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OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.1997, Az.: 20 U 51/96 - Rechtswidrige Dongle-Umgehungsprogramme

Leitsätzliches

Das nicht genehmigte Entfernen eines "Dongles" und das Umkopieren des "entdonglierten" Programms von einer CD-Rom auf Disketten ist urheberrechtswidrig. Diese "Entdonglierung" gehört auch nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauchs oder zu erlaubten Umgestaltungen eines Computerprogrammes.

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 20 U 51/96

Entscheidung vom 27. März 1997

 

In dem Rechtsstreit

 

hat das Oberlandesgericht Düsseldorf durch die Richter ... auf die mündliche Verhandlung vom .... für Recht erkannt:

 

...

 

Die Klägerin vertreibt das von ihr entwickelte Softwarepaket "E", eine Sammlung von Computerprogrammen zur Planung und Herstellung von Schalt- und Steuerungsplänen auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Die Software ist durch einen sog. Dongle vor dem unbefugten Kopieren durch Dritte geschützt. Dabei handelt es sich um einen Hardware-Kopierschutz, der wie ein Stecker auf die parallele Schnittstelle des Computers aufgesetzt werden muß, damit mit dem Programm gearbeitet werden kann. Externe Geräte wie Drucker oder externe Platte werden mit ihrem Anschlußstecker auf den Dongle-Ausgang gesteckt. Durch den Dongle wird sichergestellt, daß die Software nicht gleichzeitig auf mehreren Maschinen arbeiten kann. Sofern der Kunde nur Teile des E.-Programmpakets erwirbt, gibt der Dongle aus dem gesamten Programm nur die jeweils gekauften Teile frei.

 

Zu jedem Dongle gehört eine entsprechende Abfragesoftware, die in das E.-Programm eingebunden ist. Das Abfrageprogramm ist im Kern von einem dritten Unternehmen, der F. G. entwickelt worden. Das Programm sendet eine Datenfolge an die parallele Schnittstelle des Computers, die der Dongle im Erkennungsfall durch. ein Antwortsignal quittiert. In den Dongle werden auch bestimmte Kennziffern eingegeben, je nachdem, ob der Kunde eine Lizenz an dem gesamten Programm oder nur an Teilen davon erworben hat. Die in das Gesamtprogramm an den einzelnen Signalstellen eingegebenen Daten entscheiden auch aufgrund der Rückmeldung durch den Dongle darüber, ob die aufzurufenden Programmteile unter die Lizenz fallen oder nicht. Für den Fall, daß es zu Störungen bei der Nutzung des Dongles kommt, sehen die Geschäftsbedingungen der Klägerin vor, daß diese solche Defekte durch Austausch der Donglekomponente beseitigt.

 

Der Beklagte schaltete in der Computerzeitschrift C./ 1 eine Werbeanzeige, in der er unter der Überschrift "?DONGLE-ÄRGER?" mit Hinweis u.a. auf "E." ankündigte, wenn man ihn anrufe, dann sei "es bald vorbei mit dem Dongle-Ärger!"; wegen der Einzelheiten der Anzeige wird auf die Anlage K 2 verwiesen. Eine ähnliche Anzeige erschien in C. / 1(Anlage K 3). Auf eine telefonische Anfrage einer Mitarbeiterin der Klägerin hin erklärte der Beklagte, er könne das E.-Programm so ändern, daß sie keinen Dongle mehr benötige. Auf eine weitere Anfrage eines Zeugen, Herrn Dipl.-Ing. J. D. übersandte der Beklagte diesem nach Übersendung des Originalprogramms eine geänderte Kopie, bei der die Programmstellen mit den Dongleabfragen durch anderen Programmcode ersetzt worden waren. Dabei wies der Beklagte schriftlich darauf hin, daß der Kunde seine Pflichten aus dem Vertrag mit dem Lieferanten der Software strikt zu beachten habe (GA 120). Ferner wies der Beklagte durch entsprechende Aufkleber auf den Disketten und der Verpackung darauf hin, daß die Software nur im Rahmen der Lizenzrechte benutzt werden dürfe und jede unerlaubte Verwendung verhindert werden müsse.

 

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Anbieten und der Vertrieb eines Dongle-Umgehungsprogramms sei im Sinne von § 1 UWG wettbewerbswidrig. Auch verletze der Beklagte das ihr, der Klägerin, als Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte zustehende Verbreitungsrecht, wenn sie Dongle-Umgehungsprogramme entwickele oder eine mit dem Umgehungsprogramm versehene E.-Version vertreibe. Sofern der Beklagte selber das E.-Programm ändere, greife er auch in das Bearbeitungsrecht im Sinne von § 69 c S. 1 Nr. 2 UrhG ein.

 

Die Klägerin hat beantragt,

1. dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs eine Computer-Software, die die Funktion hat, den Kopierschutz ("Dongle") für die von der Klägerin entwickelte und vertriebene Software E. zu beseitigen oder zu umgehen, anzubieten oder zu vertreiben oder Exemplare der Software E. so zu verändern, daß sie ohne Dongle betrieben werden können, oder so geänderte Exemplare der Software E. anzubieten oder zu vertreiben,

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfange er die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Liefermenge, Lieferzeiten, Lieferpreise und der Namen und Anschriften der Abnehmer, ferner der Zahl und des Inhalts von Angeboten sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, einschließlich der Gestehungskosten und einschließlich sämtlicher Kostenfaktoren und des erzielten Gewinns,

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

 

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte hat behauptet, die Frage der Umgehung der Dongleabfrage stelle sich nicht für das von der Klägerin entwickelte Programm E. Vielmehr beruhe die Dongle-Technologie auf dem Fremdprogramm der Firma F.; nur diese sei daher auch zur Geltendmachung eventueller Ansprüche berechtigt. Die Installation des Dongles beeinträchtige die berechtigten Ansprüche des Verwenders auf ungestörten Programmgebrauch. Der Dongle versage auf verschiedenen Computern. In solchen Fällen müsse der Rechner neu gestartet werden. Dies sei bei etwa 10 % der dem Beklagten bekannten Rechnerkonfigurationen der Fall (GA 258). Bei Laptops sowie Rechnern mit 3,5 V Versorgungsspannung arbeite der Dongle nur eingeschränkt oder z. T. überhaupt nicht. Ähnliche Probleme zeigten sich bei Betriebssystemen mit Multi-Processing-Eigenschaften.

Im übrigen werde der Dongle dem Kunden "untergeschoben"; er wisse beim Kauf nichts von diesem sachfremden Zusatzgerät. Im Falle des Verlusts des Dongles müsse der Kunde das Programm neu erwerben; dabei stehe der Sachwert des Dongles (20 DM) in keiner Relation zum Kaufpreis für das Programm. Es stünden der Klägerin andere Sicherungsmethoden, wie etwa Paßwortschutz oder Benutzung codierter Identifizierungsmerkmale, zur Verfügung, die den Kunden weniger beschränken.

Eine Änderung der E.-Programmkopien werde im übrigen davon abhängig gemacht, daß der Interessent die Originalinstallationsdisketten einsende; von daher erhielten nur berechtigte Programmanwender die Leistungen der Klägerin.

 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte habe das Vervielfältigungs- und Bearbeitungsrecht der Klägerin im Sinne von §§ 69 c S. 1 Nr. 1 und 2 UrhG verletzt. Auf § 69 d Abs. 1 UrhG könne sich der Beklagte nicht berufen, da das Entdonglieren kein bestimmungsgemäßer Gebrauch des Programms sei. Auch der Vertrieb der Umgehungssoftware sei nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr zu untersagen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte meint, das Landgericht habe den Fehlerbegriff des § 69 d Abs. 1 UrhG verkannt. Die Ausschaltung eines Dongle-Abfrageprogramms sei von der Regelung des § 69 d Abs. l UrhG gedeckt. Hiernach könne der Anwender, ohne auf Gewährleistungsansprüche beschränkt zu sein, Fehler eines Programms selber beseitigen. Dieses Recht zur Fehlerbeseitigung beinhalte auch die Befugnis, das Programm durch Eliminierung von Fehlern zu verändern, die geänderte Version permanent zu speichern und künftig durch Programmeingabe zu nutzen. Damit sei auch eine Umgehung oder Entfernung einer Dongle-Abfrage legitimiert, sofern die Abfrage Störungen verursache. Auch das nicht beschränkbare Recht des Anwenders zur Erstellung einer Sicherungskopie, das § 69 d Abs. 2 UrhG gewährleiste, werde durch den Einsatz von Dongles konterkariert. Im übrigen meint der Beklagte, daß das Landgericht zu Unrecht eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich des Vertriebs von Dongleumgehungssoftware bejaht habe.

 

Der Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Klägerin meint, der Beklagte könne sich nicht auf ein Selbsthilferecht nach § 69 d Abs. 1 oder 2 UrhG berufen. Eine Dongleumgehung sei für die bestimmungsgemäße Benutzung des E. -Programms nicht notwendig. Das Recht zur Erstellung einer Sicherungskopie sei durch die Einrichtung eines Dongles nicht in Frage gestellt.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das zulässige Rechtsmittel hat hinsichtlich der Entdonglierung des E.-Programms durch den Beklagten keinen Erfolg (A.). Lediglich hinsichtlich des beantragten Verbotes des Anbietens und des Vertriebs von Umgehungssoftware nebst den darauf bezogenen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadenersatzansprüchen ist eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils geboten (B.).

 

A.Anspruch auf Unterlassung von Programmänderungen

I.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1 S. l, 69 c S. 1 Nr. 2 UrhG.

1. Das Programmpaket E. ist einschließlich des integrierten Donglesystems im Sinne von § 69 a Abs. 3 S. 1 UrhG urheberrechtlich schutzfähig. Anders als das Landgericht geht der Senat allerdings davon aus, daß auch nach der Neuregelung des Softwareschutzes die Schutzwürdigkeit von Software weiterhin zu prüfen ist. § 69 a Abs. 3 S. 1 UrhG stellt in Anlehnung an § 2 Abs. 2 UrhG darauf ab, daß es sich bei der Software um das Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers handelt. Das in § 69 a Abs. 3 S. 2 UrhG enthaltene Verbot qualitativer Kriterien ist nicht durch die Europäische Softwareschutzrichtlinie vom 14. Mai 1991 (91/250/EEC; Abl. EG C 122/42 vom 17. Mai 1991) vorgegeben. Dort findet sich eine entsprechende Formulierung nur in der (unverbindlichen) Präambel als Teil des 8. Erwägungsgrundes. Daß der nationale Gesetzgeber dieses Verbot eingefügt hat, sollte lediglich dem Willen Ausdruck verleihen, eine Herabsetzung der damals hohen Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu bewirken (siehe die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 69 a, BT-DrS 12/4022, S. 9 f.). In der Tat dürfte infolge der Neufassung des UrhG Software urheberrechtlich geschützt sein, soweit deren Konzeption Eigentümlichkeiten aufweist, die nicht als trivial, banal und von der Sachlogik her zwingend vorgegeben erscheinen. E. erfüllt diesen Schutzstandard. Gerade die Tatsache, daß der Beklagte durch aufwendige technische Vorkehrungen das Programm der Klägerin "entdongliert", kann als Indiz dafür gewertet werden, daß es sich bei der Software um ein nicht banales Produkt handelt. Im übrigen gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß es sich um ein hochwertiges Spezialprogramm für den Einsatz in der Elektrobranche handelt.

 

2. Die Klägerin ist als juristische Person zwar nicht selbst Urheberin dieser Programme (siehe § 7 UrhG). Sie hat jedoch aufgrund von Arbeits- oder Werkverträgen die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Programmen erworben. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Im übrigen ergibt sich dies für die Erstellung im Arbeitsverhältnis auch aus der gesetzlichen Vermutung des § 69 b Abs. 1 UrhG.

 

3. Die Klägerin kann sich auch für das Programmteil auf ihre Rechtsposition berufen, das die Dongle-Anfrage steuert. Der Beklagte behauptet hierzu, daß es sich hierbei um ein Programm der Fa. F. handele. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Klägerin für ihre Zwecke ein ausschließliches Nutzungsrecht an den F.-Modulen hat. Unstreitig hat die Klägerin diese Module in allen Programmpaketen als wesentlichen Bestandteil integriert. Dies ist nur möglich, wenn sie hierfür auch die jeweiligen Nutzungsrechte seitens der Fa. F. erworben hat. Der Beklagte hat dementsprechend auch nicht bestritten, daß die Klägerin für ihr Programmpaket über die umfassenden Befugnisse zum Einsatz von F.-Modulen verfügt. Die Frage der Rechtsposition der Klägerin an den F.-Modulen kann jedoch letztendlich offen bleiben. Denn selbst wenn die Klägerin nur ein einfaches Nutzungsrecht an den Modulen hat, ist zu bedenken, daß die Module unstreitig seitens der Klägerin verändert und in bezug auf die verschiedenen Kodierungen und Abfragemöglichkeiten an die eigenen Bedürfnisse angepaßt worden sind. Die Dongleumgehung erstreckt sich damit nicht nur auf das Fremdprogramm der Fa. F., sondern auch und gerade auf das integrierte Gesamtprogramm der Klägerin.

 

4. Nach § 69 c S. 1 Nr. 2 UrhG hat die Klägerin das ausschließliche Recht, ihr Computerprogramm umzuarbeiten und die dabei erzielten Ergebnisse zu vervielfältigen. Der Beklagte hat durch die nicht genehmigte "Entdonglierung" und das anschließende Umkopieren der geänderten Programme auf Disketten in dieses Bearbeitungsrecht der Klägerin eingegriffen. Das Umkopieren der Programme der Klägerin von der CD auf Disketten erfüllt den Tatbestand der Vervielfältigung im Sinne von § 69 c S. 1 Nr. 1 UrhG.

 

5. Der Beklagte kann sich nicht auf die – als Ausnahmevorschrift eng auszulegende – Regelung des § 69 d Abs. 1 UrhG berufen. Hiernach bedürfen Vervielfältigungen und/oder Umgestaltungen in Ermangelung besonderer vertraglicher Bestimmungen nicht der Zustimmung des Rechteinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms, einschließlich der Fehlerberichtigung, durch den Berechtigten notwendig sind. Ob eine "Entdonglierung" als Herstellung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs angesehen werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Für die Anwendbarkeit von § 69 d Abs. 1 UrhG plädieren das LG Mannheim (NJW 1995, 3322 = CR 1995, 542) sowie einige Stimmen in der Literatur (Koch, NJW 1994, 293, 296; ders. NJW-CoR 1994, 293, 296; König, NJW 1995, 3293, 3294; ders. NJW-CoR 1995, 191). § 69 d Abs. l soll hiernach ein umfassendes Fehlerbeseitigungsrecht bei jedweder softwarebedingten Störung garantieren und jedwede Entdonglierung legitimieren. Diese nicht näher begründete Auffassung ist unhaltbar; die Gegenargumentation des Landgerichts ist insofern zutreffend. Auch das OLG Karlsruhe (WRP 1996, 587 = CR 1996, 341) hat in dem Verfahren, das gegen denselben Beklagten gerichtet ist und dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, dessen auf § 69 d Abs. 1 UrhG gestützte Verteidigung als unbegründet erachtet; das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, da der BGH mit Beschluß vom 19. September 1996 – I ZR 36/96 die Annahme der Revision abgelehnt hat.

a) Zunächst ist zu beachten, daß § 69 d Abs. l UrhG bei abweichenden vertraglichen Sondervereinbarungen nicht zum Tragen kommt. Zwar können die in § 69 d Abs. 1 erwähnten Handlungen des Anwenders nicht vertraglich pauschal verboten werden. Dem Hersteller steht es jedoch offen, die Art und Weise, wie diese Handlungen ausgeführt werden können, durch Vertrag zu spezifizieren und die Notwendigkeit eines Selbsthilferechts durch besondere Supportleistungen einzuschränken (so auch die Begründung zum Referentenentwurf BT-DrS 12/4022, S. 12). Vorliegend hat die Klägerin einen eigenen Störungsbeseitigungsdienst für Endkunden vorgesehen. Ausweislich § 3.1 ihres "Lizenzvertrages für Endabnehmer" hat sich die Klägerin zum Austausch fehlerhafter Dongles verpflichtet.

 

b) Selbst wenn man aber die vertraglichen Abreden außer acht läßt, entspricht das Entdonglieren nicht dem durch § 69 d Abs. 1 gesicherten "bestimmungsgemäßen Gebrauch". Bestimmungsgemäß ist ein Gebrauch, wenn er der vertraglich vorausgesetzten, in Ermangelung einer Vereinbarung der gewöhnlichen Verwendung eines Computerprogramms entspricht. Vorliegend vereinbart die Klägerin mit den Kunden, daß das Programm nur mit Original-Dongle benutzt werden soll. Daher entspricht zwar eine Reparatur des Dongles oder eine Beseitigung von Mängeln des Abfrageprogramms noch dem bestimmungsgemäßen Gebrauch, nicht jedoch die völlige Beseitigung des Dongles. Letztere bringt den Lieferanten auch in große Schwierigkeiten, eröffnet sie doch die Möglichkeit zur unkontrollierbaren Erstellung und Nutzung von Raubkopien. Über die reine Fehlerbeseitigung hinaus ermöglicht der Beklagte solchen Kunden, die eine Originalversion des Programms besitzen, dieses an beliebig vielen Computerplätzen einzusetzen. Dritte, die nicht im Besitz der Originalversion sind, können dieses unerlaubt kopieren und ohne Wissen der Klägerin einfach oder vielfach nutzen. Wie der BGH bereits festgestellt hat (Urteil vom 9. November 1995 – I ZR 220/95, CR 1996, 79, 80), entspricht dieses Szenario regelmäßig dem, was bei einer "Entdonglierung" zu erwarten steht (ähnlich auch OLG Stuttgart, CR 1989, 685; OLG Düsseldorf, CR 1991, 352; OLG München, CR 1995, 663).

 

c) Demgegenüber ist der Hinweis darauf irrelevant, der Beklagte habe den Interessenten auf die Einhaltung vertraglicher und gesetzlicher Bestimmungen hingewiesen. Dieser Hinweis ist gänzlich unzureichend. Der Beklagte schafft mit den angebotenen Dienstleistungen die Gefahr von Rechtsverletzungen und ist demgemäß verpflichtet, alles Erforderliche und Zumutbare zu tun, um solche Rechtsverletzungen auszuschließen. Hierfür reicht ein bloßer verbaler Hinweis auf rechtliche Verpflichtungen ersichtlich nicht aus. Der Preis von E. ist sehr hoch; um so höher ist der Anreiz für Interessierte, sich über Warnhinweise des Beklagten hinwegzusetzen und Raubkopien von der "entdonglierten" Version zu ziehen. Gerade auch bei der betriebsinternen Nutzung ist die Verführung, gefahrlos Raubkopien einzusetzen, groß.

 

6. Die Verletzung des Bearbeitungsrechts der Klägerin läßt sich auch nicht über § 69 d Abs. 2 UrhG rechtfertigen. Zwar mag ein Bedürfnis dafür bestehen, daß der Anwender für den Fall eines Verlustes oder Diebstahls des Dongles eine zweite Kopie des Programms erstellt. § 69 d Abs. 2 ist jedoch nur eine gesetzliche Ausnahme zum Vervielfältigungsrecht; die Vorschrift erlaubt demnach keine Umgestaltungen des Programms. Im übrigen gehört der Dongle selbst nicht zur Software, sondern zur Hardware. Der Kunde darf daher unter Berufung auf § 69 d Abs. 2 UrhG durchaus eine einzige Kopie des Programms erstellen; daran ist er aber ohnehin nicht gehindert. Denn die Dongle-Abfrage schließt ja nicht die Erstellung von Kopien aus; vielmehr bewirkt der Dongle nur, daß diese Kopien nur auf dem Rechner einsetzbar sind, der den Dongle auf der parallelen Schnittstelle vorweisen kann. Schließlich ist auch zu bedenken, daß Verlust und Diebstahl typische Risiken sind, die der Anwender und nicht der Lieferant zu tragen hat. Zu Recht hat daher das LG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 4. April 1995 (CR 1997, 25) betont, daß der Anwender bei Verlust des Dongles das Programm neu zu erwerben habe.

 

7. Zu Recht hat das Landgericht auch darauf verwiesen, daß § 69 f Abs. 2 UrhG nicht die Argumentation des Beklagten stützt. Hiernach soll dem Rechteinhaber ein Vernichtungsanspruch auch für Mittel zustehen, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern. Die Vorschrift regelt lediglich einen eventuellen Vernichtungsanspruch, der in der Tat an besonders restriktive Voraussetzungen zu knüpfen ist. Unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch beim Einsatz von Antikopierschutzmechanismen möglich ist, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen.

 

8. Auch nicht einschlägig ist der Hinweis des Beklagten auf die allgemeinen Beeinträchtigungen, die der Einsatz eines Dongles für den Anwender mit sich bringen kann. Zum einen ist zu beachten, daß die Frage, ob und in welchem Umfang der Einsatz des Dongles der Klägerin Störungen beim Programmlauf verursacht, streitig ist. Zum anderen sind solche Störungen allenfalls im Rahmen des Gewährleistungs- und Haftungsrechts zu berücksichtigen. Wie der Beklagte selbst in der Berufungsbegründung darlegt, stellen donglebedingte Systemabstürze einen Fehler des Computerprogramms dar (so auch OLG Celle, CR 1994, 217, 218 f.). Ist das Vorhandensein eines Dongles nicht Teil des vertraglich vorausgesetzten Gebrauchs, mag darin ebenfalls ein Mangel zu sehen sein, der über §§ 459 ff. BGB zur Wandelung des Vertrages oder Minderung des Kaufpreises führt; auch ist in diesen Fällen unter Umständen die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung denkbar. Dies ändert aber nichts daran, daß der Hersteller grundsätzlich Donglesicherungen verwenden kann und dem Kunden insoweit kein Selbsthilferecht zur Beseitigung zusteht.

 

II.

Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich aus §§ 242, 259, 260 BGB i.V.m. § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG. Er erstreckt sich umfangmäßig auf die Liefermenge, Lieferzeiten, Abnehmer und Lieferpreise.

 

III.

Der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ergibt sich aus § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 256 ZPO. Die Entstehung eines Schadens ist insoweit wahrscheinlich, als infolge des "Entdonglierens" die veränderten Programme vertragswidrig kopiert und auf mehreren Rechnern eingesetzt werden können. Der Beklagte hat dieses Risiko zumindest fahrlässig herbeigeführt. Da eine Bezifferung des Schadens erst nach Auskunftserteilung möglich ist, hat die Klägerin bereits jetzt ein Feststellungsinteresse.

 

B. Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Dongleumgehungssoftware

Die Berufung des Beklagten hat insoweit Erfolg, als diese sich gegen das erstinstanzliche Verbot eines Vertriebs von Dongleumgehungssoftware richtet.

Grundsätzlich kann der Vertrieb solcher Werkzeuge zwar nach § 97 Abs. 1 UrhG verboten werden. Denn wer Entdongliersysteme vertreibt, leistet zumindest eine Beihilfe zu den Verletzungshandlungen, die der Anwender später beim Einsatz dieser Tools vornimmt.

Allerdings vertreibt der Beklagte seine "Tools" unstreitig nicht, so daß es an einer die Wiederholungsgefahr begründenden Verletzungshandlung fehlt. Auch unter dem Gesichtspunkt einer konkret drohenden Erstbegehungsgefahr kommt ein Verbot des Vertriebs zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht Es ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben, ob das Parteivorbringen, soweit es unstreitig ist, die Annahme einer Erstbegehungsgefahr rechtfertigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin vor dem Senat erklärt, daß die Klägerin zu keinem Zeitpunkt von einem Vertrieb der Umgehungssoftware durch den Beklagten ausgegangen sei und sich ihr Klagebegehren dementsprechend auch nicht gegen einen solchen Vertrieb richte. Offensichtlich ging es der Klägerin mit der vorliegenden Klage lediglich um ein Verbot der Entdonglierung, dem (derzeit eventuell nur theoretischen) Risiko eines Vertriebs der Entdonglierwerkzeuge will sie nicht entgegentreten. Ein Unterlassungsgebot entspricht demnach ebensowenig ihrem (jetzt der Sache nach noch aufrechterhaltenen) Begehren wie eine auf den Vertrieb der Umgehungssoftware bezogene Auskunftsverurteilung und die entsprechende Feststellung der Schadensersatzpflicht. Angemerkt sei jedoch, daß derartige Ansprüche durchaus von den erstinstanzlichen Klageanträgen mit umfaßt waren, die somit vom Landgericht nicht etwa mißverstanden worden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Bei der Abwägung der Unterliegensanteile war zu beachten, daß das Dienstleistungesangebot des Entdonglierens sowie der Handel mit entdonglierter Software ein weitaus größeres Gewicht als die theoretische Möglichkeit eines Vertriebs der Umgehungssoftware haben.

 

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

 

Beschwer des Beklagten: 480.000 DM

Beschwer der Klägerin: 120.000 DM.

 

(Unterschriften)