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Urheberrechtlicher Schutz von Computergrafiken - OLG Köln, Urteil vom 20.03.2009, Az.: 6 U 183/08

Leitsätzliches

Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Computergrafiken im Bereich der "Gebrauchskunst" unterliegt höheren Anforderungen als im Bereich der zweckfreien Kunst. Hier ist ein deutliches Überragen gegenüber einer Durchschnittsgestaltung erforderlich. Eine individuelle schöperische Leistung kann bei Computergrafiken von Gebrauchsgegenständen kann dann anzunehmen sein, wenn von den Gestaltungen eine so starke ästhetische Wirkung ausgeht, das sie über ein gefälliges und überzeugendes kunstgewerbliches Design hinaus eine künstlerische Individualiät erkennen lassen.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 183/08

Entscheidung vom: 20. März 2009

In dem Rechtsstreit



hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2009 durch seine Mitglieder …, … und …

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2008 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 113/08 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, die von ihrer Internetseite zwei Darstellungen von Messeständen übernommen und danach eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, wegen der Abmahnkosten (859,80 €) in Anspruch. Mit ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts, auf das verwiesen wird, trägt sie ergänzend zur Schutzfähigkeit der Darstellungen vor. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn das Landgericht hat den von der Klägerin mit urheberrechtlicher Begründung geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von den notwendigen Kosten ihrer Abmahnung (§§ 683 S. 1, 677, 670, 257 BGB) zu Recht verneint. Die eigenmächtige Übernahme zweier Computergrafiken von der Webseite der Klägerin durch die Beklagte (so wenig billigenswert sie auch erscheinen mag) stellt nämlich keine Urheberrechtsverletzung (§ 97 UrhG) zu Lasten der Klägerin (nach konkludenter Nutzungsrechtseinräumung durch ihre Mitarbeiter, §§ 31 Abs. 5 S. 2, 43 UrhG) dar. Insoweit fehlt den Darstellungen – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – die notwendige Gestaltungshöhe.

An dieser Beurteilung vermag das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin (bei unterstellter Zulässigkeit ihres ergänzten Sachvortrags nach § 531 ZPO) nichts zu än-dern, wobei es für den Urheberrechtsschutz ohnehin nicht entscheidend auf die in der Berufungsbegründung dargelegten Einzelschritte für die computergestützte Erstellung der 3-D-Messestand-Entwürfe, sondern auf das sinnlich wahrnehmbare Ergebnis ankommt: Die bei der Berufungsverhandlung als vergrößerter farbiger Ausdruck in Augenschein genommenen Bilddateien (ob sie von der Beklagten in dieser hochauflösenden Form übernommen wurden, ist unklar) lassen sich weder einer der im Gesetz beispielhaft aufgezählten Werkarten (§ 2 Abs. 1 UrhG) zuordnen noch un-abhängig davon als persönliche geistige Schöpfung mit Werkqualität (§ 2 Abs. 2 UrhG) ansehen (vgl. zu den je nach Werkart verschiedenen Anforderungen Schricker / Loewenheim, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rn. 74 f.; Wandtke / Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rn. 25; Dreier / Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 2 Rn. 24), was mehr erfordert als eine handwerkliche oder routinemäßige Leistung oder Fleißarbeit, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Schricker / Loewenheim, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.). Auf das verwandte Schutzrecht des Lichtbildners (§ 72 UrhG) kann sich die Klägerin ebenso wenig stützen. Auch eine wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.

1. Um schutzfähige Werke der angewandten bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handelt es sich bei den übernommenen Darstellungen nicht. Nach vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretener (vgl. zur Kritik Schricker / Loewenheim, a.a.O., § 2 Rn. 31 ff., 158 m.w.N.), verfassungsrechtlich unbedenklicher Auffassung (BVerfG, GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge), der auch der Senat folgt, unterliegt die urheberrechtliche Schutzfähigkeit im Bereich der „Gebrauchskunst“ höheren Anforderungen als im Bereich der zweckfreien bildenden Kunst. Sie erfordert, da sich in diesem Bereich schon geschmacksmusterfähige Gestaltungen vom nicht geschützten handwerklichen Durchschnitt, vom Alltäglichen und Banalen abheben müssen, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung (BGH, GRUR 1995, 581 [582] - Silberdistel; BGHZ 138, 143 [147] = GRUR 1998, 30 – Les-Paul-Gitarren; GRUR 2004, 941 [942] – Metallbett). Diesen erhöhten Anforderungen genügen die Darstellungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.

a) Soweit die Entwürfe der Messestände als einer dreidimensionalen Gestaltung in Rede stehen (vgl. BGH, GRUR 1982, 305 – Büromöbelprogramm; LG Düsseldorf, GRUR-RR 1993, 38 – Messestand), hindern spezifizische Vorgaben des Auftraggebers zwar nicht die Annahme einer individuellen schöpferischen Leistung (Schricker / Loewenheim, a.a.O., § 2 Rn. 139); sie reichen dafür aber auch nicht aus, so dass es entgegen dem Berufungsvorbringen nicht auf den Unterschied von mehrfach verwendbaren „Messestandmodellen“ und im Rahmen eines Einzelauftrags erarbeiteten „Designbeispielen“ ankommt. Außer Betracht bleiben müssen ferner das in den jeweiligen Entwurf integrierte, vorgegebene Firmenlogo sowie die durch einzuhaltende Abmessungen und technische Bedingungen vorgegebene Grundstruktur der Stände; abzustellen ist vielmehr darauf, ob in diesem Rahmen von den Gestaltungen ohne Rücksicht auf ihren praktischen Zweck eine so starke ästhetische Wirkung ausgeht, dass sie über ein gefälliges und überzeugendes kunstgewerbliches Design hinaus bereits künstlerische Individualität erkennen lassen. Das ist indessen nicht der Fall:

Die Entwürfe setzen typische Anforderungen an das Design eines Messestands auf technisch angemessene und handwerklich durchaus überzeugende Weise um, ohne dabei aber jene besondere, das Durchschnittskönnen eines mit dem Fachgebiet vertrauten Designers überragende Kreativität erkennen zu lassen, durch die sie sich von der Masse vorbekannter Gestaltungen deutlich abheben würden. Das gilt insbesondere für die Anordnung sowie für Farbgestaltung, Wellen- und Rechteckformen der insgesamt eher konventionell wirkenden Stellwände. Dass die computergestützte Erstellung der Entwürfe – wie in der Berufungsbegründung ausführlich geschildert –  nicht völlig automatisiert ablaufen, sondern wegen der Vielzahl einzelner Auswahlentscheidungen und manuell einzugebender Befehle mit beträchtlichem auch personellem Aufwand verbunden sein mag, genügt nicht.

b) Soweit ins Zentrum der Betrachtung die Ausführung der Computergrafiken selbst, also die Form statt des Objekts der Darstellung gestellt wird, lassen die in der Berufungsverhandlung in Augenschein genommenen Bildwiedergaben zwar eine gewisse Eigenständigkeit in der Auswahl und Umsetzung der vom Computerprogramm bereitgestellten Visualisierungsmöglichkeiten und optischen Effekte (Perspektive, Licht und Schatten) erkennen. Eine nicht nur handwerklich solide und technisch aufwendige, sondern auch im ästhetischen Ergebnis überragende Leistung vermag der Senat dieser geschickten Ausnutzung der – auch nach dem Berufungsvorbringen – im Kern bereits von der Software gebotenen Möglichkeiten aber nicht zu entnehmen.

2. Um ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffene Werke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG handelt es sich bei den Darstellungen nicht, denn die per Computer erzeugten virtuellen Designbeispiele für in der Realität so (noch) nicht existierende Messestände sind keine unter Einsatz strahlender Energie erstellten selbständigen Abbildungen der Wirklichkeit (vgl. OLG Hamm, GRUR-RR 2005, 73 [74] – Web-Grafiken; Wandtke / Bullinger, a.a.O., § 2 Rn. 113; Schricker / Loewenheim, a.a.O., § 2 Rn. 175). Aus demselben Grund handelt es sich auch nicht um lichtbildähnliche Erzeugnisse ohne Werkqualität gemäß § 72 UrhG (vgl. Schricker / Vogel, a.a.O., § 72 Rn. 19, 21; Wandtke / Bullinger / Thum, a.a.O., § 72 Rn. 12, 18 m.w.N.; weitgehender Dreier / Schulze, a.a.O., § 72 Rn. 7).

3. Wären die Grafiken als Zeichnungen, Pläne, Skizzen oder ähnliche Darstellungen technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG aufzufassen, bedürfte es für ihren Schutz der Form nach ohne Rücksicht auf die Schutzfähigkeit der abgebildeten Objekte (vgl. BGH, GRUR 1985, 129 [130] – Elektrodenfabrik) keines zu hohen Maßes an eigen-schöpferischer Formgestaltung, weil in diesem Bereich bereits (als „kleine Münze“) solche von ihrem praktischen Zweck bestimmten Darstellungen (mit entsprechend engem Schutzumfang) geschützt sind, bei denen die individuelle, sich vom alltäglichen Schaffen im Bereich technischer Zeichnungen abhebende Geistestätigkeit in dem darstellerischen Gedanken zum Ausdruck kommt, mag auch das Maß an Eigentümlichkeit und individueller Prägung gering sein. Das Gestaltungsvermögen des Grafikers kann in diesem Sinne etwa dann besonders gefordert sein, wenn der Gegenstand einer technischen Konstruktion zeichnerisch so dargestellt werden soll, dass sich dem Betrachter die Zusammensetzung, Anordnung und Funktion dieses Gegenstandes verständlich und anschaulich erschließt (BGH, GRUR 1991, 529 f. – Explosionszeichnungen; GRUR 1993, 34 [35] – Bedienungsanweisung; vgl. Schricker / Loewenheim, a.a.O., § 2 Rn. 194 ff. m.w.N.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht: Bei den Grafiken der Klägerin geht es ihrem Zweck entsprechend gerade um das Design und den gefälligen visuellen Eindruck selbst, nicht dagegen um eine praktisch-technische Bildaussage, deren grafische Umsetzung unter Auswahl geeigneter Darstellungstechniken eine eigene besondere geistige Leistung erfordert.

4. Der Berufung ist einzuräumen, dass der Streitfall gewisse Inkonsistenzen der gesetzlichen Regelung in Bezug auf den urheberrechtlichen Schutz von Computergrafiken im Vergleich etwa zu Lichtbildern aufzeigen mag. Eine vertretbare Möglichkeit, die ihrer Art nach durchaus unter § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG subsumierbaren, hinter der dafür vorausgesetzten Schöpfungshöhe aber zurückbleibenden Darstellungen der Klägerin als nicht unter die Werkkategorien des § 2 Abs. 1 UrhG fallende („Multimedia“-) Werke eigener Art wenigstens gegen identische Übernahmen zu schützen, sieht der Senat hier nach Lage der Dinge aber nicht.

5. Wettbewerbsrechtliche Erwägungen (§§ 3, 4 Nr. 9, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 12 Abs. 1 S. 2 UWG) können die Berechtigung der von der Klägerin ausgesprochenen Abmahnung und des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Freistellung von den entstandenen Abmahnkosten erst recht nicht stützen. Unabhängig von der Frage, ob darin nur eine alternative rechtliche Begründung des mit Mahnbescheid und Klage (verjährungshemmend) anhängig gemachten Anspruchs oder schon eine (zweitinstanzlich nur in den Grenzen der §§ 529, 533 ZPO zulässige) Änderung des Klagegrundes läge, fehlt es jedenfalls an geeignetem Sachvortrag der Klägerin zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes, namentlich zur wettbewerblichen Eigenart ihrer Computergrafiken.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei dem Urteil handelt es sich um eine maßgeblich auf tatrichterlichem Gebiet liegende Entscheidung im Einzelfall, so dass gemäß § 543 Abs. 2 ZPO kein Anlass bestand, die Revision zuzulassen.

Unterschriften


Michael Terhaag | Christian Schwarz

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