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Anwalt durch Veröffentlichung eines presserechtlichen Informationsschreibens in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt - LG Berlin, Urteil vom 06.04.2007, Az.: 27 O 162/06

Leitsätzliches

Ein Rechtsanwalt wird durch die auszugsweise Veröffentlichung aus anwaltlichen Schreiben, wie es z.B. das verfahrensgegenständliche presserechtliche Informationsschreiber darstellt, grundsätzlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Ihm steht daher ein Unterlassungsanspruch zu.

LANDGERICHT BERLIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 27 O 162/06

Entscheidung vom 6. April 2006

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06.04.2006 durch die Richterin am Landgericht ... den Richter ... und den Richter am Landgericht von ...

für Recht erkannt

1.       Die einstweilige Verfügung vom 14. Februar 2006 wird bestätigt.

2.       Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller macht einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch im einstweiligen Rechtsschulz geltend.

Er ist Rechtsanwalt und vertritt das Fotomodell N. A. sowie eine Reihe anderer prominenter Persönlichkeiten in persönlichkeitsrechtlichen Angelegenheiten. Die Antragsgegnerin verlegt die Illustrierte "B...", in deren Ausgabe Nr. 6 vom 2. Februar 2006 sie einen Artikel veröffentlichte, der überschrieben war mit den Worten "Razzia bei N.: Morgens klingelten die Steuerfahnder" und in dem es u.a. darum ging, dass Ermittler Frau A. Firmenunterlagen überprüften und dass sie, N. A., zu den Verdächtigungen schweige. Ferner hieß es dann

"Ihr Anwalt C. S... wies nur schriftlich darauf hin, dass es 'unwahr ist, ... dass Frau A. gegenwärtig nicht offiziell in Deutschland lebt und insofern eine Steuerrazzia durchgeführt wurde'. Warum die Razzia stattfand und auf welchen Zeitraum sich die Vorwürfe beziehen, wollte er nicht sagen.“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berichterstattung wird auf den in Kopie vorgelegten Artikel .Anlage Ast 1, Bl. 6 d. A.) verwiesen. Der Antragsteller hatte sich, wie in dem Artikel wiedergegeben geäußert nämlich in einem so genannten "presserechtlichen Informationsschreiben“, dass er in Ausübung seines Mandats für Frau A. und in Reaktion auf eine Artikel in der "Bild"-Zeitung vom 23. Januar 2006 u.a. an die Geschäftsführung der Antragsgegnerin geschickt halte (vgl. das als Anlage Ast 2 in Kopie vorgelegte Schreiben. BI. 7 d  A) In dem Schreiben hieß es außerdem ausdrücklich, dass es allein zur presserechtlichen Interessenwahrnehmung bestimmt sei und weder wörtlich noch sinngemäß, in Teilen oder ganz veröffentlicht werden dürfe.

Der Antragsteller sieht sich durch die Veröffentlichung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Es sei ihm um die Verhinderung einer entsprechenden Berichterstattung gegangen Er sei auch keine Person der Zeitgeschichte, weshalb über ihn nicht identifizierend berichtet werden dürfe. Zudem werde das Anwalt-Mandanten-Verhältnis beeinträchtigt.

Der Antragsteller hat die einstweilige Verfügung vom 14. Februar 2006 erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, aus anwaltlichen Schreiben des Antragstellers in einer diesen identifizierenden Weise zu zitieren und/oder zitieren zu lassen, wie in B... Nr. 6 vom 2. Februar 2006 auf Seite 26 geschehen.

Gegen diese der Antragsgegnerin zwecks Vollziehung am 20. Februar 2006 zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich ihr Widerspruch,

Die Antragsgegnerin macht geltend:

Soweit sich der Antragsteller darauf berufe, dass die veröffentlichte Berichterstattung über Frau A. rechtswidrig sei, könne er sich darauf aus eigenem Recht nicht berufen. Im Übrigen habe Frau A. Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüche angemeldet, die sich exakt auf den Punkt bezögen von dem auch das streitgegenständliche Zitat handele. Frau A. wünsche also gerade, dass ihre Gegenstellungnahme ِöffentlich bekannt werde. Auf seine Persönlichkeitsrechte könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil der Umstand, dass er Frau A. vertrete, seiner Sozialsphäre zuzurechnen sei, er viel dafür tue, seinen Bekanntheitsgrad als Prominentenanwalt zu steigern, und sein Mandatsverhältnis zu Frau A. selbst ِöffentlich gemacht habe, indem er Gegendarstellungen für sie. soweit zulässig, mit „Dr. C. S... für N. A." unterzeichne. Das Mandatsverhältnis sei auch weder ehrenrührig noch belastend. Eine Rechtsposition des Antragstellers an dem Informationsschreiben bestehe nicht, insbesondere nicht aus Urheberrecht, Auf ein zu schützendes Anwalt-Mandaten-Verhältnis könne sich der Antragsteller nicht berufen weil dieses bereits im Einverständnis aller Beteiligten ِöffentlich gemacht worden sei. Zudem habe der Autor es nicht aus dem Informationsschreiben zitiert, sondern von einer Information der Internetseite fairpress.biz Dass bei ihrer Geschäftsführung das Informationsschreiben vorliege habe er nicht gewusst, Sie beruft sich insofern auf die eidesstattliche Versicherung des Autors Stefan Blatt: (Anlage AG 3. Ei 33 d. A.).

Die Antragsgegnerin beantragt

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt

die einstweilige Verfügung zu bestätigen

Er verweist ergänzend auf die Entscheidung des Kammergerichts vom 3. März 2006 (9 U 117/05).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO).

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 analog 1004 Abs. 1 S 2 3GB i.V.m. An 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (z. B. 27 0 34/06. Urteil vom 30. März 2006} ; wird ein Rechtsanwalt durch die auszugsweise Veröffentlichung aus anwaltlichen Schreiben, wie es z.B. das  verfahrensgegenständliche presserechtliche Informationsschreiber darstellt, grundsätzlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1954, 1404   1405) ist jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts, und zwar auch dann, wenn der Festigungsform Urheberschutzfähigkeil nicht zugebilligt werden kann. Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers. Daraus folgt, dass grundsätzlich dem Verfasser allein die Befugnis zusteht, zu entscheiden ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; denn jede- unter Namensnennung erfolgenden Veröffentlichung eines noch lebenden Menschen wird von der Aligemeinheit mit Recht eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen. Die Fassung der Aufzeichnungen und die Art ihrer Bekanntgabe unterliegen der Kritik und Wertung der öffentlichen Meinung, die aus diesen Umständen Ruckschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zieht (so auch Prinz/Peters Medienrecht, Rdn. 106 m.w.N.).

Mag es sich bei den antragstellerseits verfassten presserechtlichen Informationsschreiben auch nicht: um private bzw. privat versandte Briefe handeln, sondern um im Rahmen der anwaltlichen Rechtewahrnehmung für seine Mandantin an einen Presseverlag versandte berufliche Schreiben, so waren jene jedenfalls nicht zur Veröffentlichung bestimmt.

Entgegen dem ausdrücklichen Hinweis in dem Schreiben hat die Antragsgegnerin Passagen aus dem Informationsschreiben des Antragstellers zum Gegenstand ihrer Berichterstattung gemacht und aus jenen ohne seine Einwilligung und widerrechtlich wörtlich zitiert.

Ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung seiner Abmahnschreiben, die dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes vorgeht ist hier nicht gegeben. Zur Befriedigung eines etwaigen Interesses, der Allgemeinheit am Stand der Auseinandersetzung um Ermittlungen wegen etwaiger Steuerstraftaten gegen die Mandantin des Antragstellers bedurfte es jedenfalls nicht des Eingriffs m das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers als unbeteiligtem Dritten.

Der Antragsteller hat auch nicht durch die Rechtewahrnehmung für seinen Mandanten oder durch sein sonstiges Verhalten ein Informationsinteresse an den in seiner beruflichen Tätigkeit verfassten Anwaltsschreiben geweckt. Allein wegen seiner erfolgreichen anwaltlichen Tätigkeit ist es nicht Gegenstand des Informationsinteresses geworden. Mag mit Einverständnis des Antragstellers und seiner Mandantin auch das Mandatsverhältnis öffentlich bekannt geworden sein, ist dennoch nicht ersichtlich, warum der Antragsteller die Veröffentlichung der im Rahmen beruflichen Tätigkeit verfassten, ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung bestimmten Anwaltsschreiben hinnehmen musste Zu beachten ist. dass der Rechtsanwalt in der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten und damit in seinem eigenen beruflichen beruflichen Wirken beeinträchtigt wird, wenn derartige Schreiben publiziert werden dürften. Er hätte sich immer zu fragen, ob die Interessen seines Mandanten, die er durch einen früheren Artikel verletzt sieht, nicht noch weiter dadurch geschädigt werden, dass er sich an die Zeitung wendet mit  d er Gefahr, dass sein Anwaltsschreiben veröffentlicht und negativ kommentiert wird. Selbst wenn der Antragsteller im Rahmen seines beruflichen Wirkens hervorgetreten ist und zum Teil das Interesse der Öffentlichkeit dabei selbst gesucht hat, hat er sich damit nicht des Rechts begeben, über seine Aufzeichnungen selbst zu verfügen.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, ihr Autor habe die Zitate aus dem Informationsschreiben gar nicht diesem an die Geschäftsführung der Antragsgegnerin gerichteten Schreiben entnommen, sondern einer Internetseite, jedenfalls solange nicht, wie sie nicht dargetan hat, dass sie geprüft hat, ob die auf der Internetseite zugänglichen Informationen rechtsmäßig dort eingestellt t worden sind. Denn einerseits ist es Sache der Antragsgegnerin, ihren Betrieb so zu organisieren, dass die Redakteure oder die Chefredaktion Kenntnis von den für die Redaktion des Blattes relevanten Schreiben erhalten. Dass die Information auf der von der Antragsgegnerin angeführten Internetseite nicht unter Verstoß gegen das ausdrückliche Verlangen dass aus dem Schreiben nicht zitiert werde, veröffentlicht wurde, erscheint zudem femliegend. Es ist auch nicht erkennbar, wie der Antragsteller im Interesse seiner Mandanten auf andere Weise Informationen der Antragsgegnerin übermitteln sollte, wenn diese die entsprechenden Informationen an die Redaktion weiterleitet. Daraus können ihr jedenfalls keine Vorteile dergestalt erwachsen, weil der ihr unter dem Verbot der Veröffentlichung mitgeteilte Inhalt auf anderem Weg bekannt geworden ist.

Schließlich führt auch nicht der Umstand dass der Antragsteiler für Fr. A. Gegendarstellungs- und/oder Richtigstellungsansprüche bei der Antragsgegnerin angemeldet hat,  die sich inhaltlich mit dem antragsgegenständlichen Zitat aus einem Informationsschreiben decken, zu einem anderen Ergebnis. Die Frage, inwieweit der Antragsteller nämlich für seine Mandantin aufgrund der durch die Veröffentlichung geänderten Situation presserechtliche Ansprüche durchzusetzen sucht, hat keinen Einfluss auf die ihm selbst zustehenden Unterlassungsansprüche.
Die Wiederholungsgefahr ist aufgrüne der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch  Abgabe einer  strafbewehrten  Unterlassungserklärung  ausgeräumt  werden können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.

(Unterschriften)

Michael Terhaag | Christian Schwarz

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