sicherheitsbedenken: Bei der Antragsgegnerin stünden keine zusätzlichen Mitarbeiter zur Verfügung, die über die erforderliche Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes (SÜG) bzw. dem Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) verfügten. Eine solche Sicherheitsüberprüfung sei jedoch gesetzlich zwingend gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10- Gesetz) vorgeschrieben. Die begehrte Datenspeicherung wäre der Antragsgegnerin nur zuzumuten, wenn sie sicherheitsüberprüftes Personal verfügbar hätte, was gerade nicht der Fall sei.

Letztlich sei eine Speicherung „auf Zuruf“ für den gesamten Zeitraum werktags zwischen 9.00 Uhr und 16.00 Uhr der Antragsgegnerin auch deshalb nicht zumutbar, weil das Personal der für die Speicherung zuständigen Abteilung aufgrund einer bindenden Betriebsvereinbarung nicht zu festen Kernzeiten anwesend sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 16. Februar 2009 aufzuheben und den ihrem Erlass zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 16. Februar 2009 zu bestätigen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch auf Speicherung der Verkehrsdaten folge aus § 101 Abs. 2 UrhG. Die Verpflichtung zur Speicherung der betroffenen Daten sei insofern als „Minus“ von dem darin normierten Auskunftsanspruch erfasst. Der Anspruch bestehe daneben unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung. Ab Kenntnis von den fraglichen Urheberrechtsverstößen sei die Antragsgegnerin rechtlich und tatsächlich in der Lage, diese abzustellen. Die Antragsgegnerin verkenne im Übrigen den hinter dem neu geschaffenen Auskunftsanspruch stehenden Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte gerade die Möglichkeit eröffnen, gegenüber Dritten und unter Nutzung von Verkehrsdaten zivilrechtlich die Auskunft durchzusetzen. Er habe keine Vorschrift schaffen wollen, die aufgrund unterbliebener Speicherungen von vornherein ins Leere läuft. Die Antragstellerin verweist für ihre Auffassung auf § 100 Abs. 3 TKG, der eine Speicherung von Daten im Falle des Missbrauchs und zur Missbrauchsabwehr gestatte. Die hierin vorgesehene Speicherbefugnis der Diensteanbieter sei als datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage vollkommen ausreichend. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Speicherung trägt die Antragstellerin vor, dass sich die Antragsgegnerin selbst einem effizienteren Procedere verschlossen habe. So habe sie selbst die Mitteilung der IP-Adressen per Fax vorgeschlagen. Im Übrigen sei auch eine Sicherheitsüberprüfung des mit der Speicherung betrauten Personals entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht erforderlich. Was die durch die Speicherung verursachten Kosten betreffe, so könne sich die Antragsgegnerin bei ihren Kunden schadlos halten, die nach Ziffer 4.4.8 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin verpflichtet sind, die Antragsgegnerin von Ersatzansprüchen Dritter sowie allen Aufwendungen freizustellen, die auf der unzulässigen, schuldhaften Verwendung einer von ihm gewählten E-Mail-Adresse oder Internet-Domain oder einer schuldhaften Verletzung von Rechten Dritter durch den Kunden beruhen. Diese Klausel würde auch etwaige Personalmehrkosten umfassen, die aufgrund von Speicherverlangen ggf. anfallen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2009 verwiesen.

Artikel II.

Entscheidungsgründe

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch ist die einstweilige Verfügung zu bestätigen, da sowohl ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin als auch ein Verfügungsgrund besteht.

I.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch aus § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG auf Vorhaltung der für das Auskunftsverfahren erforderlichen Verkehrsdaten für konkrete Verbindungen, im Rahmen derer über den Internetanschluss eines Kunden der Antragsgegnerin das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiel „…“ verletzt wird, über das Verbindungsende hinaus. Es liegt ein Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 2 UrhG vor, aufgrund derer der Antragstellerin ein Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegnerin als eine dritte Person zusteht, die für die Rechtsverletzung genutzte Dienste erbracht hat, § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis gemäß § 101 Abs. 2 UrhG begründet nach Treu und Glauben für die Antragsgegnerin die Pflicht, alles zu tun oder zu unterlassen, was zumutbar und erforderlich ist, um der Auskunftsverpflichtung nachkommen zu können. Dazu gehört hier das Vorhalten der für die Auskunft erforderlichen Verbindungsdaten über das Ende der Verbindung hinaus bis zur Beendigung des Auskunftsverfahrens. Dieses weitere Vorhalten der Daten ist rechtlich zulässig und im Einzelfall nicht unverhältnismäßig.

1. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass bei den Verbindungen, bezüglich derer die Antragsgegnerin die Verkehrsdaten zum Zwecke der Auskunft vorhalten soll, offensichtliche Rechtsverletzungen begangen werden durch das öffentliche Zugänglichmachen des Computerspiel „…“.

a) Das Computerspiel „…“ ist, wie auch von der Antragsgegnerin in Abrede gestellt wird, urheberrechtlich als Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG geschützt ( OLG Hamburg, GRUR 1983, 436, 437 – Puckman; OLG Hamburg, GRUR 1990, 127, 128 – Super Mario III) und auch als Computerprogramm gemäß § 69a UrhG.

b) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „…“ aktivlegitimiert.

c) Das ausschließliche Recht der Antragstellerin auf öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG wird u.a. durch Kunden der Antragsgegnerin mittels einer Filesharing-Software in Peer-to-Peer-Netzwerken zum Download angeboten. Das folgt aus den von der Antragstellerin dargetanen Ermittlungsergebnissen der Firma L. AG, die im Auftrag der Antragstellerin solche Rechtsverletzungen sucht und dokumentiert.

d) Da dieses öffentliche Zugänglichmachen ohne entsprechende Rechtseinräumung durch die Antragstellerin erfolgt ist, ist es widerrechtlich.

e) Es handelt sich um Rechtsverletzungen im gewerblichen Ausmaß. Ob auch der Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 2 UrhG – entsprechend dem Anspruch aus § 101 Abs. 1 UrhG – eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß voraussetzt (vgl. hierzu Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage, § 101 Rn. wtrp 12; Wandtke/Bullinger/Bohne, Urheberrecht, 3. Auflage, § 101 Rn. 18 f.), wovon die Kammer im Streitfall ausgehen würde, kann hier dahinstehen. Denn die hier begangenen Rechtsverletzungen erfüllen die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an das Kriterium „in gewerblichem Ausmaß“, für die sowohl die Zahl als auch die Schwere der begangenen Rechtsverletzungen herangezogen werden (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG). In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BTDrucksache 16/8783, S. 50) heißt es zur Voraussetzung der Schwere der Rechtsverletzung:

Letzteres kann etwa dann zu bejahen sein, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird.

Zum Verständnis der Anforderungen an diese Voraussetzung ist weiter Erwägungsgrund 14 der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums – ABl. L 157 vom 30. April 2004 ) heranzuziehen. Danach zeichnen sich in gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden. Nicht erfasst sein sollen in der Regel Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden. Ein gewerbliches Ausmaß liegt danach immer dann vor, wenn der Rahmen des Privaten überschritten wird. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die Voraussetzung des gewerblichen Ausmaßes nach der Intention des Gesetzgebers nicht hoch sind. Nach Auffassung der Kammer liegt die Voraussetzung vor, wenn ein Produkt, welches der Rechteinhaber selbst noch kommerziell verwertet, mittels einer Filesharing-Software in Peer-to-Peer- Netzwerken eingestellt ist. Denn das beinhaltet das kostenlose Downloadangebot an jeden anderen Teilnehmer dieses Netzwerks und ist verbunden mit dem eigenen Vorteil, selbst von anderen Teilnehmern kostenlos downloaden zu können. Ein solches Handeln geht deutlich über den Rahmen des Privaten hinaus. Übertragen auf das hier streitgegenständliche Computerspiel „…“ liegt ein Handeln im gewerblichen Ausmaß vor. Das Spiel befindet sich weiterhin in der aktuellen Verkaufsphase. Wer ein solches Produkt zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit anbietet, tritt wie ein gewerblicher Anbieter auf (so auch OLG Köln, WTRP GRUR-RR 2009, 9 – Ganz anders; strenger: LG Frankenthal MMR 2008, 830).

f) Die Rechtsverletzungen sind offensichtlich. Eine offensichtliche Rechtsverletzung liegt vor, wenn in Bezug auf das auskunftspflichtige Erzeugnis sowohl die tatsächlichen Umstände als auch die rechtliche Beurteilung so eindeutig ist, dass eine Rechtsverletzung bereits in einem solchen Maße feststeht, dass eine Fehlentscheidung und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Anspruchsgegners ausgeschlossen erscheint (OLG Hamburg, InstGE 8, 11 – Transglutaminase; OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 209, 213 – Rammstein).

Die tatsächlichen Umstände der Verletzungen mit Zeit und IP-Adressen sind aufgrund der glaubhaft gemachten Darlegungen durch die Firma L. AG und das von dieser eingesetzte Programm „ F.S. Monitor“ festgestellt und dokumentiert worden. Das vermag die Kammer als Urheberrechtskammer aufgrund einer Vielzahl von Verfahren in den letzten Jahren zu beurteilen, als die Verkehrsdaten noch über die Staatsanwaltschaft erfragt wurden und sich der ermittelte Anschluss anschließend regelmäßig auch als der herausstellte, über den die Verletzung geschah. Das nicht in allen Fällen der Anschlussinhaber auch Verletzer war, ist demgegenüber unerheblich und wird im Auskunftsverfahren nicht vorausgesetzt. Es genügt, wenn davon ausgegangen werden kann, dass mit dem Anschlussinhaber eine weitere Auskunftsperson bekannt wird.

Dass im Übrigen die Antragstellerin das öffentliche Zugänglichmachen ihres Spiels mit Downloadmöglichkeit über Peer-2-Peer Netzwerke nicht erlaubt hat, erscheint in Anbetracht der ansonsten gegebenen nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer eigenen Auswertung evident.

2. Die Antragsgegnerin ist als Internet-Access-Provider eine Person im Sinne des § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49; Fromm/Nordemann/Czychowski, Urheberrecht, 10. Auflage, § 101 Rn. 50). Damit ist sie hinsichtlich des Auskunftsanspruchs gemäß § 101 Abs. 2 UrhG passivlegitimiert.

3. Mit der dargestellten Rechtsverletzung durch die Kunden der Antragsgegnerin wird gemäß § 101 Abs. 2 UrhG ein auf Auskunft gerichtetes gesetzliches Schuldverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin begründet.

Dieses konkretisiert sich mit der Kenntnisverschaffung von der offensichtlichen Rechtsverletzung durch die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin in der Weise, dass diese von dem Zeitpunkt an die Pflicht hat, alles zu tun oder zu unterlassen hat, was zumutbar und erforderlich ist, um der Auskunftsverpflichtung nachkommen zu können. Das führt hier zu der von der Antragstellerin begehrten Vorhaltung der Daten ihrer Nutzer über das Ende einer Session hinaus zwecks Auskunftserteilung. Denn diese Vorhaltung ist auch nach datenschutzrechtlichen Vorschriften zulässig und zudem verhältnismäßig.

a) Der Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG und damit das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Verletzten und dem Provider als Grundlage der Pflicht der Antragsgegnerin zur Vorhaltung der Verbindungsdaten über das Verbindungsende hinaus entsteht bereits mit der rechtsverletzenden Verbindung über eine von dem Provider einem Kunden zugewiesene IP-Adresse und sie konkretisiert sich auch für den Provider mit der Kenntniserlangung von der Verletzung; so dass dieser von dem Zeitpunkt an verpflichtet ist, entsprechend der vorstehenden Ausführungen die Daten für eine Auskunft vorzuhalten, um der Auskunftspflicht auch nachkommen zu können. Dass die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten – und damit die Überprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen – einem Richtervorbehalt unterliegt, ändert daran nichts. Denn dadurch soll einerseits der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verkehrsdaten bei der Verwendung gegenüber Dritten im Zusammenhang mit der Auskunft Rechnung getragen werden und andererseits sollen Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen von Anspruchsprüfung entlastet werden (BT-Drucks. 16/5048, S. 40). Eine konstitutive Bedeutung für das Entstehen des Auskunftsschuldverhältnisses kommt dem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG damit nicht zu.

b) Die begehrte Vorhaltung der Verkehrsdaten ist datenschutzrechtlich zulässig. Zwar sind Verkehrsdaten grundsätzlich gemäß § 96 Abs. 2 Satz 2 TKG nach Beendigung einer Verbindung zu löschen. Hier besteht aber eine Ermächtigung zur weiteren Vorhaltung der Daten zum Zwecke der Auskunft gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. § 101 Abs. 2, 9 UrhG.

aa) Die datenschutzrechtlichen Regeln des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind grundsätzlich anwendbar, da die Antragsgegnerin einen reinen Zugangsdienst anbietet (vgl. § 1 Abs. 1 Telemediengesetz). Ferner stellt nach Auffassung der Kammer nicht nur die dynamische IP-Adresse als solche ein Verkehrsdatum im Sinne von § 3 Nr. 30 TKG dar, sondern auch die Verknüpfung der dynamischen IP-Adresse (zu einem bestimmten Zeitpunkt) mit Namen und Adressen der Kunden (Bestandsdaten) unterfällt den Regeln über Verkehrsdaten (siehe hierzu Fromm/Nordemann/Czychowski, a.a.O., § 101 Rn. 66).

bb) Nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG dürfen diese Daten über das Ende der Verbindung hinaus verwendet werden, soweit sie zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in den §§ 97, 99, 100 und 101 TKG genannten oder für die durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke erforderlich sind. Bei der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG handelt es sich um einen solchen durch eine andere gesetzliche Vorschrift begründeten Zweck. Dementsprechend enthält § 101 Abs. 10 UrhG auch den aufgrund des Zitiergebots des Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlichen ausdrücklichen Hinweis, dass durch § 101 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 9 das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) eingeschränkt wird. Dieses Verständnis der Regelungen des § 101 UrhG wird bestätigt durch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zur Parallelvorschrift des § 140b PatG (BT-Drucksache 16/5048 Seite 39f). Dort wird zunächst dargestellt, dass die Verkehrsdaten nach bisheriger Rechtslage aufgrund des einfachgesetzlich (§ 88 TKG) und verfassungsrechtlich (Art. 10 Absatz 1 GG) geschützten Fernmeldegeheimnisses trotz bestehenden Bedürfnisses von Rechtsinhabern keinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen einen Accessprovider ermöglichten. Die Regelung des Absatzes 9 mit dem Richtervorbehalt wird dann als Lösung dargestellt, die allen beteiligten Interessen am besten gerecht wird, wobei abschließend ausdrücklich auf die damit verbundene Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses hingewiesen wird.

cc) Soweit § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG dem Wortlaut nach nur bereits nach § 96 Abs. 1 TKG für eigene Zwecke gespeicherte Verkehrsdaten erfasst, steht das der weiteren Vorhaltung nicht entgegen.

Wenn die Verwendung von für eigene Zwecke gespeicherter Daten für die Beauskunftung nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG datenschutzrechtlich zulässig ist, dann muss dies erst recht für solche Daten gelten, die zwar nicht schon für eigene Zwecke vorgehalten werden, die aber zur Erfüllung der gesetzlichen Auskunftspflicht erhoben werden. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Speicherung der Daten gegenüber der Verwendung der Daten für eigene Zwecke des Access-Providers für sich genommen eine deutlich geringere datenschutzrechtliche Relevanz hat (vgl. BVerfG MMR 2008, 303, 304: „Ein besonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil […] liegt in der Datenspeicherung allein nicht.“).

Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass eine kurzzeitige Speicherung für eigene Zwecke nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG nach Auffassung der Kammer ohnehin generell zulässig ist (so zutreffend auch AG Bonn MMR 2008, 203). Demgemäß speichern mehrere Diensteanbieter die Daten noch sieben Tage nach Verbindungsende. Es kann nicht zu Lasten der Auskunftsberechtigten gehen, dass die Antragsgegnerin von dieser zulässigen Möglichkeit keinen Gebrauch macht.

Im übrigen verkennt die Antragsgegnerin bei ihrer Argumentation, dass die Verbindungsdaten im Zeitpunkt des weiteren Speicherbegehrens auf Zuruf bereits während der laufenden rechtverletzenden Verbindung jedenfalls für technische Zwecke, nämlich zur Aufrechterhaltung der Verbindung, rechtmäßig für eigene Zwecke vorgehalten werden.

dd) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Kunden der Antragsgegnerin steht nicht entgegen. Dieses Recht steht hier in einem Spannungsverhältnis mit dem Eigentumsrecht der Rechteinhaber (Fromm/Nordemann/Czychowski, a.a.O., § 101 Rn. 71). Das Urheberrecht ist als geistiges Eigentum gemäß Art. 14 GG geschützt. Diese Eigentumsposition darf den Rechteinhabern nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass sie sich mangels Kenntnis der konkreten Verletzer nicht gegen Rechtsverletzungen im Internet zur Wehr setzen können. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Nutzer, denen die IP-Adresse jeweils zugeordnet wird, muss demgegenüber zurücktreten. Dies folgt zum einen daraus, dass die Verwendungsmöglichkeiten der Information, wem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen worden ist, sehr beschränkt sind. Zum anderen macht derjenige, der seinen Anschluss der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch die ihm für diesen Zeitraum zugewiesene IP-Adresse öffentlich, so dass sein Schutzbedürfnis auch aus diesem Grund als gering zu bewerten ist ( OLG Köln, GRUR-RR 2009, 9, 10 f. – Ganz anders).

ee) Eine ausufernde Speicherung von Verkehrsdaten wird über das Erfordernis einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ verhindert.

ff) Eine weitergehende datenschutzrechtliche Ermächtigung zur Speicherung der Verkehrsdaten ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht erforderlich. Aus § 111 TKG und § 113a TKG folgt nicht, dass Diensteanbieter nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung zur Speicherung von Verkehrsdaten zwecks Erfüllung gesetzlich normierter Auskunftsansprüche Dritter verpflichtet sind. Beide Regelungen betreffen nämlich Auskünfte gegenüber Behörden und nicht gegenüber Privaten. Im Verhältnis zwischen Staat und Diensteanbieter muss eine öffentlichrechtliche Pflicht zur Speicherung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes erst durch Gesetz geschaffen werden. Vorliegend besteht aber eine zivilrechtliche Speicherpflicht bereits aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis des § 101 Abs. 2 UrhG. Aus diesem Grund sind auch die von der Antragsgegnerin zitierten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22.10.2003, Az.: 6 C 23.02, MMR 2004, 114 ff.) auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht unmittelbar anwendbar. So hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung zu § 90 Abs. 1 TKG a.F., der eine Pflicht der Diensteanbieter zur Führung von Kundendateien vorsah, maßgeblich darauf gestützt, dass § 90 Abs. 1 TKG a.F. gerade nicht das Verhältnis der Diensteanbieter zu ihren Kunden anspreche, sondern die Beziehung zwischen dem Diensteanbieter und dem Staat ( MMR 2004, 114, 116).

gg) Dem Gesetzgebungsverfahren zu § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG kann auch nicht entnommen werden, dass eine Speicherpflicht dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Der Rechtsausschuss hat lediglich eine Verwendung von allein nach § 113a TKG gespeicherten Daten im Rahmen von Bestandsdatenauskünften abgelehnt und insofern klargestellt, dass die Verwendung von diesen gespeicherten Daten grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften für hoheitliche Zwecke beschränkt bleiben soll (BT-Drucks. 16/6979, S. 46). Ausschließlich in diesem Zusammenhang ist auch der Verweis der Rechteinhaber auf ein Vorgehen nach § 406e StPO i.V.m. §§ 161, 163 StPO i.V.m. § 113 TKG (BT-Drucks. 16/6979, S. 46) zu sehen. Die Frage, ob sich eine Berechtigung zur Speicherung auch aus anderen Normen als § 113a TKG ergeben kann, wird demgegenüber vom Rechtsausschuss nicht erörtert.

hh) Schließlich steht die Speicherung der Daten selbst – anders als die Übermittlung der Daten – nicht unter dem Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG. Der Richtervorbehalt bezieht sich nach der insoweit klaren Regelung des § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf die Verwendung der Verkehrsdaten für die Auskunft nach § 101 Abs. 2 UrhG. Das setzt, wie die Antragsgegnerin an anderer Stelle zutreffend argumentiert, vielmehr das Vorhandensein der Verkehrsdaten voraus, also deren Speicherung, dessen Sicherung für das Auskunftsverfahren gerade Gegenstand dieses Verfahrens ist.

ii) § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. §§ 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG stellt somit eine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Speicherung der für die Auskunft nötigten Verkehrsdaten dar.

c) Die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin ist hier auch nicht im Einzelfall unzumutbar gemäß § 101 Abs. 4 UrhG.

aa) Da § 101 Abs. 4 UrhG auf die Unzumutbarkeit „im Einzelfall“ abstellt, kann zunächst allein maßgeblich sein, wie hoch der Aufwand der Antragsgegnerin in Bezug auf das konkrete Begehren der Antragstellerin ist. Insofern verursachen 750 Speicherungsaufforderungen innerhalb von 4 Arbeitstagen sicherlich einen nicht unerheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand bei der Antragsgegnerin. Gerade die Anzahl der Speicherungsaufforderungen zeigt jedoch zugleich, dass durch Kunden der Antragsgegnerin massiv Rechte der Antragstellerin verletzt werden und diese daher ein berechtigtes Interesse daran hat, ihre Rechte wirksam zu verteidigen. Diesem Interesse der Rechteinhaber sollte gerade durch die Verankerung des Drittauskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 UrhG Rechnung getragen werden, in dessen Anwendungsbereich insbesondere auch Telekommunikationsdiensteanbieter wie die Antragsgegnerin einbezogen worden sind. Zu diesem Schritt hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis und gerade wegen der Massenhaftigkeit von Urheberrechtsverletzungen veranlasst gesehen, welche in Tauschbörsen zu verzeichnen sind (BT-Drucks. 16/5048, S. 39f):

    „Die Möglichkeit, im Internet weitgehend anonym zu kommunizieren, wird in bestimmten Fallgruppen häufig für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums genutzt. Dies gilt beispielsweise für Tauschbörsen, bei denen in großem Umfang Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Hier besteht ein besonderes Interesse an einer Auskunft, ohne die der Verletzer nicht ermittelt werden kann. […] Der Entwurf sieht eine Regelung vor, die dem Rechtsinhaber hilft, die Identität des Verletzers zu ermitteln, ohne den zur Auskunft Verpflichteten über Gebühr zu belasten“

Insofern vermag der Hinweis auf die mögliche Vielzahl von Auskunftsbegehren nicht per se die Unverhältnismäßigkeit der Speicher- und Auskunftspflicht zu begründen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der gesetzgeberische Zweck weitgehend vereitelt würde. Etwaigen Unbilligkeiten kann im Übrigen im Vollstreckungsverfahren Rechnung getragen werden.

bb) Weiter erfordert die bloße Speicherung für einen begrenzten Zeitraum keine umfangreiche Prüfung durch den Diensteanbieter im Hinblick darauf, ob alle Voraussetzungen eines Auskunftsanspruches vorliegen. Wenn die Antragsgegnerin, wie dargestellt, ohnehin berechtigt wäre, die Daten zu eigenen Zwecken für jedenfalls sieben Tage vorzuhalten, wie es Praxis bei anderen Diensteanbietern ist, dann bedarf es keiner besonderen rechtlichen Prüfung, wenn die Daten auf Zuruf der Antragstellerin (oder eines anderen Verletzten) gespeichert werden. Für das weitere Verfahren ist die Antragsgegnerin dann durch den Richtervorbehalt nach § 101 Abs. 9 UrhG geschützt.

cc) Sofern die Speicherung der Daten einen finanziellen Mehraufwand erforderlich macht, steht der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 101 Abs. 2 Satz 3 UrhG zu. Von diesem Anspruch sind nach Auffassung der Kammer auch die im Vorfeld der Auskunftserteilung anfallenden Kosten der Speicherung, mithin also die Vorhaltekosten erfasst, welche ggfls. auf die in einer bestimmten Abrechnungsperiode bearbeiteten Auskunftsbegehren nach § 101 Abs. 2 UrhG umzulegen wären.

dd) Die Speicherung ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil bei der Antragsgegnerin derzeit nicht genügend Mitarbeiter beschäftigt sind, die über eine behördliche Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes (SÜG) bzw. dem Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) verfügen. Unabhängig davon, ob die Speicherung der betroffenen Daten nur durch sicherheitsüberprüftes Person erfolgen darf, so fällt die Verfügbarkeit entsprechend geprüfter Personen jedenfalls allein in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Die Regelung des Drittauskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG ist am 01.09.2008 in Kraft getreten. Wenn die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass sie dem neu eingeführten Auskunftsanspruch nur nachkommen kann, wenn sie hierfür sicherheitsgeprüftes Personal einsetze, so hätte sie inzwischen mehr als ein halbes Jahr Zeit gehabt, weitere Mitarbeiter einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen.

ee) In gleicher Weise kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie aufgrund interner Betriebsvereinbarungen nicht sicherstellen könne, dass werktags zwischen 9.00 und 16.00 Uhr Personal zur Speicherung der Daten vorhanden sei. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein organisatorisches Problem, dass allein in die Sphäre der Antragsgegnerin fällt und nicht dazu führen kann, dass der Auskunftsanspruch der Antragstellerin aus § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG im Ergebnis vereitelt wird.

ff) Anders als bei der Übermittlung der Verkehrsdaten an den Rechteinhaber besteht für den Diensteanbieter bei der bloßen Speicherung der Daten auch kein Risiko von Schadensersatzansprüchen Dritter. Eine kurzzeitige Speicherung für eigene Zwecke nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG ist, wie ausgeführt, ohnehin zulässig. Mögliche Schäden Dritter, die allein aus der bloßen Speicherung resultieren, sind kaum denkbar. Zudem ist sogar die Haftung für tatsächlich erfolgte Auskunftserteilungen und damit für die Übermittlung der Daten ohne bestehende Verpflichtung gemäß § 101 Abs. 6 UrhG auf vorsätzliches Handeln begrenzt. Die Haftungsbegrenzung des § 101 Abs. 6 UrhG muss erst recht für die – die Auskunftserteilung lediglich vorbereitende – Speicherung gelten. Eine Haftung der Antragsgegnerin würde demnach nur dann bestehen, wenn sie positiv wusste, dass sie zur Speicherung nicht verpflichtet ist. Die Speicherung trotz Zweifeln am Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung löst demnach keine Schadensersatzpflicht aus. Gleiches gilt für die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, die bestehende gesetzliche Regelung stelle keine hinreichende Grundlage für die Speicherung dar. Ihr ist insofern zwar zuzugestehen, dass die Regelung im Hinblick auf die Datenspeichrung hätte klarer hätte ausfallen können. Für sie begründet die hier für richtig erachtete Verfahrensweise gleichwohl kein Haftungsrisiko.

gg) Insgesamt steht nach Auffassung der Kammer die Verhältnismäßigkeit nicht in Frage.

d) Damit liegen die Voraussetzungen für den Verfügungsanspruch vor.

II.

Der Verfügungsgrund folgt daraus, dass sich der Antragstellerin nur durch das einstweilige Verfügungsverfahren die Möglichkeit einer zeitnahen Datensicherung zur effektiven Rechtsverfolgung eröffnet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

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