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Urheberrechtlicher Schutz eines Bierglases, OLG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - Az.: 6 U 115/09

Leitsätzliches

1. Ein Bierglas ist nicht schon dann als ein Werk der angewandten Kunst anzusehen, wenn es als erstes überhaupt einen in das Glas integrierten Fußball sichtbar macht, sondern nur dann, wenn bei der Verwirklichung dieser Idee ein Gesamtbild entsteht, das auf den Betrachter eine ästhetische Wirkung erzeugt.

2. Eine unzulässige unfreie Bearbeitung liegt nur vor, wenn dass zweitgeschaffene Produkt die künstlerischen Züge des Erstwerkes nachahmt, die diesem eine schutzfähige Prägung verleihen.

 

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 115/09

Urteil vom 14.10.2009

 

In dem Rechtsstreit

...

Tatbestand

Der Kl. behauptet, das nachfolgend wiedergegebene Weißbierglas entworfen zu haben:


...

Er macht gegen die Bekl. urheberrechtliche Ansprüche wegen des Vertriebs des nachfolgend wiedergegebenen Weißbierglases geltend.

...

Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung, mit der der Kl. seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, vertieft und ergänzt er seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe

Dem Kl. stehen keine Ansprüche gegen die Bekl. zu, denn diese hat das Urheberrecht des Kl. nicht verletzt. Zwar ist das Glas des Kl. ein Werk der angewandten Kunst i.S. des § 2 I Nr. 4 UrhG, das angegriffene Glas stellt aber keine unfreie Bearbeitung des Glases des Kl.gem. § 23 UrhG dar.

1. Das von dem Kl. entworfene Weißbierglas ist ein Werk der angewandten Kunst.

a) Ein Erzeugnis des Kunstgewerbes ist als Werk der angewandten Kunst anzusehen, wenn es eine eigentümliche Schöpfung ist, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die ästhetische Anregung durch Betrachtung bestimmt ist. Dabei ist es gleichgültig, ob das Werk neben seinem ästhetischen Zweck auch einem Gebrauchszweck dient. Der ästhetische Gehalt des Werkes muss jedoch einen solchen Grad erreichen, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen” Leistung gesprochen werden kann (BGH, GRUR 1974, 669 [671] – Tierfiguren). Dabei sind an den für eine Qualifizierung als Werk i.S. des § 2 UrhG erforderlichen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad bei Werken, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, höhere Anforderungen zu stellen als bei Werken der „reinen” (zweckfreien) Kunst. Denn zwischen Urheber- und Geschmacksmusterrecht besteht kein Wesens-, sondern ein gradueller Unterschied. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen abheben muss, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, d.h. ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern. Die Grenze zwischen Urheberrechtsschutz und Geschmacksmusterschutz darf dabei nicht zu niedrig angesetzt werden (BGH, GRUR 1995, 581 [582] – Silberdistel, m.w. Nachw.). Auch eine Nachbildung nach dem Vorbild der Natur kann diese Grenze überschreiten; sie darf sich aber nicht als eine reine kunsthandwerkliche Leistung darstellen, sondern muss eine gewisse eigenschöpferische Originalität aufweisen (BGH, GRUR 1995, 581 [582] – Silberdistel).

b) Nach diesen Maßstäben weist das Glas des Kl. einen noch hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad und ästhetischen Gehalt auf.

Die Kombination der Form eines Fußballs mit einem Weißbierglas war neu. Die Bekl., die insoweit die Beweislast trägt (vgl. BGH, GRUR 1972, 38 [40] – Vasenleuchter), hat nicht dargelegt, dass bereits zuvor jemand ein Weißbierglas auch nur annähernd ähnlich gestaltet hätte.

Die Integration des dargestellten Fußballs in das Weißbierglas ist auch nicht nur eine rein handwerkliche Leistung, sondern weist einen künstlerischen Gehalt auf. Zwar hat das LG darin Recht, dass dieser Gehalt nicht darin besteht, dass der Kl. die damals neue Idee, die Darstellung eines Fußballs mit einem Weißbierglas zu kombinieren, verwirklicht hat. Erst recht liegt der eigenschöpferische Gehalt nicht darin, dass der Kl. einen Fußball als Glaskugel dargestellt hat. Nach § 2 UrhG ist vielmehr allein die konkrete Umsetzung dieser Idee schutzfähig, an der der Kl. – wie er in der Berufungsverhandlung eindrucksvoll dargelegt hat – über ein Jahr lang gearbeitet hat. Dabei ist es dem Kl. gelungen, an sich in ihrer optischen Wirkung gegensätzliche Elemente, nämlich ein schlankes Weißbierglas und eine Fußballkugel, so zu kombinieren, dass ein ästhetisches Gesamtbild entstanden ist: Die eher plumpe Form des Balls wird durch den schlank ausgeformten Fuß nach unten und den verhältnismäßig engen Körper des Glases nach oben aufgefangen. Die (nur bruchstückhaft dargestellten) Waben des Balls sind so geschliffen, dass der Eindruck in sich greifender Kreise entsteht. Auch hier wird eine runde Form aufgegriffen, diese ist aber so ausgestaltet, dass sie sich in die schlanke, elegante Form des Glases einfügt. Insgesamt vermittelt das Glas damit einen Gesamteindruck, bei dem seine Funktion als Trinkgefäß zwar nicht zu verkennen ist; im Vordergrund steht aber nicht die Benutzbarkeit des Glases, sondern es ist zum Betrachten bestimmt und spricht das ästhetische Empfinden des Betrachters an.

2. Das angegriffene Glas ist keine unfreie Bearbeitung des Glases des Kl.

a) Eine unzulässige unfreie Bearbeitung (§ 23 S. 1 UrhG) ist gegeben, wenn diejenigen künstlerischen Züge eines Werkes nachgeahmt worden sind, die diesem insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen. Eine zulässige freie Benutzung (§ 24 I UrhG) liegt dagegen vor, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten Züge in dem neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere Werk nur noch als Anregung zu einem neuen, selbstständigen Werkschaffen erscheint. Bei der Beurteilung, ob eine unfreie Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt, ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind (BGH, GRUR 2009, 856 [858f.] – Tripp-Trapp-Stuhl, m.w. Nachw.). Eine freie Benutzung liegt dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (vgl. BGH, GRUR 1981, 267 [269] – Dirlada, m.w. Nachw.). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Individualität des älteren Werkes und der Selbstständigkeit des neuen Werkes. Je auffallender die Eigenart des benutzten Werkes ist, umso weniger werden dessen übernommene Eigenheiten in dem danach geschaffenen Werk verblassen. Besitzt das benutzte Werk dagegen nur einen geringen eigenschöpferischen Gehalt, wird man eher den für eine freie Benutzung erforderlichen Abstand bejahen können (vgl. BGH, GRUR 1981, 267 [269] – Dirlada; GRUR 1991, 531 [532] – Brown Girl I; GRUR 1991, 533 [534] – Brown Girl II).

b) Die Übereinstimmung zwischen den Gläsern beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass das angegriffene Glas ebenso wie das Glas des Kl. die Idee umsetzt, einen Fußball unmittelbar über dem Fuß in ein Weißbierglas zu integrieren. In der Verwirklichung dieser Idee liegt jedoch – wie ausgeführt – nicht die eigenschöpferische Leistung des Kl. Vielmehr liegen die eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes darin, wie der Kl. die Darstellung eines Fußballs mit einem Weißbierglas verbunden hat. Dieses Ergebnis künstlerischen Schaffens ist in dem angegriffenen Glas nicht übernommen. Bei diesem liegt der (plumpe) Fußball auf einem massiven, für ein Weißbierglas typischen Fuß. Auch im Übrigen entspricht das Glas – mit Ausnahme des eingefügten Fußballs – der typischen Form eines Weißbierglases. Der Fußball ist in dem sichtbaren Teil weitgehend naturalistisch dargestellt. Dass das Glas in industrieller Massenfertigung hergestellt wird, ist unverkennbar. Bestimmungsgemäß ergibt sich daher eine „Anregung durch Betrachtung” (vgl. BGH, GRUR 1974, 669 [671] – Tierfiguren) nur für den Betrachter, auf den wegen seines sportlichen Interesses jede Darstellung eines Fußballs anregend wirkt; das ästhetische Empfinden wird durch das angegriffene Glas dagegen nicht berührt. Das angegriffene Glas vermittelt somit einen ganz anderen Gesamteindruck als das Glas des Kl., so dass es den für eine freie Benutzung erforderlichen Abstand angesichts des ohnehin nur engen Schutzbereichs, den der Kl. für sein Glas in Anspruch nehmen kann, wahrt.

Dem Einwand des Kl., das angegriffene Glas sei eben nur eine billige Kopie und gerade darin liege die Verletzung seiner urheberrechtlich geschützten Rechte, kann nicht gefolgt werden. Die Kopie beschränkt sich auf die Übernahme der nicht urheberrechtlich schutzfähigen gestalterischen Idee. Schutz genießt der Kl. wegen der eigenpersönlichen Züge des von ihm in Umsetzung dieser Idee geschaffenen Werks. Diese eigenschöpferische Leistung hat die Bekl. sich aber nicht zunutze gemacht.

 

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