Leitsätzliches
Die sog. MFM-Tabelle kann ausnahmsweise als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung angesehen werden, wenn es sich um Lichtbilder eines professionellen Fotografen handelt, die nicht mehr reproduzierbar sind und wenn durch Vorlage von Rechnungen belegt ist, das Lizenzen in ähnlicher Höhe – sei es auch für andere Nutzungsarten – erzielt werden.
OBERLANDESGERICHT KÖLN
URTEIL
Entscheidung von 11. Januar 2019
Aktenzeichen: 6 U 10/16
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19.11.2015 – Az. 14 O 20/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.872 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte Unverzagt von Have, Rothenbaumchaussee 43, 20148 Hamburg in Höhe von 2.280,70 € freizuhalten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 35 % und der Beklagte zu 65%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Berufsfotograf und hat als solcher 52 Fotografien von dem inzwischen abgerissenen „Palast der Republik“ aufgenommen, die in einem Bildband unter dem gleichnamigen Titel im Jahr 2010 erschienen sind. Die Veröffentlichung erfolgte auf der Grundlage eines zwischen dem Kläger und dem Verlag F. GmbH geschlossenen Verlagsvertrages vom 25. März 2010, mit dem der Kläger dem Verlag F. GmbH das Verlagsrecht, nämlich das räumlich unbeschränkte, ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung eingeräumt hatte. Ergänzend wird auf den als Anlage K 2 (Bl. 11 der Akte) vorgelegten Vertrag Bezug genommen.
Der Kläger ist Mitglied der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Dazu hat er mit der VG Bild-Kunst unter dem 4. beziehungsweise 20.08.1998 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Er ist der Berufsgruppe II („Fotografie, Illustration und Design“) beigetreten. In dem Wahrnehmungsvertrag in der damaligen Fassung heißt es unter anderem in § 1:
Der Berechtigte überträgt hiermit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst – als Treuhänderin für alle Länder – die ihm aus seinem Urheberrecht gegenwärtig zustehenden oder zukünftig anfallenden, nachstehend aufgeführten Nutzungsrechte zur Wahrnehmung und Einziehung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:
[…]
o) Ansprüche aus der nach der ersten Veröffentlichung erfolgten Nutzung von Lichtbildwerken und Lichtbildern in digitaler Form, soweit die Nutzung durch Vervielfältigung (§ 16 UrhG), Vorführung (§ 19 UrhG), Sendung (§ 20 UrhG) oder durch öffentliche Wiedergabe in unkörperlicher Form (§ 15 Abs. 2 UrhG) für wissenschaftliche Zwecke oder für den Schul- und Unterrichtsgebrauch sowie andere, nicht kommerzielle Bildungszwecke erfolgt […].“
In § 5 des Wahrnehmungsvertrages heißt es, dass Satzung und Verteilungspläne, auch soweit sie zukünftig geändert werden sollten, Bestandteil des Vertrages seien. Von der Mitgliederversammlung oder dem Verwaltungsrat beschlossene Änderungen, insbesondere Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrages, sollen als Bestandteil des Vertrages gelten, insbesondere auch im Hinblick auf zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht bekannte Nutzungsarten. „Änderungen oder Ergänzungen sind dem Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Die Zustimmung des Wahrnehmungsberechtigten zur Änderung oder Ergänzung gilt als erteilt, wenn er nicht binnen 6 Wochen seit Absendung ausdrücklich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Vertrages (Anlage K 17a, Bl. 400 ff. der Akte) Bezug genommen.
In späteren Fassungen – von denen zwischen den Parteien streitig gewesen ist, ob sie im Verhältnis zum Kläger wirksam geworden sind –, lauteten die einschlägigen Regelungen:
Stand 3/2006, Anlage K 19, Bl. 459 ff. d. A.:
„§ 1
[…]
k) für Berechtigte, die der Berufsgruppe I angehören, den Vergütungsanspruch im Falle der Aufnahme des Werkes in Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch (§ 46 Abs. 3 UrhG)
[…]
l) für Berechtigte, die der Berufsgruppe I angehören, die Ansprüche aus den von Werken und Lichtbildern in Form der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 16, 17 und 19 Buchst. a UrhG) […]
r) das Recht, Werke der bildenden Kunst sowie Lichtbildwerke und Lichtbilder, deren Urheber der VG Bild-Kunst die Reproduktionsrechte nach lit. k (vormals l) eingeräumt haben, in digitalisierte Datenbanken, Dokumentationssystemen oder speicherähnlicher Art einzubringen sowie diese Werke elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln und öffentlich zugänglich zu machen“
§ 1 lit. o) entspricht der oben wiedergegebenen Fassung aus dem Jahr 1996.
In der Fassung 8/2007 (Anlage K 22, Bl. 475 ff. A.) sind die genannten Bestimmungen gegenüber der Fassung 3/2006 unverändert.
Stand 3/2008, Anlage K 23, Bl. 480 ff. d. A.:
„§ 1
[…]
1. Rechtewahrnehmung aller Mitglieder der Berufsgruppen I (bildende Kunst) und II (Fotografie, Illustration und Design):
[…]
h. den Vergütungsanspruch für die öffentlichen Zugänglichmachung zu Unterrichts- und Forschungszwecken gemäß § 52 UrhG;
[…]
2. Zusätzliche Rechtewahrnehmung für die Mitglieder der BG I:
[…]
b. das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht gemäß §§ 16, 17 Abs. 1 UrhG sowie das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG mit der Maßgabe, dass die VG Bild-Kunst grundsätzlich die Zustimmung des Berechtigten zu der vorgesehenen Nutzung einzuholen und nur dann ohne Rücksprache mit dem Berechtigten über diese Rechte verfügen darf, wenn es um die Genehmigung von Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften oder anderen Sammlungen geht, die Werke mehrerer Urheber vereinigen;
[…]
3. Zusätzliche Rechtewahrnehmung für die Mitglieder der BG II:
[…]“
Fassung 7/2014 (Anlage K 18, Bl. 406 ff.):
§ 1 Nr. 1 lit. p (für die Berufsgruppen I und II):
„das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken der Bildenden Kunst und von Fotografien solcher Werke, die in wissenschaftlichen Bilddatenbanken gespeichert sind, sofern die Zugänglichmachung ausschließlich Online-Recherchen in diesen Datenbanken ermöglicht und die Nutzer der Datenbanken darauf hingewiesen werden, dass der Erwerb weitergehende Nutzungsrechte mit den jeweiligen Rechtsinhaber zu klären ist“
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein. Er bietet unter der Domain www.o..de eine Online-Plattform an, die Bilddatenbanken verschiedener Hochschulen, Museen und Archive im kunst- und kulturhistorischen Bereich miteinander verknüpft. Derzeit sind 78 Datenbanken und Diatheken mit einem Bestand von rund 1,2 Millionen Bildern auf diese Weise miteinander verbunden. Der Beklagte erhebt Lizenzgebühren zwischen 30 € pro Jahr für eine Einzellizenz und 4.500 € pro Jahr für eine Campuslizenz. Darüber hinaus bietet der Beklagte einen kostenlosen einwöchigen Gastzugang zu Testzwecken an.
Diesen Gastzugang nutzte der Kläger und konnte so die 52 genannten Lichtbilder nutzen und in einer Auflösung von 72 dpi herunterladen. Daraufhin wandte er sich an den Beklagten und ließ ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern, die seitens des Beklagten abgegeben wurde. Die Bilder sind mittlerweile über das Portal des Beklagten nicht mehr zugänglich.
Im November 2007 schloss der Beklagte mit der VG Bild Kunst eine Lizenzvereinbarung (Anlage HWH 21, Bl. 230 der Akte). In der Präambel heißt es unter Nr. 1:
„… Gegenstand des Vertrages ist ein verteiltes Bildarchiv der Kunst- und Kulturwissenschaften, das den Nutzern digitalisierte Aufnahmen von Werken der bildenden Kunst zur Verfügung stellt.“
Unter § 1 heißt es in dem Vertrag:
„d) Das Bildarchiv wird bei der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke die Rechte der Fotografen, die Vorlageaufnahmen gefertigt haben, beachten.“
Nach dieser Vereinbarung gestattet die VG Bild-Kunst dem Beklagten die Präsentation ihrer Bestände im Internet, wenn die eingespeisten Bilder mit einer maximalen Auflösung von 72 dpi gezeigt werden und ein Herunterladen der Bilder nur für registrierte Benutzer möglich ist. Im September 2012 (Anlage HWH 23, Bl. 239 der Akte) wurde diese Vereinbarung dahin ergänzt, dass dem Beklagten das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung für die Fotografien der Werke der bildenden Kunst auf der Webseite des Beklagten lizenziert wurde. Die hier in Rede stehenden Bilder sind unstreitig Anfang 2011 über den Dienst des Beklagten abrufbar gewesen.
Der Kläger hat behauptet, er, wie auch die VG Bild-Kunst, seien bei Abschluss des Wahrnehmungsvertrages im Jahr 1998 der übereinstimmenden Ansicht gewesen, dass die VG Bild-Kunst das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG für Mitglieder der Berufsgruppe II nicht wahrgenommen habe und nach wie vor nicht wahrnehme. Auch sei das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht als Teil der Regelung von § 1 Abs. 1 lit. o) eingeräumt worden; auch insoweit bestehe Einigkeit zwischen den Vertragsparteien. Spätestens jedoch mit dem wirksam gewordenen Wahrnehmungsvertrag Stand 03/2006 (Anlage K 19, Bl. 458 ff. der Akte) sei auch eine andere Interpretation nicht mehr möglich, weil die Wahrnehmung des Rechtes der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG ausschließlich für Berechtigte, die der Berufsgruppe I angehören, festgelegt worden sei. Die Sonderregelungen für die Berufsgruppe I seien den Mitgliedern in der Mitglieder-Info Nr. 21 ausdrücklich mitgeteilt worden (Anlage K 20, Bl. 463 ff. der Akte). Der VG Bild-Kunst-Vertrag Stand 08/2007 sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen der VG Bild-Kunst und dem Beklagten im November 2007 – insofern unstreitig – die aktuelle Vertragsfassung gewesen. Diese sei dem Kläger gemeinsam mit der Einladung zur Mitgliederversammlung im Juni 2007 von der VG Bild-Kunst durch die GVP gemeinnützige Werkstätten Bonn zugesandt worden. Der Kläger sei auf der Versandliste geführt. Eine Postretoure habe es nach Angaben der VG Bild-Kunst nicht gegeben.
Seinen Schaden hat der Kläger im Weg der Lizenzanalogie berechnet und sich dazu auf die Honorartabellen der MFM 2011 mit der Nutzung „kostenpflichtiger Informationsdienst“ bezogen. Er hat danach seine Schadensersatzforderung für 52 Abbildungen auf 23.452 € berechnet. Für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten setzt er einen Gesamtgegenstandswert von 309.442 € an und berechnet eine 1,3 Geschäftsgebühr nach RVG.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 23.452 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2011;
2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte Unverzagt von Have, Rothenbaumchaussee 43, 20148 Hamburg, in Höhe von 2974,40 € freizuhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die fehlende Aktivlegitimation des Klägers gerügt. Der Kläger habe das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens seiner Bilder wenn nicht auf den Verlag, so zumindest auf die VG Bild-Kunst übertragen, von der er – der Beklagte – ein einfaches Nutzungsrecht erworben habe. Auch nach den aktuellen Fassungen des Wahrnehmungsvertrages stehe dieses Recht der VG Bild-Kunst zu, weil die einschlägige Bestimmung (§ 1 lit. o des Vertrages) seit 1996 unverändert geblieben sei.
Zur Funktionsweise seines Onlinearchivs hat der Beklagte vorgetragen, dass er unter der Domain www.o..de eine Online-Plattform anbiete, die Bilddatenbanken verschiedener Hochschulen, Museen und Archive im Kunst- und kulturhistorischen Bereich miteinander verknüpfe. Derzeit seien 78 Datenbanken und Diatheken mit einem Bildbestand von rund 1,2 Millionen Bildern auf diese Weise miteinander verbunden. Es würden verschiedene „Retrieval-Funktionen“, insbesondere eine Bildersuche, aber auch Werkzeuge für die Erstellung von Präsentationsmappen sowie Lerninhalte zur Unterstützung und Vertiefung der Präsenzlehre angeboten. Dabei sei die Art des Zugriffs über die Nutzungsbedingungen des Beklagten begrenzt, weil diese den Abruf von Inhalten grundsätzlich nur in Form eines Lesezugriffs erlaubten. Ein Ausdruck von Materialien sei nur ausnahmsweise im Hinblick auf einzelne Abfragen gestattet. Schließlich werde eine systematische Speicherung größerer Teile eines Werkes oder eines Datenbestandes als Ganzes grundsätzlich ausgeschlossen. Dazu hat der Beklagte seine Nutzungsbedingungen als Anlage 17 (Bl. 214 d. A.) vorgelegt.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass seine Plattform nach dem Muster einer Suchmaschine arbeite, weil die Datenbanken der angeschlossenen Einrichtungen lediglich miteinander verknüpft und unter einer einheitlichen Oberfläche „recherchierbar“ gemacht würden. Gespeichert werde nur eine Referenz (bzw. eine Verlängerung) auf das jeweilige Einzelbild. Dementsprechend verfüge er auch weder über eigene Bilddatenbanken noch werde in den internen Aufbau der angeschlossenen Datenbanken eingegriffen.
Ferner hat sich der Beklagte darauf berufen, die Nutzung der Bilder sei jedenfalls nach § 52a UrhG zulässig. Außerdem sei zu beachten, dass zumindest ein Teil der Bilder – insgesamt 20 – über den eigenen Internetauftritt des Klägers beziehungsweise über „Spiegel Online“ zugänglich sei.
Zur Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzes hat der Beklagte nicht die Empfehlungen der MFM, sondern Tarife der VG Bild-Kunst für internetbasierte Archivnutzungen kultureller Institutionen für anwendbar erachtet, die er als Anlage HWH 25 (Bl. 275 ff. der Akte) vorgelegt hat, und so einen Betrag von 1.368 € errechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es an der Aktivlegitimation des Klägers fehle. Dieser habe das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens umfassend auf die VG Bild-Kunst übertragen. Jedenfalls nach der im August 1998, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen dem Kläger und der VG Bild-Kunst, geltenden Fassung des Wahrnehmungsvertrages sei das Recht zur öffentlichen Wiedergabe auf die VG Bild-Kunst übertragen worden. Dieses Recht habe auch das – seinerzeit noch nicht gesetzlich geregelte, aber bereits als Nutzungsart bekannte – Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens im Internet umfasst. Die von dem Kläger zum Vertragsinhalt benannten Zeugen könnten zu dem Inhalt und der Auslegung des im Jahr 1998 geschlossenen Vertrages keine Angaben machen. Auch der Vertrag zwischen der VG Bild-Kunst und dem Beklagten spreche für diese Auslegung, weil diese eben „die Präsentation ihrer Bestände im Internet“ gestattet hätte und nicht nur diejenigen Bestände, die von Mitgliedern der Berufsgruppe I geschaffen worden seien. Das Nutzungsrecht sei auch nicht später auf den Kläger zurückübertragen worden oder auf andere Weise an ihn zurückgefallen. An einer solchen ausdrücklichen Rückübertragung fehle es auch in den späteren Änderungen des Wahrnehmungsvertrages; ferner lasse sich nicht feststellen, dass die jeweiligen Änderungen des Wahrnehmungsvertrages auch im Verhältnis zum Kläger wirksam geworden seien.
Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und verfolgt sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere trägt er vor, er habe das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens niemals auf die VG Bild-Kunst übertragen. Dies entspreche auch der Ansicht der VG Bild-Kunst, die sich während des Rechtsstreits ausdrücklich ebenfalls seinem Standpunkt angeschlossen hätte. Jedenfalls ergebe sich seine Aktivlegitimation aus den späteren Änderungen des Wahrnehmungsvertrages, die ihm auch mit entsprechenden Mitgliederinformationen übersandt worden seien.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts Köln in vollem Umfang aufzuheben;
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 23.452 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, ihn von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.974,40 € freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er trägt vor, das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens sei von dem Vertrag aus dem Jahr 1998 umfasst gewesen; auf spätere Änderungen des Vertragswerks könne sich der Kläger nicht berufen, weil er nicht nachgewiesen habe, dass diese im Verhältnis zu ihm wirksam geworden seien. Seine Beweisantritte durch Vernehmung von Zeugen zum gemeinsamen Verständnis des Vertrages seien ungeeignet, da der Vertrag nach objektiven Maßstäben auszulegen sei. Im Übrigen könne der Kläger auch keine Vergütung nach den MFM-Regeln beanspruchen, weil deren Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Das Oberlandesgericht hat den Parteien mit Beschluss vom 21.10.2016 umfassende Hinweise erteilt. Hierauf haben die Parteien weiter zur Sach- und Rechtslage vorgetragen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr besteht dem Grunde nach, aber lediglich in Höhe von 14.872 € aus § 97 UrhG. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist in Höhe von 2.280,70 € begründet.
1. Der Beklagte verletzte die Urheberrechte des Klägers. Der Beklagte hat Lichtbilder des Klägers unberechtigt vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht.
a) Der Kläger ist zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem urheberrechtlichen Nutzungsrecht an den dem Streit zugrundeliegenden Lichtbildern aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation ergibt sich daraus, dass der Kläger Lichtbildner ist. Er hat seine Aktivlegitimation auch weder durch Übertragung der Rechte an den Verlag F. GmbH noch an die VG Wort verloren.
aa) Der Kläger hat die ihm als Urheber zustehenden ausschließlichen Nutzungsrechte nicht an den Verlag F. übertragen.
Nach dem Verlagsvertrag (Anlage K 2, Bl. 11 d. A.) ist Gegenstand des Vertrages das Buch mit dem Arbeitstitel „Palast der Republik“. „Hierfür überträgt der Autor dem Verlag räumlich unbeschränkt das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung (Verlagsrecht) des Bildbandes“. Der Vertrag ist so zu verstehen, dass der Verlag lediglich das Vervielfältigungsrecht für den gesamten Bildband hat, der Kläger jedoch bezüglich der einzelnen Fotografien ein Vervielfältigungsrecht behielt. So sieht es auch der Geschäftsführer des Verlags (Anlage K 13, Bl. 332 d. A.). Schließlich spricht für das entsprechende Verständnis des Verlagsvertrags auch, dass der Kläger, wie verschiedene, von ihm vorgelegte Rechnungen über den Verkauf von Abzügen seiner Fotografien belegen, weiterhin Lichtbilder, die auch Gegenstand des Verlagsvertrags sind, vervielfältigt und Dritten Rechte hieran einräumt, ohne dass ersichtlich wäre, dass der Verlag hiergegen vorginge.
Gegen diese Erwägungen wendet sich der Beklagte vergeblich, indem er geltend macht, der Kläger habe auch in Bezug auf die einzelnen Lichtbilder die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Verlag übertragen. Anders sei nicht zu erklären, warum der Verlag in seinem Copyright-Vermerk auch die auszugsweise Vervielfältigung untersage.
Diese Argumentation kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch der Verlag geht – wie dargelegt – davon aus, dass der Kläger weiterhin Rechte an den einzelnen Lichtbildern einräumen durfte. Damit mag zwar dem Verlag ein Unterlassungsanspruch zustehen können, soweit einzelne Lichtbilder aus dem Bildband heraus vervielfältigt werden, weil insoweit auch die Rechte des Verlages betroffen sind. Verstehen Verlag und Kläger den Vertrag aber dahin, dass der Kläger berechtigt ist, die hier in Rede stehenden Rechte an den einzelnen Lichtbildern Dritten einzuräumen, so stellt der unstreitige Copyright-Vermerk kein hinreichendes Indiz dafür dar, dass die Rechteübertragung nach Auffassung der Vertragsparteien weitergehend wäre. Es kommt hinzu, dass der Vermerk in zahlreichen Werken üblich ist, ohne dass dieser zwangsläufig etwas über den Inhalt der Übertragung der für die Nutzung erforderlichen Nutzungsrechte aussagen würde.
Jedenfalls ist der Kläger im Verhältnis zu dem Verlag F. GmbH aufgrund einer gewillkürten Prozessstandschaft berechtigt, die Ansprüche geltend zu machen, nachdem der Verlag ausweislich der Anlage K13 (Bl. 332 d.A.) ausdrücklich angenommen hat, ihm stünden die hier geltend gemachten Rechte nicht zu. Diese Erklärung wäre jedenfalls in eine Ermächtigung zur Geltendmachung umzudeuten, weil dies dem Interesse der dortigen Vertragsparteien entspricht. Die weiteren Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft liegen ebenfalls vor. Ein wirtschaftliches Interesse daran, die Vervielfältigung der Bilder, die den wesentlichen Teil des Bildbandes ausmachen, zu unterbinden, kann dem Kläger nicht abgesprochen werden.
bb) Die Aktivlegitimation des Klägers ist auch nicht durch Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die VG Bild-Kunst entfallen. Auch in diesem Verhältnis ist nicht erheblich, ob auch bei Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die VG Bild-Kunst die Aktivlegitimation des Klägers bestehen bleibt.
Die Übertragung der Rechte an die VG Bild-Kunst betrifft in diesem Zusammenhang auch nach dem Vortrag des Beklagten lediglich das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens. Denn auch nach dem Vortrag des Beklagten wird nach dem Wahrnehmungsvertrag nur das Recht des Öffentlich-Zugänglichmachens von der VG Bild-Kunst wahrgenommen; das Vervielfältigungsrecht bezüglich der einzelnen Fotografien verblieb daher ohnehin beim Kläger.
Die Aktivlegitimation ist aber auch hinsichtlich des Öffentlich-Zugänglichmachens anzunehmen, weil die VG Bild-Kunst im vorliegenden Verfahren über die sie vertretenden Rechtsanwälte erklärt hat, das Recht zum öffentlich Zugänglichmachen werde von ihr nicht wahrgenommen. Selbst wenn dies auf einer möglicherweise unzutreffenden Auslegung des Wahrnehmungsvertrages beruhen würde, liegt darin jedenfalls eine konkludente Gestattung der Prozessführung des Klägers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann es nach den vorstehenden Erwägungen nicht darauf ankommen, wie hoch die Ansprüche des Klägers gegen die VG Bild-Kunst gewesen wäre. Vielmehr kann der Kläger in diesem Fall die vollständige Lizenz geltend machen. Das Argument des Beklagten, die Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft benachteilige sie unbillig, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn der Kläger macht vorliegend den Schadensersatzanspruch geltend, der insgesamt besteht (Anspruch des Klägers zzgl. möglicher Anspruch der VG Bild-Kunst).
Auch insoweit liegen die weiteren Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft vor. Wenn der Beklagte meint, der Aktivlegitimation des Klägers aufgrund der Prozessstandschaft stehe entgegen, dass der Kläger selbst eine Rechtsübertragung an die VG Bild-Kunst in Abrede stelle, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Kläger stützt seine Ansprüche in erster Linie auf eigene Rechte und macht lediglich hilfsweise geltend, dass er die gleichen Ansprüche hätte, wenn er der VG Bild-Kunst Rechte übertragen hätte. Ein solches Vorgehen ist prozessual unbedenklich.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Entscheidung des BGH in der Sache Tintenpatrone (Urteil vom 20.05.2008 – X ZR 180/05, GRUR 2008, 896), nach der der Urheber auch den Anspruch des Rechteinhabers geltend machen kann, wenn ihm dieser vorher eingeräumt wurde. So liegt der Fall hier ebenfalls.
b) Der Beklagte hat die Lichtbilder, die dem Streit zugrunde liegen, vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht.
Eine Vervielfältigung liegt gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG vor, wenn ein Vervielfältigungsstück des Werkes hergestellt wird. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung, die geeignet ist, ein Werk auf irgendeine Weise den menschlichen Sinnen unmittelbar oder mittelbar zugänglich zu machen, wenn das Ergebnis eine körperliche Festlegung des Werks ist (vgl. Heerma in Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl., § 16 Rn. 4). Nicht erheblich ist, in welcher Form das Lichtbild körperlich festgelegt wird. Auch auf die Dauer der Existenz kommt es grundsätzlich nicht an. Daher sind auch Festlegungen auf CD/DVD oder Festplatten in Computern als Vervielfältigungsstücke anzusehen (vgl. Kroitzsch/Götting, BeckOK Urheberrecht, 22. Edition, Stand 15.10.2018, § 16 Rn. 3, mwN).
Nach diesen Grundsätzen liegt eine Vervielfältigung vor. Soweit der Beklagte ausführt, es sei nicht zu einer Vervielfältigung der Lichtbilder durch Nutzer gekommen, vermag dies kein anderes Ergebnis zu begründen. Denn die Lichtbilder wurden auf den Server der Beklagten hochgeladen. Dies ist nach dem Vortrag der Parteien auf den Hinweis des Senats unstreitig. Die Bilder werden nach dem Geschäftsmodell der Beklagten immer dann auf ihren Server hochgeladen, wenn der eigentlich die Bilder zur Verfügung stellende Server nicht über genügend Speicherplatz verfügte. Dies war vorliegend der Fall. In diesem Fall sind die Lichtbilder auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten auf ihren Server hochgeladen worden. Dies stellt eine Vervielfältigung durch den Beklagten dar. Auf die Möglichkeit des Ausdruckens kommt es nicht an.
Der Beklagte hat die Lichtbilder auch öffentlich-zugänglich im Sinne des § 19a UrhG gemacht. Ein Öffentlich-Zugänglichmachen im Sinne der §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG liegt vor, wenn das Lichtbild drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht wird, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Unstreitig konnten die Lichtbilder über den eigenen Server des Beklagten unter den von der Beklagten bestimmten vertraglichen Bedingungen jederzeit und von jedem aufgerufen werden, der zur Nutzung der Leistungen der Beklagten aufgrund eines Vertrages mit dieser berechtigt war.
Dem steht nicht entgegen, dass die Lichtbilder vor der Nutzung durch den Beklagten jedenfalls zum Teil bereits mit Zustimmung des Klägers beispielsweise über das Portal „spiegel-online“ öffentlich zugänglich gemacht wurden. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an (vgl. EuGH, Urteil vom 07.08.2018 – C-161/17, WRP 2018, 1052 – Land NRW./.Renckhoff). Entgegen der Ansicht des Beklagten gibt es auch keine Gründe den vorliegenden Fall anders zu beurteilen, weil nur Lizenznehmer des Beklagten auf die Lichtbilder zugreifen konnten.
c) Eine Privilegierung des Beklagten nach § 8 Abs. 1 TMG oder § 10 TMG kommt nicht in Betracht.
Nach dem weiteren Vortrag der Parteien kann sich der Beklagte nicht auf die Privilegierung des § 8 Abs. 1 TMG berufen. Da die Daten auf dem Server der Beklagten gespeichert sind, scheidet eine Privilegierung nach § 8 TMG von vorne herein aus.
Eine Privilegierung nach § 10 TMG scheitert – wie auch der Kläger mit Recht einwendet – daran, dass sich der Beklagte die Lichtbilder zu eigen gemacht hat, indem er sich Nutzungsrechte einräumen ließ, was als Indiz für ein Zu-Eigen-Machen spricht (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 – Marions-kochbuch.de).Es kommt hinzu, dass der Beklagte für die Nutzung der Lichtbilder ein Entgelt verlangt.
d) Der Beklagte war auch nicht aufgrund einer Rechteeinräumung durch die VG Bild-Kunst berechtigt, die Lichtbilder zu nutzen. Er hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihm Nutzungsrechte an den Lichtbildern des Klägers zustehen.
aa) Der ursprüngliche Vertrag der VG Bild-Kunst mit dem Beklagten aus dem Jahr 2007 erfasst nicht die Lichtbilder des Klägers. Dies folgt aus der Präambel, nach der Gegenstand des Vertrages „ein verteiltes Bildarchiv der Kunst- und Kulturwissenschaften [ist], das den Nutzern digitalisierte Aufnahmen von Werken der bildenden Kunst zur Verfügung stellt“. Der Vertrag betrifft daher nur die Rechte an Werken der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), während nach urheberrechtlicher Terminologie Fotografien „Lichtbildwerke“ oder „Lichtbilder“ (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 72 Abs. 1 UrhG) sind und daher gerade nicht zu den Werken der bildenden Kunst gerechnet werden. Diese Auslegung wird ferner gestützt durch die Regelung in § 1 d des Vertrages („Das Bildarchiv wird bei der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke die Rechte der Fotografen, die Vorlageaufnahmen gefertigt haben, beachten.“). Dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass auch die Rechte der Fotografen durch den Vertrag erfasst werden sollten. Wenn auch insoweit Nutzungsrechte eingeräumt worden wären, wäre eine Regelung, dass der Beklagte die (ihm eingeräumten) Rechte „beachten“ solle, wenig sinnvoll gewesen. Bestätigt wird diese Auslegung schließlich eindeutig durch die Ergänzungsvereinbarung aus dem Jahr 2013, durch die die VG Bild-Kunst dem Beklagten das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung für die Fotografien der Werke der bildenden Kunst auf seiner Webseite eingeräumt hat, und zwar gegen Zahlung einer zusätzlichen Lizenzgebühr. Diese Vereinbarung wäre überflüssig gewesen, wenn bereits der ursprüngliche Vertrag diese Rechte umfasst hätte.
Übertragen auf die hier zu beurteilenden Lichtbilder bedeutet dies, dass die VG Bild-Kunst 2007 zwar die Rechte des Architekten des Palasts der Republik übertragen hat, nicht aber die des Klägers als des Fotografen dieser Werke. Damit kann sich der Beklagte frühestens ab September 2013 auf ein Nutzungsrecht an den Fotografien des Klägers berufen. Eine vorherige Nutzung der Lichtbilder war daher rechtswidrig.
bb) Ob der Beklagte ab September 2013 ein Nutzungsrecht hatte, kann im Ergebnis offenbleiben, weil er dieses jedenfalls erheblich überschritten hätte. Es ist unstreitig, dass die Bilder von Nutzern abgespeichert, heruntergeladen und ausgedruckt werden konnten. So schreibt der Beklagte im Schriftsatz vom 24.11.2016 auf S. 8 (Bl. 683 d.A.) u.a. folgendes:
„Aufgerufene Einzelbilder können (sofern vom Nutzer eingerichtet) in einem persönlichen Account, der auf dem Server des Bildarchivs gehostet wird, abgelegt oder auf den eigenen Rechner heruntergeladen und dort gespeichert werden.“
Damit hat der Beklagte jedenfalls die ihm eingeräumten Rechte erheblich überschritten.
Denn auch nach der Fassung des Wahrnehmungsvertrages 7/2014 (Anlage K 18, Bl. 406 ff. d. A.) umfasst dieser gemäß § 1 Nr. 1 lit. p für die Berufsgruppen I und II „das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken der Bildenden Kunst und von Fotografien solcher Werke, die in wissenschaftlichen Bilddatenbanken gespeichert sind, sofern die Zugänglichmachung ausschließlich Online-Recherchen in diesen Datenbanken ermöglicht und die Nutzer der Datenbanken darauf hingewiesen werden, dass der Erwerb weitergehende Nutzungsrechte mit den jeweiligen Rechtsinhaber zu klären ist“. Zwar passt diese Regelung auf den Beklagten, aber dieser hat nicht nur Online-Recherchen, sondern auch das Herunterladen einzelner Bilder ermöglicht. Soweit der Beklagte nunmehr den Wahrnehmungsvertrag aus dem Jahr 2012 vorgelegt hat, ergibt sich hieraus nichts anderes.
e) Der Beklagte beruft sich auch vergeblich auf die (inzwischen aufgehobene) Regelung des § 52a UrhG. Nach dieser Vorschrift ist es zulässig gewesen, veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht (unter anderem) an Hochschulen ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Teil von Unterrichtsteilnehmern öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall sind gem. § 52a Abs. 3 UrhG auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen zulässig. Für Sprachwerke gilt, dass höchstens zwölf Prozent der Seiten des gesamten Werkes und nicht mehr als 100 Seiten öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen. Bei der Prüfung, ob danach kleine Teile eines Werkes öffentlich zugänglich gemacht worden sind, sind sämtliche Seiten zu berücksichtigen, die keine Leerseiten sind und deren Inhalt überwiegend aus Text besteht (BGH, Urteil vom 28.11.2013 – I ZR 76/12, GRUR 2014, 549 – Meilensteine der Psychologie).
Ob es sich bei Lichtbildern im Grundsatz um „Werke geringen Umfangs“ im Sinn des § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG handelt, wobei ein „geringer Umfang“ bei Werken von geringerer Schöpfungshöhe anzunehmen sei (so Berger, GRUR 2010, 1058, 1062; Oechsler, GRUR 2006, 205, 207; Hoeren, ZUM 2011, 369, 371), kann offenbleiben, weil eine Rechtfertigung des Beklagten nach § 52a UrhG bereits an einem anderen Punkt scheitert. Der Beklagte stellt den Zugriff auf seine Datenbank grundsätzlich jedem Interessierten zur Verfügung und bietet unter anderem „Campuslizenzen“ an, die es Hochschulen ermöglichen, für alle ihre Angehörigen (über ihr Intranet) einen Zugang einzurichten. Nach § 52a Abs.1 Nr. 1 UrhG gilt aber die Privilegierung für Werke, die einem „bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern“ zugänglich gemacht werden. Dazu gehören die Teilnehmer eines Kurses oder anderen Lehrveranstaltung, nicht aber sämtliche Angehörigen einer Hochschule oder auch nur eines Studiengangs (BGH, GRUR 2014, 549 – Meilensteine der Psychologie; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 52a Rn. 8). Gleichermaßen gilt die Privilegierung nach § 52a Abs. 1 Nr. 2 UrhG für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen, die die Werke für ihre eigene wissenschaftliche Forschung nutzen. Dabei muss es sich um einen kleinen Kreis von Personen (Forschungsteams, Personal eines Lehrstuhls) handeln; ein beliebig erweiterbarer Personenkreis wie alle Studenten einer Universität oder Nutzer einer öffentlichen Bibliothek fällt nicht mehr unter die Schranke (Dreier in Dreier/Schulze aaO, § 52a Rn. 11). Das Portal des Beklagten erfüllt nicht die Voraussetzungen der beiden Varianten, weil es sogar einer Vielzahl von Hochschulen für alle ihre Angehörigen Zugriffsmöglichkeiten eröffnet; hierauf hat bereits das Landgericht in seinem Beschluss vom 06. 11. 2014 (unter 4.; Bl. 431a ff.) hingewiesen.
2. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der Lizenzanalogie zur Verfügung. Diesen kann der Kläger ausnahmsweise auf der Grundlage der MFM-Empfehlungen berechnen. Die angemessene Lizenz beläuft sich auf 14.872 €.
Bei der Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Es ist dabei unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (BGH, Urteil vom 29.05.1962 – I ZR 132/60, GRUR 1962, 509 – Dia-Rähmchen II; Urteil vom 06.10.2005 – I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 – Pressefotos; Urteil vom 02.10.2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 – Whistling for a train).
Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist dabei gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach der freien Überzeugung des Gerichts zu bemessen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechts zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2009, 407 – Whistling for a train, mwN). Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen, die wirtschaftliche Bedeutung des geschützten Rechts, die sich in Gewinnaussichten ausdrückt und durch die am Markt zu erzielende Vergütung bestimmt wird, eine etwaige Monopolstellung des Schutzrechtsinhabers, sowie, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang gegenüber der Verwendung des geschützten Rechts gangbare und aus der Sicht eines Lizenznehmers wirtschaftlich vernünftige Alternativen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 14.03.2000 – X ZR 115/98, GRUR 2000, 685 – Formunwirksamer Lizenzvertrag).
Grundsätzlich ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung maßgeblich (BGH, Urteil vom 06.03.1980 – X ZR 49/78, GRUR 1980, 841 – Tolbutamid; GRUR 2006, 136 – Pressefotos, mwN), so dass beispielsweise wirtschaftliche Schwierigkeiten des Verletzers keine niedrigere Festsetzung der Lizenzgebühr rechtfertigen (BGH, GRUR 1962, 509 – Dia-Rähmchen II). Bei der Bewertung, welche Vereinbarung vernünftige Vertragsparteien getroffen hätten, kann aber auch die in der Branche übliche Umsatzrendite berücksichtigt werden, da ein Lizenznehmer im Zweifel keine Lizenzgebühr vereinbaren würde, die seinen Gewinn übersteigen würde (BGH, Urteil vom 29.07.2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 – BTK).
Die Bildhonorar-Tabellen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (nachfolgend MFM-Empfehlungen) können im vorliegenden Fall ausnahmsweise als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO angesehen werden (offen gelassen in BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08, GRUR 2010, 623 – Restwertbörse; ablehnend bei einfachen Produktfotos: BGH, Urteil vom 18.09.2014 – I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 – CT-Paradies). Auch wenn die Empfehlungen von zahlreichen Gerichten häufig als überhöht abgelehnt wurden (vgl. zur Rechtsprechung mit entsprechenden Nachweisen: Büch in Limper/Musiol, Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht, 2. Aufl., Kap. 3 Rn. 291), sprechen die besonderen Umstände dieses Falles für eine Anwendung. Allerdings können die MFM-Empfehlungen nicht schematisch angewendet werden, sondern sind unter Einbeziehung sämtlicher individueller Sachverhaltsumstände zu modifizieren, weil die Einzelfallumstände eine realitätsnähere und damit aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr bieten (KG, Urteil vom 25.02.2013 – 24 U 58/12, GRUR-RR 2013, 204). Insofern ist auch zu beachten, dass es sich bei den MFM-Empfehlungen weniger um eine Übersicht der marktüblichen Vergütungen für Bildnutzungsrechte als vielmehr um eine einseitige Festlegung der Anbieterseite handelt (BGH, GRUR 2006, 136 – Pressefotos; GRUR 2010, 623 – Restwertbörse).
Im Rahmen der Bestimmung der Höhe der angemessenen Lizenz spricht für die Anwendung der MFM-Empfehlungen insbesondere, dass es sich bei dem Kläger um einen gewerblich tätigen Fotografen handelt und die dem Streit zugrunde liegenden in jeder Hinsicht professionellen Lichtbilder nach Abriss des „Palastes der Republik“ nicht mehr reproduzierbar sind. Vor diesem Hintergrund spricht die Tatsache, dass es sich bei der Nutzung durch den Beklagten nicht um eine Erstveröffentlichung handelt, nicht gegen die Anwendbarkeit der MFM-Empfehlungen. Es kommt hinzu, dass der Kläger durch Vorlage von Rechnungen die Höhe einer üblichen Lizenz belegt hat. Zwar handelt es sich um andere Nutzungsarten. Jedoch zeigen die Rechnungen, dass der Kläger ein nicht unerhebliches Entgelt für die Nutzungen erzielt.
Insgesamt schätzt der Senat die angemessene Lizenz vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Parteien zur Höhe auf einen Betrag in Höhe von 286 € je Lichtbild, so dass insgesamt ein Anspruch in Höhe von 14.872 € besteht.
Dem liegt der Tarif der MFM-Empfehlungen für „Online-Zeitungen und Zeitschriften, Intranet, Informationsdienste (redaktionelle Nutzung)“ zugrunde. Dies erscheint im Ausgangspunkt angemessen, weil der Beklagte mit den Lichtbildern keine Werbung betreibt und die Nutzung im Rahmen des Bildarchivs einer Nutzung im Rahmen eines Informationsdienstes nahesteht, zumal dieser Dienst des Beklagten für die Nutzer kostenpflichtig ist. Weiter kann eine Nutzungsdauer von drei Jahren berücksichtigt werden, was einem Tarif von 220 € je Lichtbild entspricht. Da die Kantenlänge mehr als 520 Pixel betrug ist auch ein Zuschlag von 30 % entsprechend 66 € zu berücksichtigen. Insgesamt ergibt sich hieraus ein Betrag in Höhe von 286 € pro Lichtbild.
Soweit der Kläger darüber hinaus Zuschläge für eine „parallele 3-fach-Nutzung“ und „Bilderstrecke“ geltend macht, sind diese nach Auffassung des Senats im konkreten Fall nicht gerechtfertigt. Die Einstellung der Lichtbilder erfolgt in eine einheitliche Datenbank, so dass der Fall nicht mit einer „parallelen 3-fach-Nutzung“ vergleichbar ist. Auch ein Zuschlag für die Bilderstrecke sieht der Senat nicht als gerechtfertigt an. Dies gilt jedenfalls bei der Nutzung in der konkreten Form, weil durch die Einstellung einer Bilderstrecke in eine Datenbank kein Mehrwert anzunehmen ist, der eine höhere Lizenz rechtfertigen würde.
3. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist in Höhe von 2.280,70 € als Annexanspruch berechtigt. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen nach den vorstehenden Darlegungen dem Grunde nach vor. Der Anspruch besteht allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten Höhe.
Entgegen der Ansicht des Klägers kann für den Unterlassungsanspruch, den der Kläger vorprozessual geltend gemacht hat, nicht ein Streitwert in Höhe von 260.000 € für die 52 Lichtbilder (52 x 5.000 € = 260.000 €) zugrunde gelegt werden. Denn der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Streitwert bei einer Vielzahl von Werken nicht linear, sondern degressiv ansteigt. So hat der Senat beispielsweise in einem Verfahren, das 31 gewerblich benutzte Lichtbilder (einfache Produktfotos) betraf, 3.000 € pro Bild angesetzt (Beschluss vom 10.07.2015 – 6 W 78/15). Hier stehen Fotografien in Rede, die sicher zumindest teilweise die Schwelle zum Lichtbildwerk überschritten haben und daher einen höheren Ansatz rechtfertigen als einfache Produktfotos. Ein Ansatz 3.000 € je Lichtbild erscheint vor diesem Hintergrund bei der Nutzung von 52 Lichtbildern sachgerecht. Hieraus ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 156.000 €. Diesem ist der Wert des Auskunftsanspruchs hinzuzurechnen, der mit 10% des Schadensersatzanspruchs angesetzt werden kann. Weiter in der Schadensersatzanspruch zu berücksichtigen, soweit dieser berechtigt ist (14.872 €). Insgesamt ergibt sich somit ein Streitwert von bis zu 185.000 €. Bei diesem Streitwert beträgt eine 1,3-fache Gebühr, die vorliegend gerechtfertigt ist, auf der Basis des RVG, Stand bis 31.07.2013, 2.260,70 € (1,3 x 1.739 €). Unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale ergibt sich somit ein Anspruch in Höhe von 2.280,70 €.
4. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 97 UrhG, weil der Beklagte bei Lizensierung den Betrag vor Beginn der Nutzungen hätte zahlen müssen und dieser nicht bessergestellt werden soll, als ein berechtigter Nutzer.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
6. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Revision zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Vielmehr beruht die Entscheidung auf der dargelegten gesicherten Rechtsprechung des EuGH und des BGH sowie auf der Beurteilung der Höhe der Lizenz im Einzelfall.
7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.426,40 € festgesetzt.