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OLG Köln, Urteil vom 30. Oktober 2002, AZ: 6 U 123/02 - Nutzung von Datenbanken

Leitsätzliches

Datenbankhersteller ist derjenige, der die Investitionen zur Erstellung der Datenbank tätigt, und zwar auch dann, wenn die Datenbankinhalte von einem Dritten geliefert werden. Für einen Unterlassungsanspruch genügt es jedoch nicht, lediglich die Übereinstimmung von zwei willkürlich eingebauten "Pflegefehlern" nachzuweisen. Es ist umfangreiches Tatsachenmaterial für den Beleg von Übereinstimmungen und die Auswertung der Datenbank vorzulegen.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 123/02

Entscheidung vom 30. Oktober 2002

 

In dem Rechtsstreit

 

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder ..., ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom ... für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das am 03. Mai 2002 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer das Landgerichts Köln - 28 O 77/02 - teilweise geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 06. Februar 2002 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Verfahrenskosten beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur gänzlichen Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil es nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht mehr als überwiegend wahrscheinlich und damit hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden kann, dass die Antragsgegner entweder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil einer Datenbank der Antragstellerin oder aber wiederholt und systematisch nach Art und Umfang unwesentliche Teile einer Datenbank der Antragstellerin vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben haben könnten. Die erhobenen, auf die Bestimmung des § 87 b in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative UrhG gestützten Unterlassungsansprüche können folglich der insoweit darlegungsbelasteten und gemäß der §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO zur Glaubhaftmachung verpflichteten Antragstellerin nicht zuerkannt werden.

Die jeweils zu einem Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG führenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 87 b Abs. 1 Satz 1 UrhG hat die Antragstellerin aus den bereits vom Landgericht genannten Gründen nicht schlüssig vorgetragen. Diese Vorschrift setzt nämlich voraus, dass eine Datenbank insgesamt oder ein nach Art oder Umfang wesentlicher Teil der Datenbank von einem Nichtberechtigten vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben wird. Hiervon kann in Anbetracht der Tatsache, dass - worauf zurückzukommen sein wird - nur die Übernahme von allenfalls 6 Datensätzen durch die Antragsgegner nachgewiesen ist, nach dem eigenen Sachvortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ersichtlich keine Rede sein. Denn die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, ihre Datenbanken umfassten jedenfalls 5 Millionen Datensätze, pro Tag müssten bis zu 4.000 Datensätze geändert werden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin spricht auch die Lebenserfahrung nicht dafür, dass derjenige, der wenige - bewusst manipulierte - Daten identisch übernimmt und in dessen Datenbank auch einige wenige identische sog. "Pflegefehler" auftauchen, die Datenbank insgesamt oder doch in wesentlichen Teilen kopiert haben könnte.

Auch auf § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG kann die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren nicht mit Erfolg stützen. Nach dieser Bestimmung steht der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils der Datenbank die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlicher Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.

Danach kann im Streitfall offen bleiben, ob der sog. Elektronische Zolltarif (im folgenden: "E.") oder die CD-ROM "Tarife" der Antragstellerin Datenbanken im Sinne des § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG darstellen, was der Senat aus den vom Landgericht genannten Gründen allerdings nicht in Zweifel ziehen würde. Ebenso wenig wie das Landgericht hätte der Senat im übrigen Bedenken, die Antragstellerin und nicht etwa - so allerdings die Rechtsauffassung der Antragsgegner - die Oberfinanzdirektion K. im Rechtssinne als Datenbankhersteller anzusehen. Denn wenn auch die Oberfinanzdirektion K. von der Antragstellerin in die Datenbank eingearbeitete Daten in Papierform oder möglicherweise auch in digitalisierter Form an die Antragstellerin sendet, hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie diejenige ist, die die Investitionen für die alsdann von ihr auch gepflegte Datenbank vornimmt. Dann aber ist sie rechtlich Datenbankherstellerin, weil Datenbankhersteller im Sinne des § 87 a Abs. 2 UrhG derjenige ist, der die wesentlichen Investitionen vornimmt und damit das organisatorische und wirtschaftliche Risiko trägt, welches mit dem Aufbau einer Datenbank verbunden ist (vgl. dazu: Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2. Auflage 1999, § 87 a Rn. 28).

Scheitert das Verfügungsbegehren der Antragstellerin demgemäß nicht schon daran, dass die Voraussetzungen des § 87 a Abs. 1 Satz 1 und/oder Abs. 2 UrhG nicht vorliegen könnten, ist auch der Senat wie schon das Landgericht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die Antragsgegner entgegen ihren anders lautenden Beteuerungen bestimmte Datensätze entweder aus den E. oder aber der CD-ROM "Tarife" kopiert und alsdann in ihre eigene Datenbank "B.S-E." eingestellt haben. Das folgt aus folgenden Überlegungen: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Antragstellerin zeitgleich zwei bestimmte Datensätze "manipuliert" hat, um zu überprüfen, ob diese der Sache nach unzutreffenden Daten dann auch in die Datenbank der Antragsgegner übernommen würden. So hat die Antragstellerin in Wirklichkeit nicht existierende Codenummern "" für die Ware Naphthalin und "" für die Ware Anthracen in ihre Datenbank "Tarife" eingestellt. Dass sich kurze Zeit später diese im Zollbereich nicht existierenden Tarifnummern "" und "" für N. und A. auch in der Datenbank "B.-E." der Antragsgegner wiedergefunden haben, lässt sich schlüssig nur dadurch erklären, dass die Antragsgegner diese erfundenen und deshalb an keiner Stelle nachzulesenden Codenummern aus der Datenbank der Antragstellerin kopiert haben. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, dass diese Übereinstimmung auch eine andere Ursache haben könnte, haben die Antragsgegner und insbesondere der im Termin vor dem Senat anwesende Antragsgegner zu 2) nicht abgeben können.

Gleiches gilt hinsichtlich einer von der Antragstellerin zeitgleich vorgenommenen weiteren Datenmanipulation. Die Antragstellerin hat nämlich in ihrer Datenbank "Tarife" eine unstreitig ansonsten nicht vorveröffentlichte, da frei erfundene Änderung bei der Codelinie vorgenommen. Bei dieser Codenummer geht es um Zölle, die bei Thermokopierapparaten anfallen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Codenummer Thermokopiergeräte mit einer Leistungsfähigkeit von über 70 Vervielfältigungen pro Minute bezeichnet, und dass die Codenummer , die angeblich für die Leistungsfähigkeit von über 90 Vervielfältigungen pro Minute bei Thermokopiergeräten steht, in Wahrheit nicht existiert und folglich auch nirgendwo in Erfahrung gebracht werden konnte. Dann aber gibt es für die Tatsache, dass auch die Datenbank "B.-E." der Antragsgegner Thermokopiergeräten mit einer Leistungsfähigkeit von über 90 Vervielfältigungen pro Minute die Codenummer "" zugeordnet hat, ungeachtet des Umstandes, dass bei den Antragsgegnern anlässlich einer durchgeführten Hausdurchsuchung ein Exemplar der CD-ROM "Tarife" der Antragstellerin vorgefunden wurde, nur eine logische und naheliegende Erklärung, nämlich diejenige, dass die Antragsgegner diese Daten aus der Datenbank der Antragstellerin übernommen haben.

Auch das identische Auftauchen allerdings nur weniger sog. "Pflegefehler" sowohl in den Datenbanken der Antragstellerin als auch in der Datenbank der Antragsgegner wie z.B. die Tatsache, dass in beiden Datenbanken der Text im Zusammenhang mit der Codenummer , die künstlichen Gelenken zugeordnet ist, das Wort "hierfür" beinhaltete, obschon dieses Wort mit Wirkung zum 01.01.2002 aus dem Text dieser Codelinie herausgenommen war, spricht nachhaltig dafür, dass die Antragsgegner für die Pflege ihrer Datenbank auf die Datenbanken der Antragstellerin zurückgreifen. Entsprechendes gilt, soweit die Antragstellerin zu weiteren Übereinstimmungen insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 10.04.2002 (Blatt 79 f. d.A.) und im Berufungsverfahren vorgetragen hat.

Das Verfügungsbegehren tragen diese markanten und den gegenläufigen Sachvortrag der Antragsgegner widerlegenden Übereinstimmungen gleichwohl nicht. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Sachvortrag der Antragstellerin den Rückschluss auf eine wiederholte und systematische Nutzung unwesentlicher Teile einer Datenbank zulässt und ob auf der Basis des glaubhaft gemachten Sachvortrags der Antragstellerin entweder von der Beeinträchtigung der normalen Auswertung der Datenbank oder von einer unzumutbaren Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen ausgegangen werden müsste. Denn nach allgemeiner Meinung (vgl. nur Schricker/Vogel, a.a.O., § 87 b Rn. 22) dürfen unwesentliche Teile einer Datenbank von jedermann beliebig vervielfältigt werden, solange die auf einem systematischen Vorgehen beruhenden wiederholten Nutzungen unwesentlicher Teile einer Datenbank in ihrer Summe das Ausmaß der Nutzung eines wesentlichen Teils der Datenbank nicht erreichen. Erst bei Überschreiten dieser Grenze steht die Nutzung unwesentlicher Teile einer Datenbank der Nutzung eines wesentlichen Teils der Datenbank gleich, erst dann hat der Datenbankhersteller den sich aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG ergebenden Unterlassungsanspruch. Im Streitfall scheitert das Verfügungsbegehren der Antragstellerin daran, dass nicht feststeht oder auch nur hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass die Antragsgegner wiederholt und systematisch Vervielfältigungen unwesentlicher Teile der Datenbanken der Antragstellerin vorgenommen haben könnten, die im Ergebnis das Ausmaß wesentlicher Teile erreichen. Bei bis zu 4.000 Datensätzen pro Tag, die die Antragstellerin in ihre Datenbanken einarbeitet, und einem Datenbankvolumen von mehreren Millionen Datensätzen lassen die vorgetragenen und nach dem Vorgesagten auch glaubhaft gemachten wenigen, nur durch eine Übernahme von Daten zu erklärenden "Verletzungsfälle" noch nicht mit der für eine Verurteilung der Antragsgegner notwendigen Sicherheit den Schluss zu, dass die Antragsgegner in einem Umfang auf Daten in den Datenbanken der Antragstellerin zurückgegriffen haben, dass davon gesprochen werden könnte, in der Summe nutzten die Antragsgegner letztlich einen wesentlichen Teil der Datenbanken der Antragstellerin. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Antragstellerin zum Beispiel der Nachweis gelingen würde, dass auch alle Pflegefehler in der Datenbank der Antragsgegner identisch übernommen worden sind. Gerade das hat die Antragstellerin aber nicht vorgetragen, hat im Verhandlungstermin vor dem Senat vielmehr erklärt, pro Jahr würden schätzungsweise etwa 10 solche Pflegefehler entdeckt.

Hat die Antragstellerin es demgemäß bislang nicht vermocht, ihren Verdacht, namentlich der Antragsgegner zu 2) habe in der Vergangenheit immer wieder auf ihr - der Antragstellerin - Datenmaterial zurückgegriffen, mit dem notwendigen Tatsachenmaterial zu untermauern, konnte die gegen die Antragsgegner gerichtete, auf einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin zurückgehende einstweilige Verfügung des Landgerichts keinen Bestand haben. Sie war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO aufzuheben.

Das Urteil ist gemäss § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

(Unterschriften)

 

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